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StaatshaushaltReichen-Soli droht das Aus

Am Mittwoch verkündet das Bundesverfassungsgericht, ob der Solidaritätszuschlag bleibt. Vergangenes Jahr nahm der Staat darüber 12 Milliarden Euro ein.

Verblasste Losung vom Aufschwung Ost in Magdeburg Foto: Christian Schroedter/imago

Berlin taz | Wie groß der finanzielle Spielraum der künftigen Bundesregierung ist, hängt auch von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Solidaritätszuschlag ab. Am Mittwoch verkünden die Rich­te­r:in­nen ihr Urteil, ob der „Soli“ verfassungswidrig ist. Sollte das der Fall sein, würden dem Bundeshaushalt jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag fehlen.

Den Solidaritätszuschlag, kurz „Soli“, hatte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nach der Wiedervereinigung zur Finanzierung des Aufbaus im Osten eingeführt. Seit 2021 müssen diese Sondersteuer nur noch sehr gut Verdienende und Unternehmen zahlen, rund 90 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerzahlenden sind davon befreit.

Im Jahr 2024 wurde der volle Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent der Einkommensteuer zum Beispiel für Alleinstehende fällig, die ein zu versteuerndes Jahresabkommen ab 104.000 Euro hatten. Im vergangenen Jahr nahm der Staat mit dem Soli 12 Milliarden Euro ein. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Abgabe nicht nur für die Zukunft abschaffen, sondern auch die Rückzahlung seit 2021 fordern, wäre die finanzielle Lücke enorm.

Gegen den Rest-Soli hatten sechs FDP-Abgeordnete vor der Regierungsbildung der Ampel geklagt. Sollten sie erfolgreich sein, würde das die zurzeit laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD extrem belasten. Die 16 Arbeitsgruppen sollten ihre Ergebnisse bis Montagnachmittag um 17 Uhr der sogenannten Steuerungsgruppe aus Spitzenleuten der Parteien vorlegen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte am Montagmittag in Berlin, er erwarte noch „schwierige Gespräche“ mit der SPD. Es dürfe kein „Weiter so“ geben.

Uneinigkeit in künftiger Koalition

Erheblichen Klärungsbedarf gibt es offenbar bei den Themen Migration und Leistungskürzungen für Geflohene. Das gilt auch für Steuerfragen. Die Union fordert Medienberichten zufolge Steuererleichterungen für Unternehmen. Die SPD lehnt das bislang wohl ab und verlangt dagegen einen Steuerzuschlag für Spitzenverdiener:innen.

Einigkeit soll es in der Frage geben, dass der Spitzensteuersatz in Zukunft nur noch für Jahreseinkommen ab 80.000 Euro fällig wird. Heute wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Einkommensteile ab 68.480 Euro berechnet. Ab einem Einkommen von 277.826 Euro gilt der sogenannte Reichensteuersatz von 45 Prozent.

Unklar ist bislang, ob und wie es mit dem Deutschlandticket weitergeht. Die bundesweit im öffentlichen Nahverkehr gültige Fahrkarte kostet zurzeit 58 Euro im Monat, sie wird von rund 14 Millionen Bür­ge­r:in­nen genutzt. Der Bund subventioniert das Ticket 2025 mit 1,5 Milliarden Euro, die Länder tragen zusammen die gleiche Summe.

Sollte der Bund diese Zahlung nicht mehr leisten, wird die Monatsfahrkarte erheblich teurer oder schlimmstenfalls abgeschafft. Im Sondierungspapier von Union und SPD wurde zum Deutschlandticket nur „Beratungsbedarf“ festgehalten und keine Aussage zu einer Fortführung getroffen. Vor allem die CSU sieht die günstige Flatrate für den ÖPNV kritisch.

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16 Kommentare

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  • Ich bin gespannt ob das Bundesverfassungsgericht die Büchse der Pandora öffnet, das wird sie wohl kaum vermeiden lassen ( Gleichbehandlungsgrundsatz ). Die Politiker hätten in der Zwischenzeit sich etwas einfallen lassen müssen, z.b. einen Ersatz einführen sollen der vor dem Bundesverfassungsgericht stand gehalten hätte. Das im Hintergrund nichts passiert ist, das ist so gewollt. Ein Ersatz wäre gut gewesen, ( Soli für den ( Wohnungsbau, Bildung und die Verteidigung )) man kann heute den Menschen den Aufbau Ost durch den Soli nicht mehr verkaufen der eigentlich zeitlich begrenzt sein sollte, und das zurecht.

