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Staatliche Hilfspakete wegen CoronaDie Anti-Schock-Strategie

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Ein Blick auf das Konjunkturpaket verrät: Die Große Koalition ist besser als ihr Ruf. Das liegt an der SPD.

Hat den Milliarden-Hilfspaketen seinen Stempel aufgrdrückt: Bundesfinanzminister Olaf Scholz Foto: Kay Nietfeld/dpa

I m Jahr 2004 verwüstete ein Tsunami die Küste Sri Lankas. Der Schaden für die Fischer war ein doppelter: Die Fluten zerstörten ihre Dörfer, danach nutzten die Regierung und Investoren das Desaster, um dort, wo ihre Häuser gestanden hatten, Hotelkomplexe hochzuziehen. Katastrophen werden oft für eine neoliberale Tabula-rasa-Politik genutzt, bei der die Reichen und Mächtigen gewinnen und die Armen verlieren. Die amerikanische Globalisierungskritikerin Naomi Klein hat dieses Prinzip etwas reißerisch „Schock-Strategie“ getauft.

Der Lockdown hat durchaus tsunamihafte wirtschaftliche Schäden angerichtet. Das Konjunkturprogramm der Großen Koalition ist eher eine Art Anti-Schock-Strategie. Man kann und muss einiges bemängeln – etwa dass Hartz-IV-Empfänger noch nicht mal einen symbolischen Bonus erhalten. Oder dass die Chance, Kommunen beherzter aus dem Kreislauf von Armut und Überschuldung zu befreien, versäumt wurde. Oder dass Pflegeberufe nicht eigens bedacht wurden.

Aber all das trifft nicht den Kern. Das Konjunkturpaket ist, unabhängig davon, ob sich die SPD da mehr oder weniger durchgesetzt hat, ein rot-grünes Programm. Der Staat investiert antizyklisch, um die Krise abzupuffern. Bei der SPD gehört der Keynesianismus zur DNA, bei der Union sind sie Keynesianer aus Not. Die Union hat die Rolle des Bremsers gespielt – und auch das nur halbherzig. Sie wollte Steuern für Reiche senken, was für den Konsum nichts bringt.

Sie wollte das Programm auf 100 Milliarden Euro begrenzen, was die Schlagkraft des Pakets ohne Not gemindert hätte. Und sie wollte, jedenfalls zum Teil, eine Abwrackprämie für Benziner und Diesel. Doch wenn der BMW-Konzern, der 1,6 Milliarden Euro an Aktionäre zahlt und das Kurzarbeitergeld nutzt, auch noch eine Kaufprämie für Luxusautos bekommen hätte, wäre das purer Lobbyismus gewesen.

Nichts davon kommt, und das ist gut so. Stattdessen fließt viel Geld in ökologisch verträgliche Wirtschaft und Zukunftstechnologie. Es ist kein Zufall, dass die Kritik (Grüne: es hätte noch mehr Öko sein können, Linkspartei: es hätte noch sozialer sein können) eher routiniert klingt.

Die SPD hat die Union bei den Verhandlungen keineswegs trickreich über den Tisch gezogen, das Ergebnis ist schlicht ein Kompromiss. Doch es gibt eine Asymmetrie: Die SPD will ein Konzept durchsetzen, die Union moderieren. Der Geist dieses Pakets ist sozialdemokratisch. Wenn die Union harte Überzeugungen leidenschaftlich verteidigen würde, müsste sie depressiv werden. Das wird nicht passieren, denn die Union ist keine Programmpartei und hat keine Neigung zum Depressioven. Bei der SPD ist beides anders.

Mit Jamaika wäre es wohl nicht gegangen

Es gab in der Berliner Politik in den letzten Jahren zwei Schlüsselmomente, die in der Krise in anderem Licht erscheinen. Christian Lindner jagte Jamaika in die Luft, die SPD fühlte sich, staatstragend wie sie ist, zu noch einer Großen Koalition genötigt. Damals schien das fatal – und Jamaika das frischere, interessantere Projekt zu sein.

Doch nichts wäre derzeit schädlicher als Christian Lindners nervöser Neoliberalismus oder der Versuch, die Krise mit Schockstrategien zu bearbeiten. Merkel und die Union haben flexibel ihren Schwur gebrochen, dass die EU keine Schulden machen darf, weil sie begriffen haben, dass eine EU mit Schulden besser ist als gar keine EU. Ob einem FDP-Finanzminister dieses Licht aufgegangen wäre, ist zweifelhaft.

Das zweite Ereignis war der Putsch in der SPD gegen Andrea Nahles. Der hatte den Effekt, dass die Fraktions- und Parteispitze der SPD erkennbar nach links gerückt sind. Und das ist, entgegen allen düsteren Prophezeiungen, kein Nachteil.

Die Große Koalition, die im Normalmodus träge wirkt, macht sich in der Krise gut. Die SPD steuert die Ideen bei, die Union steht bei deren Umsetzung erfreulich wenig im Weg. Dass dies der SPD partout nicht zu mehr Zuspruch bei den Wählern verhilft, wirkt fast tragisch.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • Naomi Klein beschreibt in ihrem Buch „Schocktherapie“ 2007 nicht reißerisch, wie der Autor meint, sondern historisch dokumentiert, konkret neoliberale Schock Methode Friedman Milton, Chicago Boys in Chile 1973, Mexiko 1987, Argentinien, Polen 1988, durch Militärputsch, Ausnahmezustand, Zusammenbruch der Währung, Infrastruktur, Gefahr Failed State, Widerstand gegen Sozialabbau, Abbau Gesundheitssystem, Daseinsvorsorge, Wohnungsbestand, Energie, Verkehr, Telekommunikation, Rentensystem zu privatisieren, zu paralysieren, diese Staaten zu sanieren, was in keinem Fall gelang. Im Gegenteil, Staatsschulden explodieren. prognostiziert private Investitionen bleiben aus.

