Spionage-Serie „Spy/Master“: Ein liebender Agent
Jeder hintergeht jeden, alle verfolgen ihre eigene Agenda und Vertrauen ist tödlich. Klingt nach Klischee, aber „Spy/Master“ wiegt das geschickt auf.
Geheimagent*innen so weit das Auge reicht – der Boom von Spionagegeschichten, die über unsere Bildschirme flimmern, reißt nicht ab und folgt dabei dem immer gleichen Muster. Denn viele Produktionen aus diesem Bereich, die im laufenden Jahr zu sehen waren, setzten auf modernen, mitunter auch futuristischen Hightech-Schnickschnack und viel Action, von „The Night Agent“ und „Citadel“ bis „Special Ops: Lioness“ oder „Rabbit Hole“.
Doch dann gibt es zum Glück auch noch die anderen Serien, jene, die mittels des Genres auch – mal mehr und mal weniger historisch korrekt – von der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen wissen. Der Trend, losgetreten schon vor einigen Jahren durch „The Americans“ und „Deutschland 83“, ist noch nicht vollkommen abgeebbt. Das beweist „Spy/Master“.
„Spy/Master“, ab 16.11., WarnerTV
Die von Adina Sădeanu und Kirsten Peters erdachte Serie spielt im Jahr 1978 und etabliert von Beginn an ihren an die Herkunft der Autorinnen angelehnten Spagat zwischen Rumänien und Deutschland. Victor Godeanu (Alec Secăreanu) ist beim Geheimdienst in Bukarest die rechte Hand von Präsident Nicolae Ceaușescu und regelmäßig in Bonn damit beschäftigt, über den Freikauf von Rumäniendeutschen durch die BRD zu verhandeln.
Ein treuer Staatsdiener aber ist Godeanu nicht: Nicht nur betreibt er nebenbei ziemlich unverfroren florierenden Handel mit Schmuggelware, sondern ist auch noch als Spitzel für den KGB im Einsatz. Und seit Neustem steht er obendrein im regen Austausch mit dem in der deutschen Hauptstadt stationierten US-Agenten Frank Jackson (Parker Sawyers), in der festen Absicht, zu den Amerikanern überzulaufen.
Seinen Plänen steht aber vieles im Weg. Spionagekollegin Carmen (Ana Ularu) wurde auf ihn angesetzt, denn Zuhause ist man Godeanus Treiben längst auf der Spur. Und dort leben auch noch seine jugendliche Tochter Ileana (Alexandra Bob) und Noch-Ehefrau Adela (Andreea Vasile). In Bonn flammt derweil Godeanus frühere Affäre mit der westdeutschen Ministeriumsmitarbeiterin Ingrid (Svenja Jung) wieder auf, die inzwischen für die Stasi im Einsatz ist. Beim KGB wird man ebenfalls hellhörig, und überhaupt ist der Deal mit den Amerikanern längst keine abgemachte Sache, denn Jackson spielt selbst nicht unbedingt immer mit offenen Karten.
Diktator als Serienfigur
Jeder hintergeht jeden, alle verfolgen ihre eigene Agenda und Vertrauen kann tödlich sein. Das klingt nach allzu oft gesehenen Klischees. Doch Sădeanu und Peters gelingt es, daraus eine dichte, in sich größtenteils stimmige und über weite Strecken spannende Story zu stricken, die natürlich auch davon profitiert, dass man Rumänien als Player in diesem sonst vor allem von CIA, MI6 und KGB dominierten Genre bislang kaum kennt.
Ob es dafür wirklich nötig war, mit Ceaușescu und seiner keinen Deut weniger kaltblütigen Ehefrau Elena reale Personen, zumal einen Diktator, als Serienfiguren auftreten zu lassen, bleibt aber fraglich. Eine glaubhafte Einbettung in den historischen Kontext rund um die Camp-David-Verhandlung um Frieden im Nahen Osten wäre jedenfalls auch ohne sie möglich gewesen.
Regisseur Christopher Smith inszeniert den Kalten Krieg hier nicht over the top wie Ian Fleming mit seinem James Bond. Stattdessen hält er sich viel mehr an den realistischen Stil von John Le Carré („Der Spion, der aus der Kälte kam“). Inklusive Observationen, abgehörten Telefonaten und heimlichen Treffen. In der ersten Hälfte von „Spy/Master“ gerät das packend und perfekt getimed. Aber dann gerät die Serie ein wenig ins Trudeln. Ein halbherzig entwickelter Subplot um Ingrids ägyptische Hausangestellte (Amira El Sayed), die allzu frühe vermeintliche Sicherheit für Godeanu in der US-Botschaft: Das stört die Spannung.
Gleichwohl wiegt Hauptdarsteller Alec Secăreanu das spielend wieder auf. Der aus Bukarest stammende Schauspieler wurde international mit seiner Rolle in der fantastischen schwulen Liebesgeschichte „God’s Own Country“ von Francis Lee bekannt und war seither als Gangster in Serien wie „Baptiste“ oder „Happy Valley“ zu sehen. Hier nun ist er liebender Vater und gleichermaßen skrupelloser Taktiker, ein unzuverlässiger Erzähler des eigenen Narrativs. Als dieser schwer durchschaubare Antiheld entfaltet er endlich wieder die ganze mehrsprachige Bandbreite seines Könnens und Charismas.
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