Sprechen über Krieg und Frieden: „Wenn alle zusammenstehen“
Wie soll man Kindern den Krieg erklären? Unserer Autorin fällt nur ihre Definition von Frieden ein. Trotzdem versucht sie, die richtigen Worte zu finden.
I ch weiß noch immer nicht, wie man Kindern erklärt, was Krieg ist. Und ich habe für mich selbst noch nicht abschließend geklärt, wie man richtig mit ihnen darüber spricht. Ich verhalte mich intuitiv und sage mir immer wieder: „Jeder Krieg endet irgendwann. Wichtig ist vor allem, Mensch zu bleiben.“
Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.
In den ersten Tagen der Bombardierungen herrschte Panik. Ich erklärte den Erwachsenen in meiner Umgebung streng, dass wir nicht laut weinen, nicht aus Angst vor den Schüssen schreien und nicht in Ohnmacht fallen sollten. Denn Kinder beobachten unser Verhalten und lernen daraus.
Bei jedem Sirenengeheul gingen wir alle gemeinsam gehorsam in den Keller. Alles, was wir taten, kommentierte ich:„Jetzt gehen wir in den Keller, weil es dort weniger gefährlich ist.“ – „Wir müssen vorbereitet sein, wissen, wo unsere Kleidung liegt, uns schnell anziehen und auch mitten in der Nacht aufstehen, weil wir gerade in einer besonderen Lebenssituation sind.“
Kinder sehen den Krieg live in Tiktok-Videos
ist Chefredakteurin des ukrainischen Nachrichtendienstes USI.online. Sie ist Mutter von zwei Kinder (9 und 12).
Unabhängig vom Verhalten der Erwachsenen hatten die Kinder aber doch große Angst. Sie schauten ja Tiktok-Videos. Und mehr noch als das Video vom Beschuss friedlicher Städte schmerzten dabei die widerwärtigen Witze der Russen, die in dem Video zu hören waren. Die Kinder sahen die Boshaftigkeit und den Spott von Menschen, deren Chef unserer Heimat den Krieg erklärt hatte. Kurz darauf musste ich meinen Söhnen erklären, was Verrat bedeutet.
Am Morgen des 1. März umarmte ich meine Jungs und sagte: „Meine Lieblinge, der Frühling ist da!“ Sie warfen sich sofort in verschiedene Ecken ihrer Betten und schrien: „Sind sie schon da? Bombardieren sie uns?“… Es tut weh, so etwas zu hören.
Ich habe wunderbare Söhne. Sie lieben Tiere, und jedes Mal, wenn wir zum Schutz in den Keller gingen, schleppten sie alle Katzen der Nachbarschaft mit und riefen nach den Hunden. Ich versuche die ganze Zeit, ihnen die Panik zu nehmen. Ich erkläre, dass es normal ist, in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Gefühle zu haben.
Eine große Hilfe für meine Kinder war, dass ihre Lieblingsfußballer mit der ukrainischen Flagge aufs Spielfeld gekommen sind. Ich zeigte ihnen die Erklärung der UEFA. Ich zeigte ihnen, wie auch Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City die Ukraine und meine kleinen Ukrainer unterstützen …
Ich erzählte ihnen, dass ihr Lieblingsspieler İlkay Gündoğan auf ihrer Seite ist, ich zeigte ihnen die Tränen von Sintschenko, Mykolenko und anderen. Dann weinten wir gemeinsam. Ich zeigte ihnen Bilder der großen Demonstrationen mit Tausenden von Menschen in verschiedenen Ländern, darunter Deutschland. Das sollt ihr wissen! Wir sehen das! Und es hilft uns sehr.
Ich weiß immer noch nicht, wie man mit seinem Kindern über den Krieg spricht, aber ich weiß genau, wie man ihnen erklärt, was Frieden ist. Frieden ist, wenn alle zusammenstehen!
Aus dem Russischen von Gaby Coldewey.
Finanziert wird das Projekt durch die taz Panter Stiftung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!