piwik no script img

Sperren von Gewalt-Videos auf YoutubeAuf den Kontext kommt es an

Youtube löscht gewaltverherrlichende Videos – wenn Nutzer sie melden. Eine automatische Prüfung wie beim Urheberrecht gibt es nicht.

Wichtiger zeitgeschichtlicher Kontext oder Symbolbild? Dann darf Gewalt gezeigt werden. Screenshot: kallejipp / photocase.de

BERLIN taz | Youtube wird als Videoplattform mit hoher Reichweite auch von Beteiligten des IS genutzt, die dort etwa Videos von Hinrichtungen hochladen. Eine Vorabfilterung auf derartige Inhalte – wie etwa Youtube-Mutter Google E-Mails auf mutmaßlich kinderpornografische Bilder durchsucht – gibt es laut Sprecherin Mounira Latrache bei dem Videoportal nicht. Nicht nur, weil man dadurch die freie Meinungsäußerung in Gefahr sehe, sondern auch aus Gründen der Praktikabilität: 300 Stunden Videomaterial würden im Schnitt pro Minute hochgeladen.

Das Unternehmen verlässt sich darauf, dass Nutzer etwa gewaltverherrlichende oder rassistische Videos melden. Gebe es einen Hinweis, werde der von einem rund um die Uhr arbeitenden Team überprüft – und das Video gegebenenfalls gesperrt. „Zudem entfernen wir jeden Account, der von Mitgliedern bekannter terroristischer Organisationen betrieben wird oder in einer offiziellen Funktion zur Verfolgung ihrer Interessen genutzt wird“, sagt Latrache.

Auch gegen den Streisand-Effekt, der mitunter dazu führt, dass ein Inhalt nach dessen Löschung massenhaft verbreitet wird, verwendet Youtube laut Latrache keine technischen Maßnahmen. Werde ein Video gesperrt und wieder hochgeladen, müsse erneut ein Nutzer den Inhalt als problematisch melden.

An anderer Stelle arbeitet das Portal allerdings schon mit einer automatisierten Prüfung – und zwar beim Urheberrecht. Mit dem System „Content ID“ werden hochgeladene Videos geprüft und mit einer Datenbank abgeglichen. In der sind Dateien gespeichert, die Rechteinhaber an das Unternehmen übermittelt haben.

Auch von Videos, die einmal bereits wegen Urheberrechtsverstößen gesperrt werden, wird laut dem Unternehmen ein sogenannter Hash – eine kryptographische Prüfsumme – angelegt, um ein erneutes Hochladen direkt erkennen zu können. Nutzer berichten, dass diese Überprüfung sehr effektiv funktioniere und sich auch durch eingefügte Pausen oder Pieptöne nicht täuschen lasse.

Warum es beim Urheberrecht automatische Prüfungen gibt, bei Gewalt aber nicht, erklärt Latrache so: „Wir schauen uns ganz genau an: Was ist denn der Kontext?“ So könne ein Video, das Gewalt zeige, als gewaltverherrlichend gesperrt werden, ein anderes sei jedoch in einem zeitgeschichtlichen Kontext bedeutsam und bleibe stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare