Staatsbesuch in Peking: Gauck trickst Chinas Stasi aus
Der Bundespräsident hält Wort und trifft sich auf seiner China-Reise nicht nur mit Regierungsvertretern, sondern auch mit Anwälten und Menschenrechtlern.
PEKING taz | Chinas Führung wusste, dass der deutsche Bundespräsident kein einfacher Gast sein würde. Doch dass Joachim Gauck bereits nach seinem ersten Besuchstag sogar die örtliche Staatssicherheit austrickst – damit hatte kaum einer gerechnet.
Nach seinem offiziellen Programm traf sich der Bundespräsident am späten Montagabend in der Deutschen Botschaft in Peking mit Bürgerrechtsanwälten und Menschenrechtsaktivisten, darunter Mo Shaoping und Shang Baojun. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatte bei seinem China-Besuch vor zwei Jahren versucht, ein Treffen mit ihnen zu vereinbaren. Chinas Staatssicherheit wusste das damals zu verhindern.
Obwohl die Staatssicherheit den Anwälten auch dieses Mal dicht auf den Fersen war und ihnen vorab von einem Treffen mit Gauck „abriet“, kam es zustande. Nach dem fast zweistündigen Gespräch sagte einer der Anwälte: „Wir sind sehr gerührt.“ Gauck habe sich trotz seines vollen Programms noch „Zeit für die Menschenrechte in China genommen“.
Zuvor hatte Gauck gegenüber deutschen Journalisten versichert, dass er bei seinen Treffen unter anderem mit Staats- und Parteichef Xi Jinping und Premier Li Keqiang auch konkrete Einzelfälle von Regimekritikern angesprochen habe. „Gehen Sie davon aus, dass ich auch Namen genannt habe.“
Gauck sieht sein China-Bild „ergänzt“
Auch am Dienstag führte Gauck seine Gespräche mit Vertretern der chinesischen Zivilgesellschaft fort. Er traf sich im unter anderem von Ai Weiwei einst mitgegründeten Pekinger Künstlerviertel 798 mit fünf prominenten Schriftstellern. „In der Debatte über Menschenrechte, die Rolle des Rechts in einer sozialistischen Gesellschaft, das Problem der Geltung der Verfassung und bürgerlicher Freiheiten ist es wichtig, nicht nur die offiziellen Stimmen zu hören, sondern auch die Stimmen der Regierten“, sagte Gauck im Anschluss. Das habe sein China-Bild ergänzt.
Dass er sich anders als die meisten anderen europäischen Staats- und Regierungschefs bei China-Besuchen von Peking mit seinen vielen glitzernden Hochhäusern keineswegs nur angetan zeigte – daraus machte der Bundespräsident keinen Hehl.
„Es ist wichtig, auch die Stimmen der Regierten zu hören“
Marxismus und die Kluft zwischen Arm und Reich
Er thematisierte die ihm aufgefallenen Widersprüche gegenüber seinen Gastgebern auch. Wie könne ein Land, in dem die Kluft zwischen Arm und Reich so groß ist, dies weiter mit dem Marxismus rechtfertigen, fragte er beim Besuch der Zentralen Parteihochschule am Montag.
Mit Antworten wie „Modernisierung des Sozialismus unter chinesischen Vorzeichen“ gab er sich nicht zufrieden. Am Mittwoch will Gauck in Schanghai zu Studenten der renommierten Tongji-Universität sprechen. Er dürfte eigene Antworten liefern.
Leser*innenkommentare
Der Allgäuer
... was möglich wird, wenn es gewollt wird ...
Daran sollten sich die, die als Regierungschefs, Minister und Spitzenpolitiker des freien und demokratischen Westen's (die ja alle, angeblich, einer "Werte-Gemeinschaft" angehören) China und andere eher undemokratisch regierten Länder besuchen, eine "dicke Scheibe" abschneiden. Und nicht immer nur so tun als hätten sie gegenüber den dort Herrschenden (anstatt: Regierenden) die Menschenrechte angesprochen.
Herzlichen Dank, Bundespräsident Joachim Gauck, für dieses Leuchtfeuer der Demokratie und Freiheit!