Sportlerinnen in den Medien: Turnen statt Boxen
Frauen, die Spitzensport machen, sind in den Medien unterrepräsentiert. Wenn sie zu sehen sind, dann eher passiv und in kontaktarmen Disziplinen.
Es kommt nicht allzu oft vor, dass Sportverbände als Vorkämpfer für Gleichberechtigung in Erscheinung treten. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele aber setzte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zur Medienkritik an. In der viel beachteten Kampagne #ShowUsEqual fordert er eine „ausgewogene und gleichwertige Sportberichterstattung – ohne stereotype und diskriminierende Darstellungen von Sportlerinnen in Wort und Bild“.
Ganze 10 Prozent der sportmedialen Aufmerksamkeit, so der DOSB, gehen außerhalb von Großereignissen wie Olympia an sporttreibende Frauen. Nur 4 Prozent der Mädchen zwischen 6 und 13 Jahren hätten ein Vorbild im Sport, im Gegensatz zu 42 Prozent der Jungs im selben Alter. Für die Sportlerinnen seien mit der medialen Unsichtbarkeit deutlich geringere Einnahmen verbunden.
Es ist ein Thema mit mindestens zwei Ebenen. Viele Studien kommen zu dem Schluss, dass Frauen als Protagonistinnen höchstens 15 Prozent der Sportberichterstattung erhalten. Die Sporthochschule Köln stellt eine leichte Verbesserung fest und prognostiziert, dass es bei dem aktuellen Tempo 130 Jahre dauern wird, bis über Männer und Frauen im Sport gleich oft berichtet wird.
Das hat auch mit der Zusammensetzung der Redaktionen zu tun. Der alte Witz, dass im Sport „Männer für Männer über Männer“ berichten, stimmt weiterhin. Der Verband Deutscher Sportjournalisten, der seinen Titel bezeichnenderweise nicht gendert, schätzt den Anteil der Frauen in der Branche auf etwa 10 Prozent. Auf ähnlichem Level pendelte er schon 2004. Und viele von ihnen sind normschöne Moderatorinnen oder Field-Reporterinnen statt Journalistinnen, die etwa Taktik analysieren.
Systematischer Ausschluss
Mindestens genauso problematisch sind die Inhalte. Die Sportsoziologin Bettina Rulofs schreibt, dass es zwar Hinweise auf eine Verbesserung gebe, Männer aber weiterhin viel in stereotyp aggressiven Sportarten wie Boxen, Fußball oder Motorsport gezeigt würden, Frauen dagegen in Sportarten ohne gegnerischen Kontakt wie Schwimmen, Turnen oder Tennis, die auch bestimmte weibliche Körperbilder vermitteln. Männer würden stärker in aktiven Situationen gezeigt, Frauen eher passiv. Immerhin würden sportliche Leistungen mittlerweile laut jüngeren Studien gleich hervorgehoben.
Durch die neue feministische Welle kommt das Thema sehr allmählich in den Sportmedien an, der Sexismus ist weniger krass als früher. Und dennoch: In einer aktuellen SWR-Umfrage beklagten 26 Prozent der befragten Spitzensportlerinnen, sie würden von den Medien weniger ernst genommen, 14 Prozent nannten sexistische Berichterstattung – und ein Drittel berichtete, für die eigene Karriere spiele das Aussehen eine wichtige Rolle.
Und es gibt eine zweite Ebene, denn dass gerade der DOSB sich zum feministischen Vorreiter aufschwingt, ist auch ein wenig wohlfeil. Es gibt Gründe, warum die Darstellung der Sportlerinnen so ist. Die aktuellen Olympischen Spiele sind die ersten geschlechterparitätischen Spiele überhaupt. Was die Verbände gerade feiern, ist ein Armutszeugnis. Seit Sportverbände den Ton angeben, also etwa seit Ende des 19. Jahrhunderts, wurden Frauen systematisch ausgeschlossen.
Über Jahrzehnte, teils ein Jahrhundert, verweigerte man ihnen bei Olympia schlicht die Teilnahme. Die Sportarten, die Frauen gerne betreiben durften, waren vor allem kontaktarme Sportarten der Oberschicht wie Tennis und Schwimmen – die immer noch vorwiegend bei Frauenwettkämpfen in den Medien gezeigt werden. Boxen wurde für Frauen in Deutschland etwa erst in den Neunzigern legalisiert. Und erst 2012 wurde es olympisch. Durch die so entstandene Machokultur klicken sich Texte über Frauensport kaum, was wiederum Medien nicht dazu motiviert, sie zu schreiben.
Vorschriften für knappe Höschen
Auch wenn es mittlerweile kaum mehr direkte Verbote gibt, nutzen die Verbände ihre Macht über Sportplätze und Veranstaltungsdaten, Vorschriften für knappe Höschen oder Testosteronwerte, um zu bestimmen, welche Frauen wie Sport treiben dürfen. Bei der Siegerehrung gebührt den Männern der krönende Abschluss. Unabhängige Frauenverbände wurden stets nach Kräften verhindert.
Der DOSB ist tendenziell bemühter als andere; er hat etwa ein paritätisch besetztes Präsidium und seit 2014 eine 30-Prozent-Quote für seine Gremien. In seinen Mitgliedsorganisationen sieht das jedoch ganz anders aus. Und in der SWR-Umfrage berichteten 77 Prozent der Spitzensportlerinnen, sie würden überwiegend von Männern trainiert. Sportverbände und Sportmedien funktionieren ähnlicher, als es beide gerne hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken