St. Pauli entlässt Michael Frontzeck: Raus, raus, der Trainer ist raus
Der Zweitligist FC St. Pauli trennt sich von Trainer Michael Frontzeck. Offenbar konnte es keine Einigung über eine Vertragsverlängerung geben.
HAMBURG taz | Der Schritt kam völlig überraschend. „Da fährst du zum Training, und auf einmal haben wir keinen Trainer mehr. Sprachlos!“, verlieh Mittelfeldspieler Kevin Schindler am Mittwochvormittag seiner Verwunderung auf Facebook Ausdruck. Knapp eine Stunde zuvor hatte das Präsidium des Fußballzweitligisten FC St. Pauli auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz die Entlassung von Cheftrainer Michael Frontzeck verkündet.
Es war ein Rausschmiss, der sich auch in den Hamburger Medien nicht angebahnt hatte. Die sportliche Platzierung des Teams stimmt mit den ausgegebenen Zielen grob überein, interne Konflikte größeren Ausmaßes waren nicht bekannt geworden. Der nun Entlassene hatte wiederholt betont, dass er sich am Millerntor wohlfühle, und Sportdirektor Rachid Azzouzi hatte sich stets positiv über Frontzeck geäußert. Was also war geschehen?
Nach der offiziellen Darstellung von Azzouzi, Präsident Stefan Orth und Vizepräsident Jens Duve hat ein „Ultimatum“ Frontzecks, seinen im Sommer 2014 auslaufenden Vertrag im Herbst vorzeitig um zwei Jahre zu verlängern, zum Bruch geführt. Der Verein habe in der Winterpause die sportliche Situation in Ruhe analysieren und dann mit Frontzeck über die Ausweitung seines Kontrakts sprechen wollen.
Der 49-Jährige, den die Fans zärtlich „Front-Zecke“ nennen, aber habe seit Mitte Oktober auf die vorzeitige Vertragsverlängerung gedrängt und angekündigt, sonst kommenden Sommer den Verein zu verlassen. „Wir wollten bei unserem Fahrplan bleiben und hatten dann keine andere Wahl mehr“, betont Azzouzi. Da die Kaderplanung für die nächste Saison im Winter Fahrt aufnehme, hätte sie bei einem sommerlichen Abgang Frontzecks ohne den zukünftigen Trainer vonstatten gehen müssen – ein Szenario, das der Zweitligist vermeiden wollte.
Der bisherigen Co-Trainer Roland Vrabec springt ein
Die Folge: In der Nacht auf Mittwoch entschied das Präsidium einstimmig, Frontzeck „mit sofortiger Wirkung zu beurlauben“. Man fragt sich nun, warum Frontzeck an seinem Ultimatum festhielt, wenn – wie Azzouzi betont – die Zeichen Richtung winterliche Vertragsverlängerung deuteten? Auch die schmallippigen Kommentare des Extrainers, der seit Oktober 2012 am Millerntor coachte, sind da nicht erhellend: „Es war überraschend – nicht nur für mich, sondern auch für die Mannschaft. Aber es ist halt manchmal so.“
Fest steht: Frontzeck wünschte sich größeren Rückhalt von den Vereinsoffiziellen und fühlte sich in seiner Arbeit zu wenig gewürdigt. Zudem war er mehrfach mit Clubpräsident Orth aneinandergeraten, weil dieser mit unbedachten Äußerungen die Erfolgslatte höher gehängt hatte als vereinbart und damit zusätzlichen Druck aufgebaut hatte.
Auf der anderen Seite waren einige Vereinsfunktionäre mit Frontzeck zwar nicht unzufrieden, aber auch nicht mehr vollends von ihm überzeugt. Den Abstiegskampf habe er vergangene Saison gut gemeistert, doch in der laufenden Saison „war das Anforderungsprofil ein anderes“, so Azzoui.
Ob Frontzeck der Richtige sei, die runderneuerte Mannschaft vorm Hintergrund begrenzter Finanzen weiterzuentwickeln mit Perspektive Bundesliga, daran gab es in der Führung des Clubs Zweifel. Das sind Details, die keine Entlassung eines Trainers begründen, aber erklären, warum beide Seiten nicht alles daran setzten, die Differenzen wegen der Vertragsverlängerung zu überwinden.
Die Mannschaft wird bis auf weiteres vom bisherigen Co-Trainer Roland Vrabec betreut. Am Montag trifft sie auf einen weiteren Krisenclub: Der Vorletzte, Energie Cottbus, feuerte am Dienstag mit Rudi Bommer ebenfalls seinen Trainer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen