Spree-Rad- und Wanderweg: Drohende Asphaltkeule

Naturschutz- und Fußverkehr-AktivistInnen wollen den Ausbau eines Spreeuferwegs verhindern – es gibt schon genug Radschnellwege, finden sie.

Noch ist das Spreeufer zwischen Charlottenburg und Spandau ein entschleunigtes Idyll Foto: imago images / Schöning

Aus dem Brief an Regine Günther klang echte Empörung: Es sei doch Aufgabe der Berliner Verkehrspolitik, den vorhandenen Straßenraum für Fuß- und Radverkehr attraktiv umzugestalten, schrieben fünf Vereine und Initiativen im Oktober an die Adresse der Verkehrs- und Umweltsenatorin. Stattdessen würden „öffentliche Gelder für die weitere Zerstörung naturnaher Bereiche“ ausgegeben. Einer „grünen Oase“ mitten in Berlin drohe das Aus, so die VertreterInnen der NaturFreunde Deutschlands, von FUSS e. V., dem Nabu, den Grünen Radlern und dem Netzwerk Grünzüge für Berlin.

Worum geht es? Ein weitgehend unbefestigter Weg, der vom Schlosspark Charlottenburg kilometerweit an der Spree nach Westen führt, soll bis Spandau verlängert werden und eine circa 4 Meter breite Asphaltdecke erhalten. Der Ausbau des „Spree-Rad- und Wanderwegs (West)“, wie das Projekt offiziell heißt, wird von der infraVelo, der landeseigenen Gesellschaft für Radverkehrs-Infrastruktur, gesteuert. Teilabschnitte sind schon an ein Planungsbüro vergeben, in diesem Frühjahr könnten erste Arbeiten beginnen.

Für die Unterzeichnenden des Briefs vom Oktober ein Unding: Aktuell habe man auf der bestehenden Strecke „weiche Wege“ mit Belägen aus Sand, Schotter und Gras. SpaziergängerInnen und JoggerInnen, aber auch achtsame RadfahrerInnen könnten zwischen Sanddorn-, Brombeer- und Hagebuttenhecken die Natur am Spreeufer genießen, es handele sich um „eine der letzten naturnahen Biotopverbindungen der westlichen Innenstadt“. Jetzt solle das alles versiegelt werden, viele Pflanzen, aber auch einige Kleingärten müssten weichen, damit schnell Rad gefahren werden könne.

Drei parallele Schnellwege

Und das sei, wie Antje Henning von „Grünzüge für Berlin“ gegenüber der taz betont, völlig überflüssig: „Parallel zu dieser Strecke sind gleich drei Radschnellwege in Planung.“ Tatsächlich beinhaltet das Schnellwege-Konzept von Verkehrsverwaltung und infraVelo zwischen Charlottenburg und Spandau Verbindungen entlang der Heerstraße und des Spandauer Damms – beide südlich der Spree – sowie eine nördlich davon entlang der Nonnendammallee. Die vom Mobilitätsgesetz vorgeschriebenen und bereits grob identifizierten Radschnelltrassen sind allerdings jüngsten Datums, die Planungen zum Spree-Radweg dagegen gibt es seit über einem Jahrzehnt, sie lagen nur aus unterschiedlichen Gründen auf Eis.

Das ist er, der „Spree-Rad- und Wanderweg (West)“ Foto: infotext

„Der Plan, den Weg bis Spandau zu vervollständigen und dafür auch eine neue Brücke zu bauen, ist grundsätzlich eine tolle Idee“, sagt Henning, „nur an die Naturliebhaber wird nicht gedacht.“ Als „Asphaltkeule“ empfindet sie die geplante vier Meter breite Wegdecke. Erfahrungsgemäß nähmen RadfahrerInnen dann auch nicht mehr viel Rücksicht, sondern wollten so schnell wie möglich vorankommen. In Zeiten wachsender Flächenkonkurrenz findet Henning es komplett falsch, „an die Fußgängerwege ranzugehen statt an Autostraßen. Das ist der Weg des geringsten Widerstands, das ist feige.“

Der Brief an Günther war keine öffentliche Aktion – und er blieb bis Donnerstag, also drei Monate lang, unbeantwortet. Daraufhin verschickte Hennings Initiative zusammen mit den NaturFreunden und dem Nabu Berlin eine Presseerklärung, in der sie ihre Vorwürfe erneuerten und Günthers Schweigen als „nicht akzeptabel und auch unhöflich“ bezeichneten: „Wir erwarten von der Senatsbehörde, dass sie auf Anfragen und Forderungen der Zivilgesellschaft in angemessenen Zeiträumen reagiert.“

„Verringerung von Nutzungskonflikten“

Auf taz-Anfrage versuchte die Senatsverwaltung umgehend die Gemüter zu beruhigen: Da es sich beim Spree-Rad- und Wanderweg um keine Radschnellverbindung handele, hätten zu Fuß Gehende dort auch weiterhin Vorrang. Die Verbreiterung des Weges diene auch „der Verringerung von Nutzungskonflikten von Rad- und Fußverkehr“. Und wo Eingriffe in die Natur unvermeidbar seien, würden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgenommen. Die Organisationen hätten bereits eine Gesprächseinladung erhalten, auch würden sie von Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese ein Schreiben bekommen – was tatsächlich noch am selben Tag einging.

Allein: Wirklich neu war die Einladung zum Gespräch für die KritikerInnen nicht. Am 12. Februar soll das Treffen stattfinden, bei dem über den Stand der Planung gesprochen wird. Ausgerichtet wird es von der infraVelo. Antje Henning und ihren MitstreiterInnen reicht das nicht: „Die infraVelo ist ja an ihren Auftrag gebunden“, sagt sie. „Aber wir wollen an den Auftrag ran!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.