  • Warum wird eigentlich fast immer bei diesem Thema unterschlagen, dass auch Sparer den Soli zahlen müssen, die nicht zu den Reichen



    zählen. Unkenntnis oder Ignoranz - weil Reichen-Soli besser klingt.

  • Der Soli betrifft nicht nur Reiche, sondern auch alle, die Kapitaleinkünfte erhalten auf Aktien, Sparbücher, Tagegeld etc., wenn sie mehr als den "Sparerpauschbetrag" von 1.000€ im Jahr erhalten. Warum wird das immer nicht erwähnt überall und auch nicht bei der taz?



    Recherche-Auftrag: wie hoch ist der Anteil vom Soli durch Aktien etc.?

  • Was spricht denn dagegen, den Soli in die Einkommenssteuer zu integrieren? 35 Jahre nach der Einheit ist wohlmöglich der Grund für eine Sonderabgabe dafür entfallen. Karlsruhe wird es schon richtig machen.

    • @Friedrich567:

      Was dagegen sprach? Man hatte keine Mehrheit im Bundestag fuer Steuererhoehungen. Aber wir sind es ja mittlerweile gewoehnt, dass die Demokratie gebogen wird bis sie bricht, wenn es darum geht fehlde Mehrheiten im Bundestag zu ignorieren.

    • @Friedrich567:

      vielleicht wird ja eine neue Sonderabgabe erfunden, bei Steuern ist das Finanzministerium bestimmt sehr erfinderisch.

  • Reichensoli - wo gibt's denn sowas ?

    Da packt man doch den Leistungsträgern der Nation, den Helden der Ökonomie, ach was sag ich: Den Göttern des Kapitals in die Tasche.

    Und das kann ja wohl nicht sein, oder ?

  • Was hat den eine Klage vorm Verfassungsgericht mit Solidarität zu tun? Jeder Bürger hat das Recht, das sich unsere Regierung an die Verfassung hält und auch das Recht zu klagen.



    Und wenn das Bundesverfassungsgericht einen haushalt oder auch ein Steuergesetz als falsch beurteilt hat einfach die Regierung einen Fehler gemacht.

  • Ein Aleinstehender der 103000 € Brutto im Jahr verdient hat Netto monatlich 4900 €. Der ist also reich.

  • Den Reichen-Soli zahlt auch jeder Kleinsparer mit einem Spareinkommen von mehr als 1000 Euro im Jahr. Kein Wunder, dass die Union an das ueppige Buergergeld will. Das sind im Vergleich ja Superreiche.

  • "Gegen den Rest-Soli hatten sechs FDP-Abgeordnete vor der Regierungsbildung der Ampel geklagt." Bereits damit hatte sich abgezeichnet, dass die "Ampel" wegen der unsolidarischen, asozialen FDP zum Scheitern verurteilt sein würde.

    • @Lichtenhofer:

      WAS ist "asozial" und "unsolidarisch" wenn man gegen ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz klagt?

    • @Lichtenhofer:

      Das kennen wir ja von der Ampel. Schuld sind nicht diejenigen, die gegen die Verfassung verstossen, sondern diejenigen, die deshalb nach Karlsruhe gehen.

    • @Lichtenhofer:

      Als Klage erhoben worden ist, lautete der Name des Finanzministers Scholz und an eine Ampel war nicht zu denken.

  • > Einigkeit soll es in der Frage geben, dass der Spitzensteuersatz in Zukunft nur noch für Jahreseinkommen ab 80.000 Euro fällig wird.

    Was kostet das an Steuereinnahmen?

    Müsste, um den Steuerverlust auszugleichen, nicht der Spitzensteuersatz erhöht werden?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Der Grund warum der Spitzensteuersatz schon bei 68.480 Euro anfaengt ist die unterlassene Angleichung der Steuersaetze an die Inflation. Es geht also darum ein Teil der versteckten Steuererhoehungen rueckgaengig zu machen.



      Da die oberen 10% eh schon 57% des gesamten Einkommensteueraufkommens bezahlen wird es nicht einfach sein, das ganze aufkommensneutral zu halten. Stichwort Work-Tax-Balance, die Work-Life-Balance der Besserverdienenden ;-)