St. Pauli gegen Schalke in der 2. Liga: 19.950 potenzielle Corona-Spreader

Nach einem souveränen Sieg gegen Verfolger Schalke 04 ist der FC St. Pauli Herbstmeister. In der Pandemiebekämpfung ist aber noch Luft nach oben.

Fußballfans stehen dicht aneinander, im Vordergrund ein Transparent mit den Worten "Glaube, Liebe, Hoffnung"

Fan-Tugenden, die beim Aufstieg hilfreich sein mögen, gegen die Pandemie eher nicht Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Die Zahl des Abends lautet 19.950. So viele Menschen sind am Sonnabend ins Millerntor-Stadion gekommen, zum Topspiel der Zweiten Fußball-Bundesliga zwischen dem FC St. Pauli und Schalke 04. Das viel kritisierte Niederrhein-Derby im vollbesetzten Kölner Stadion ist gerade eine Woche her. Und zwei Tage ist es her, dass die Mi­nis­ter­prä­si­den­ten sich auf Regeln für den Stadionbesuch geeinigt haben: höchstens halbe Belegung, maximal 15.000 Zuschauer und sogar wieder Geisterspiele, bei hoher Hospitalisierungsinzidenz.

Aber die Regel steht erst ab der kommenden Woche in der Hamburger Corona-Verordnung. Sie ad hoc umzusetzen, wäre logistisch schwierig geworden. Also gelten nur 2G, also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene, dazu Maskenpflicht. Zusätzlich hat der FC St. Pauli seine Fans aufgefordert, sich vor dem Spiel testen zu lassen, 2G+ auf Vertrauensbasis sozusagen. Sogar ein eigenes Testzentrum am Stadion gibt es jetzt. Und ein Drittel der Plätze hat der Klub leer gelassen – freiwillig.

Im Stadion werden die Grenzen solcher gut gemeinter Schutzmaßnahmen schnell deutlich: Einige Sitzplatzblöcke sind nur halb gefüllt – aber die andere Hälfte ist so dicht besetzt wie immer. Die Stehplatzränge wirken mit bloßem Auge einfach nur voll. Und die Durchsagen, die immer wieder an die Maskenpflicht erinnern, nehmen viele eher als Empfehlung, denn als Ansage.

Die vielleicht effektivste Neuerung ist, dass die Ultras ihren Dauersingsang ausfallen lassen. Das liegt aber gar nicht an den Aerosolen, sondern an Sexismusvorwürfen, die in der Fanszene aufgekommen waren. Die würden noch aufgearbeitet, heißt es in einer Rundmail, der übliche Support würde deswegen „als nicht angebracht empfunden“.

Dilemma Pandemieschutz gegen Zuschauereinnahmen

Der FC St. Pauli steckt in einem Dilemma. Im Klub ist soziale Verantwortung mehr als eine Abteilung, die man sich irgendwann mal zugelegt hat. In der Pandemie hat er immer wieder versucht, diese Verantwortung mit den Erfordernissen des Profigeschäfts zu versöhnen. Gerade sammelt er Spenden für die Aktion „Zimmer statt Straße“, damit auch in diesem Winter wieder wenigstens ein paar Obdachlose in Hotels unterkommen.

Gleichzeitig ist St. Pauli stärker auf Zuschauereinnahmen angewiesen als die meisten Klubs. In der Zweiten Liga, in der die Fernseheinnamen deutlich niedriger sind als in der ersten, ist das Stadion immer voll, wenn es voll sein darf. Die Pandemie hat tiefe Löcher in die Bilanz gerissen. Auf der Mitgliederversammlung am vergangenen Dienstag wurde verkündet, dass sich das Eigenkapital nach einem Jahr fast ohne Zuschauer halbiert hat. Noch so ein Jahr und es wäre weg.

Das sicherste Gegenmittel wäre der Aufstieg. In der ersten Liga, und sei es nur für ein Jahr, sprudelt das Geld von Sendern und Sponsoren derart üppig, dass ein Klub sich sanieren kann. Deswegen sind die zweitwichtigsten Zahlen an diesem Abend 2:1. Auch wenn dieses Ergebnis nur unzureichend wiedergibt, wie klar St. Pauli den Aufstiegskonkurrenten Schalke 04 beherrscht hat.

Doppeltorschütze „Guidoburgstallerfußballgott“, wie die Fans ihn nennen, spart sich den Jubel gegen seinen Exklub. Aber am Ende ist die Stimmung gelöst. Nach dem achten Heimsieg in Folge ist St. Pauli vorzeitig Herbstmeister. Und das Beste ist: Vor der Winterpause kommen nur noch zwei Auswärtsspiele. Da müssen sich andere den Kopf über Zugangsregeln zerbrechen.

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