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Spielstile beim GolfSchildkröten und schnelle Bullen

Sehr unterschiedliche Menschen spielen sehr unterschiedlich Golf. Nirgends zeigt sich das Wesen eines Menschen so spiegelscharf.

Beim Golfen bleiben keine Macken und Eigenheiten verborgen Foto: imago

W ie immer im Leben gibt es auch beim Golf solche und solche. Bei manchen SpielerInnen fragt man sich, ob sie ihr Tun wohl Sport nennen würden. Ohne jede Dynamik schlendern sie zum Abschlag, statt tatendurstig loszugehen, um dann die Bälle gemächlich vor sich her zu schubsen. Manche spielen sogar mit offener, wehender Jacke. Und stören sich nicht daran – ist ja nur ein Spaziergang mit Stöcken und Kugeln.

Andere sind mit Energie, Lust und Laune unterwegs, voller Ehrgeiz bis hin zur Verbissenheit. Manche nehmen Fehler stoisch, andere fluchen laut. Es heißt, nirgends zeige sich der Charakter eines Menschen so spiegelscharf, wie nach einem missglückten Golfhieb. PsychologInnen können ihre Couchen einmotten: Lasst die Seelen­klien­ten einfach einen Ball fehlschlagen.

Andere, wie unser Mitspieler N., erzählen unterwegs ständig ihre jüngsten Erlebnisse („Samstag lag mein Ball hier“), machen eine Wissenschaft aus dem schönen Spiel und demonstrieren das auch gern: Sie berichten von neu entdeckten Youtube-Filmchen, wer da welche Tipps gegeben hat: „Das hat mir echt geholfen. Guck mal, so …“ Andere korrigieren Stand, Ausrichtung und Schwungebene ihrer Mitspieler, freundlich gemeint, aber nah an der Grenze zu nerviger Besserwisserei.

Und es gibt die ehrgeizigen Tatmenschen wie H., der sich gern die neuesten Schläger kauft. Sein Motto: „Ihr seid alle 5 oder 10 Jahre jünger als ich, das muss ich mit Technik ausgleichen.“ Der neueste Driver der Firma Callaway, seiner Marke, kostet 900 Euro. 900, ein Schläger! „Great Big Bertha“ heißt die Wunderwaffe, ist weitteilig aus Karbon, hat eine „Jailbreak-Technologie“, den „UST Helium Nanocore Schaft“, einen verstellbaren Schlägerkopf sowieso und Spin-Optimierung dank besonderer KI. Aber 900 ist unserem Senior dann doch zu viel. Bislang. Mal sehen, was er mit 80 macht. Vielleicht kostet die neueste Gerätschaft dann 1.900 und schlägt von selbst.

Nicht schleichen, Himmel!

Und da sind die Schildkröten. Jede Gruppe GolferInnen hält die Gruppe vor sich dafür, 150 oder 200 Meter entfernt. „Mein Gott, das dauert … was machen die denn da? Tauschen sich noch Backrezepte aus oder Bundesliga-Analysen …? Das kann man auch im Gehen… Ja, ge-hen! Nicht schleichen, Himmel, die Zeitlupe ist doch schon erfunden…“

Mitspieler P. ist selbst eine Schildkröte. Er braucht („Ach, bin ich dran?“) bis knapp vor ewig, bevor er am Ball steht, es folgt: Sortieren der Gliedmaßen, ein, zwei Probeschwün­ge, neue Konzentra­tions­sekun­den­phasen, Ruckeln der Füße um Millimeter. Bis er den Ball geschlagen hat, dauert es immer 44,9 Sekunden. 45 sind die Obergrenze, laut Regel. Im Turnier würde er im Wiederholungsfall erst ermahnt, dann verwarnt, schließlich gäbe es einen Strafschlag. Auch bei Profis alles schon vorgekommen.

Das Gegenteil ist J.: Der geht zum Ball, stellt sich hin und knallt das Ding weg. Ruckzuck: kaum mehr als 0,9 Sekunden. Probeschwung? „Ich spiele seit 30 Jahren, wenn ich jetzt immer noch nicht vernünftig schwingen kann, dann würde was nicht stimmen.“ Der Mann war Polizist, da hatte er im Einsatzfall auch keinen Übungsschuss.

Schildkröten gibt es auch bei den Profis, vorneweg der US-Amerikaner Patrick Cantlay, derzeit Weltrangliste Platz 4. Seine Schlagroutine ist legendär langsam, vor allem beim Putten. Da geht er hinter dem Ball in die Hocke, äugt mit Adlerblick, berät sich gestikulierend mit seinem Caddie, stellt sich breitbeinig neben die gedachte Puttlinie, damit ihm seine Fußsohlensensoren letzte Informationen liefern, ob sich die vermutete Minimalneigung des Grüns auch so anfühlt. Anschließend versucht er, von hinter der Fahne alles noch mal zu adlerblicken. Da gab es schon genervte Buhrufe von den Tribünen. Dann schiebt er den Putt vorbei.

Manchmal trifft er auch. Neulich schoss Cantlay sogar ein Hole in One, 160 Meter und drin. Geht doch mit dem schneller Spielen, twitterte er danach in gemütlicher Selbstironie.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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