    Inzwischen ist neoliberale Schockmethode im Wege Globalisierung in ihrer Wirkung komplexer ausgelegt, angesichts globaler Zulieferer, Lieferketten in Produktion, Logistik, ausgelöst in "Hochpreis" Export Land, zumal durch Handelskriege, Protektionismus, Brexit?, wie Trade War zwischen USA, China, EU, die aus ganz anderem nicht ersichtlichem Anlass ausgelöst werden können, wie jetzt in Deutschland als Pro Kopf Exportweltmeister wg Shutdown, Lockdown aufgrund Corona Pandemie von Unternehmen entschädigungslos Verträge über Zulieferer Produktion, Logistik Lieferketten in alle Welt suspendiert werden, löst das Kette von Schocks aus z. B. in Bangladesch erst in Textilbranche dann im ganzem Land mit Massenarbeitslosigkeit. Während Schock Wirkung in Deutschland durch Anti Schock Strategie wie es der Autor nennt sog Rettungspakete abgefedert zunächst wo ganz anders zur „gewünschten“ Entfaltung gelangen kann, noch schlechtere Konditionen zulasten Dritter zu diktieren? Weshalb Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Gefahr vor Augen 4 Milliarden aus 135 Milliarden Rettungs-, Konjunkturpaket bei uns für diese Länder am Anfang von Lieferketten bereitzustellen heute in Tagesschau fordert, das in Warteschleife befindlich von Wirtschaft abgelehnte Lieferkettengesetz im Bundestag zur Abstimmung gestellt durchzusetzen

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Das neue Führungsduo der SPD ist zwar medial nicht sonderlich sexy, inhaltlich aber deutlich besser als die meisten ihrer Vorgänger.

  • Schon länger verstehe ich das sonst übliche SPD-Bashing in vielen Medien nicht. Umso erfreulicher, dass ihre Leistung wenigstens in der taz mal öffentlich benannt wird.



    Immerhin ist sie der durch Bundestags-Wahl zahlenmäßige schwächere Partner.



    Und nicht zum ersten mal hat sie sich gute Kompromisse ausgehandelt mit dem Koalitions-Partner (den sie damals gar nicht wollte).



    Ich hoffe, dass sich daran noch mehrere Wähler erinnern werden.



    Und dass dieses Fun-Bushing in vielen TV- und Print-Medien endlich einer sachlichen Betrachtung der Entwicklung und Erfolge der SPD weicht.

  • Kann man (partei-) politisch so bewerten, keine Frage. Auch, dass so manches in diesem Wirtschaftsförderungsprogramm notwendig ist, um wachsende Existenzängste zu beruhigen. Dass das Soziale zu kurz, und diejenigen (Personen und -gruppen), denen die Unternehmen gehören, nicht zu kurz kommen, hat Tradition.



    Ich frage mich, wer hat sich das 15-seitige Eckpunktepapier (das Wumms-Programm) schon mal angeschaut? Scheinen alle zufrieden zu sein! Keine Probleme damit, dass unter die den Gegenwartsschmerz mildernden Salbe reichlich ätzende Säure gemischt wurde?

    5G und perspektivisch 6G, Quantencomputer, Cyberabwehr Bundeswehr, Wertschöpfung aus vorgezogener Rüstungsproduktion, Modernisierung des Körperschaftssteuerrechts, Beschleunigung des Planungsrechts, zusätzliche 700 Mio für Waldbesitzer, nur Beihilfen und eine einmalige Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV( keine Änderung des Gemeindeverkehrfinanzierungsgesetz zur Förderung des ÖPNV!), dafür mehrere Milliarden für die Konkurrenz (Forschung Antriebe E-, Wasserstoff, Hybide, Batterien, Speicherung, Infrastruktur Ladestationen, Batteriezellfertigung... Recycling?= Fehlanzeige), Bus-und LKW Flottenmodernisierung für alle Antriebe, …

    Und beim Wasserstoff geht es um Demonstrationsanlagen für den Technologieexport, „made in germany“.

    Es gäbe Grund genug zu fragen, weshalb dieses oder jenes in dieses Paket gepackt wurde! Einzeln würden viele "Eckpunkte" durchaus kontroverse Diskussionen auslösen. Aber die Gunst der Stunde, musste wohl genutzt werden. Wer liest heute schon 15 Seiten, wenn es kein Buch ist?

    www.bmwi.de/Redakt...ublicationFile&v=6

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Dann müssten die Umfragewerte der SPD bald besser werden.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Sie Optimist.

      Sie unterstellen, dass die Wähler*innen sich im statistischen Mittel vernünftig verhalten.

      Nach Ihrer Einschätzung und [1] dürfte demnach die FDP (Partei der Reichen) nur bei irgendwo zwischen 1 und 0.1 Prozent liegen. Ein Träumchen!

      [1] de.wikipedia.org/w...r%C3%BCcksichtigen