Staatenlos in Deutschland: Abschiebung gestoppt
In letzter Minute wird die Abschiebung von Robert A. ausgesetzt. Nicht nur für seine Zukunft wird jetzt in Sachsen demonstriert.
Der 31-jährige Robert A. war am Freitag bei einem regulären Besuch bei der Ausländerbehörde inhaftiert wurden. A. lebt in Deutschland, seit er acht Monate alt ist. 1993 waren seine Eltern mit ihm vor dem Jugoslawien-Krieg zuerst in die Niederlande und dann nach Deutschland geflohen. Nun sollte er nach Serbien abgeschoben werden – ein Land, in dem er niemals war und dessen Sprache er nicht spricht. Seit Freitag befand sich A. in Abschiebehaft.
„Heute Nacht um 00:21 hat Robert mich angerufen und mir gesagt, dass er jetzt zur Abschiebung nach Frankfurt gebracht wird“, berichtet sein Anwalt Ulrich Tronczik am Telefon. Den Flüchtlingsrat erreichte in der Nacht die Information, dass A. nicht wie zuerst vermutet am Dienstag, sondern schon am Montag um 11:40 Uhr mit einem Charterflug hätte abgeschoben werden sollen. Die rettende Nachricht kam in letzter Minute: Um 10:21 Uhr veröffentlichte das sächsische Innenministerium die Mitteilung, derzufolge die Abschiebung ausgesetzt sei. Inzwischen wurde A. aus der Haft entlassen.
Entsetzen und Freude in Chemnitz
In Chemnitz, wo Robert zu Hause ist, hatte die angekündigte Abschiebung bei vielen Entsetzen ausgelöst. Hunderte waren am Sonntag zu einer Solidaritätskundgebung vor der Chemnitzer Ausländerbehörde gekommen, eine Petition gegen Roberts Abschiebung haben mehr als 20.000 Menschen unterzeichnet.
„Robert konnte es erst mal gar nicht fassen, dass die Abschiebung gestoppt ist“, sagt Tronczik, der ihm die gute Nachricht überbracht hat. Dave Schmidtke, der Robert A. schon seit Jahren kennt und beim sächsischen Flüchtlingsrat seinen Fall begleitet hat, ist erleichtert. „Aber der Kampf geht weiter“, sagt Schmidtke, „Robert hat noch immer nur eine Duldung und keineswegs einen sicheren Aufenthalt in Deutschland.“ Die Kundgebung, die für heute Nachmittag vor der Abschiebehaftanstalt in Dresden geplant war, findet trotzdem statt – nun aber vor dem Innenministerium. „Viele Menschen in einer ähnlichen Situation wie Robert werden abgeschoben, oft ohne öffentliche Aufmerksamkeit“, sagt Schmidtke. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampelregierung eine Rückführungsoffensive angekündigt. „Die ist in vollem Gange“, sagt Schmidtke.
Voraussichtlich noch am Montag wird Robert A. nach Hause zurückkehren. In Chemnitz wird er voller Vorfreude erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren