Springer, Cannabis und Atomausstieg: Das Private ist öffentlich
Die Woche endet mit unechten Entschuldigungen – von Springer-Chef Mathias Döpfner und dem Dalai Lama. Und die Ampel weicht ihre Cannabispläne auf.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Macron, von der Leyen, Baerbock, Lula besuchen circa vier verschiedene Chinas.
Und was wird diese Woche besser?
Irgendwas in der Ukraine, hoffentlich, trotzdem.
Am Wochenende wurden die letzten drei deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet, Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder hält das für eine „absolute Fehlentscheidung“. Die polnische Regierung auch, denn die plant derzeit den Einstieg in die Atomenergie. Wird Deutschland diesen Schritt bereuen?
Söder fordert Länderhoheit für den Weiterbetrieb seiner AKWs und betont in seinem Koalitionsvertrag, dass Bayern „kein geeigneter Standort für Endlager“ sei. Der bayerische Löwe frisst gern daheim und kackt dann anderen Leuten auf die Fußmatte. Physikalisch bändigen weder Länder noch Nationen die Risiken; in Tschechien, bald Polen, sehr Frankreich ist Deutschland umstellt. Der deutsche Ausstieg ist Geste, aber immerhin gleich zwei davon: Industrialisierte Nationen können ohne, und demokratische langsam aber doch. Das sind Signale für die Klimapolitik.
Das FBI hat einen jungen US-Soldaten festgenommen, der verdächtigt wird, geheime Dokumente der US-Regierung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine geleakt zu haben. Ist er der neue Edward Snowden?
Der junge Mann scheint der Zufallstreffer zu sein, den es erwischt, wenn man mit brisanten Daten fahrlässig umgeht. Dafür sind dann alle verantwortlich, die ihn zur Indiskretion befähigten – am wenigsten er.
Die Erkenntnisse über die Gedankenwelt von Springer-Chef Mathias Döpfner haben einen großen Medienwirbel ausgelöst. Haben Sie Ihren SMS-Verkehr mit Kolleg*innen vorsichtshalber schon mal gelöscht?
Mittwoch erscheint der Roman „Noch wach?“ von Benjamin von Stuckrad-Barre. Keiner weiß, was drinsteht, weswegen Springer vor Wochen schon mal die komplette Bild-Chefredaktion gefeuert hat. Und nun juristische Schritte gegen Vorvorgänger Julian Reichelt ankündigt. Der hatte sich Ende 21 bereits in der Zeit eine Menge kritischer Fragen erspart; Interviewerin und Interviewter hatten zuvor gemeinsame Stationen bei Bild. Die gleiche alte Bekannte liefert nun die Döpfner-Zitate aus dem exklusiven Inner Circle von Bild. Das kann man so lesen: Springer arbeitet an einer Alleintätererzählung über Reichelt; Reichelt hingegen kann einige mit ins Verderben reißen. Wobei der rhetorische Hooligan Reichelt inzwischen weniger zu verlieren hat als der verunglückte Popstar Döpfner. Durchstechereien von privaten Nachrichten bleiben unanständig, bei Ex-Bundespräsident Christian Wulff fanden viele Medien das allerdings okay: „Überragendes öffentliches Interesse“. Das besteht an meinen SMS nicht.
Ein Video zeigt, wie der Dalai Lama einen Jungen auffordert, an seiner Zunge zu lutschen. Nun hat er sich entschuldigt – die Aktion dabei aber mit keinem Wort erwähnt. Sind Non-apologies das neue „Never complain, never explain“?
Im tibetischen Buddhismus ist für Frauen fünf Stufen vorm Nirwana Schluss, und im Diesseits geht’s da ähnlich zu. Hinterm Juwel in der Lotusblüte, mit dem der Dalai Lama beharrlich verwechselt wird, kompostiert eine Männersekte, gegen die der Vatikan recht liberal daherkommt. Die Ekelsequenz aus Entgleisung und Vergreisung stößt ab, vermag jedoch das unerschütterliche Mantra von der possierlichen Religionsfolklore mal kurz zu stoppen. Zu Recht.
Die Ampel hat ihre Pläne für die Cannabislegalisierung vorgestellt. Demnach soll Gras vorerst nur in nicht gewinnorientierten „Cannabisclubs“ vertrieben werden. Stellen Sie einen Mitgliedsantrag?
Die Blumenampel hat im Koalitionsvertrag den Mund zu voll genommen: die versprochene Freigabe war schon damals mit UN- und EU-Verträgen nicht zu machen. Aber Hauptsache, durchziehen. Die Selbsthilfeclubs können durch Altersbegrenzung und Offenlegungspflichten nicht viel Schaden anrichten. Die Erlaubnis, 25 Gramm zu besitzen und ein paar Pflanzen selbst anzubauen, wird einen neuen Graumarkt befeuern – beim Versuch den Schwarzmarkt abzuschaffen. In Stufe zwei sollen örtliche Modellversuche auch kommerziell funktionieren; das klappt für Alkoholiker beim Oktoberfest ja auch. Wer eh schon kifft, sollte legal an sauberes Zeug kommen; wer’s nicht tut, sollte nicht mittun müssen. Versuch und Irrtum sind hier besser als Verbot und Irrsinn.
Und was machen die Borussen?
Zu wenig.
Fragen: Luise Mosig
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