Staatsgewalt gegen Medien in Belarus: Drei Festnahmen bei Newsagentur

Die belarussische Polizei hat die Chefredakteurin der privaten Agentur BelaPAN in Gewahrsam genommen. Ihr drohen jetzt mehrere Jahre Haft.

Der belarussische Staatschef Lukaschenko

Seit der fragwürdigen Wiederwahl Alexander Lukaschenkos gibt es Proteste – und heftige Staatsgewalt Foto: BelTA/ap

BERLIN taz | In Belarus ist ein weiteres unabhängiges journalistisches Medium kaltgestellt. Am Mittwoch bekamen sechs Mit­ar­bei­te­r*in­nen der privaten Nachrichtenagentur BelaPAN von Sicherheitskräften zu Hause Besuch. Die ungebetenen Gäste nahmen neben technischem Gerät wie Festplatten und Telefonen auch gleich noch drei Personen mit.

Kurz darauf teilte das staatliche Ermittlungskomitee mit, Chefredakteurin Irina Lewschina, Ex-Redaktionsleiter Dmitri Nowoschilo und die Buchhalterin Ekaterina Bojewa säßen derzeit im berüchtigten Minsker Untersuchungsgefängsnis Okrestina ein. Der Vorwurf lautet auf Organisation und aktive Teilnahme an Aktionen, die massiv die öffentliche Ordnung verletzen. Darauf stehen bis zu vier Jahre Haft.

Zudem wurde die Steuerpolizei eingeschaltet – in Belarus ebenfalls eine gängige Methode, um kritische Medien außer Gefecht zu setzen. Bei der Prüfung durch die Steuerpolizei seien zahlreiche Verstöße festgestellt worden, was zu einer Anklage wegen Steuerhinterziehung führen könne, hieß es von offizieller Seite. Seit Mittwoch waren die beiden Webseiten belapan.by und belapan.com weder in Belarus noch aus dem Ausland erreichbar.

BelaPAN ist die älteste und größte unabhängige Nachrichtenagentur in Belarus. Sie existiert seit 1991 und war eines der letzten großen unabhängigen Medien, das noch online war. Bereits im vergangenen Januar waren die Redaktionsräume von BelaPAN durchsucht, Technik und Dokumente beschlagnahmt worden. Der frühere stellvertretende Redaktionschef Andrei Aleksandrow war festgenommen und des Hochverrats sowie der Organisation von Massenunruhen beschuldigt worden. Die Vorwürfe bezogen sich auf die wochenlangen landesweiten Proteste gegen Staatschef Alexander Lukaschenko nach dessen angeblicher Wiederwahl zum Präsidenten am 9. August. Im vergangenen Juli hatten mehrere Jour­na­lis­t*in­nen von BelaPAN das Land aus Angst vor Repressionen verlassen.

Liste politischer Gefangener wird immer länger

Darunter ist auch Tatjana Korowenkowa. „Im Lichte der letzten Ereignisse seit Mai sowie der Festnahme von Jour­na­lis­t*in­nen des Webportals tut.by haben alle damit gerechnet, dass sie auch zu uns kommen würden. Das war nur eine Frage der Zeit“, wird Korowenkowa von dem russischsprachigen Nachrichtenportal Nastojaschee Vremja zitiert.

Der unabhängige belarussische Journalistenverband Basch, der ebenfalls auf Lukaschenkos Abschussliste steht, forderte die Behörden auf, die festgenommen Personen von BelaPAN freizulassen. Man könne unabhängige Medien schließen und ihre Mit­arbei­te­r*in­nen festnehmen, aber niemand könne Gedanken unterdrücken, heißt es in einer Erklärung. Laut Basch sitzen derzeit 33 Me­di­en­ma­che­r*in­nen in Haft.

Die Liste politischer Gefangener könnte sich schon bald verlängern. Ebenfalls am Mittwoch stufte ein belarussisches Gericht zwei Kanäle der Hackergruppe Kiber Partisany („Cyber-Partisanen“) als „extremistisch“ ein. Strafverfolgungsbehörden und Vertreter von Regierungsstellen seien diskreditiert und Hass sei geschürt worden. Damit ist das Verbreiten solcher Inhalte ab sofort strafbar. Es drohten Geldstrafen und Polizeigewahrsam, erklärte das Innenministerium.

Laut eigenen Angaben haben die „Cyber-Partisanen“ im Juli die belarussische Regierung angegriffen. Seitdem veröffentlicht die Gruppe über Telegram brisante Tonaufnahmen von Beamten des Innenministeriums, die Gewalt gegen Dem­on­stran­t*in­nen anordnen.

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