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Sperre gegen NFL-Profi wegen WettenZweierlei Maß

Football-Profi Calvin Ridley wird wegen Wetten auf NFL-Spiele ein Jahr gesperrt. Dies wird mit der Integrität der Liga begründet – was ziemlich bigott ist.

Im Einsatz für die Atlanta Falcons: Calvin Ridley muss nun ein Jahr darauf verzichten Foto: imago

D ie Sachlage ist klar: Die NFL hat Calvin Ridley gesperrt. Mindestens ein Jahr lang darf der bei den Atlanta Falcons unter Vertrag stehende Football-Profi nicht mehr auflaufen, weil er im vergangenen Herbst auf NFL-Spiele gewettet hat.

Ganze fünf Tage, so haben die Ermittlungen der NFL ergeben, dauerte die Glücksspielkarriere des Calvin Ridley. 1.500 Dollar setzte der 27-jährige Wide Receiver über ein Online-Wettportal auf einzelne Spiele. Zu dem Zeitpunkt spielte er nicht, war nicht einmal im Training, sondern wegen „mentaler Probleme“ in Behandlung und verpasste den Großteil der vergangenen Spielzeit.

Er setzte zwar auch auf sein eigenes Team, aber immer nur auf Sieg. Und, auch das ergaben die Nachforschungen, Ridley konnte bei seinen – im Vergleich zu seinem Jahresgehalt – eher marginalen Wetteinsetzen auch nicht auf Insider-Informationen bauen, weil er gar keinen Kontakt zum Rest der Mannschaft oder Trainern und Betreuern hatte. Er habe, so twitterte Ridley am Montag, zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Football im Fernsehen sehen können und stellte klar: „Ich bin nicht spielsüchtig.“

Aber diese mildernden Umstände ließ die NFL ebenso wenig gelten wie die Tatsache, dass Ridley bei der Aufklärung kooperierte: „Nichts ist so fundamental für den Erfolg der NFL wie die Integrität des Wettbewerbs“, schrieb NFL-Boss Roger Goodell in einem Brief an Ridley, „dein Verhalten war ein Risiko für diese Integrität, eine Gefahr für das öffentliche Vertrauen in den Profi-Football und hätte das Ansehen deiner Profikollegen beschädigen können.“

Profiteur vom Wettgeschäft

Vor allem bitter für Ridley: Dass er mindestens 11,1 Millionen Dollar verliert, sein Gehalt für die kommende Spielzeit. „Ich weiß, ich habe etwas Falsches getan, aber dafür ein ganzes Jahr Sperre?“, fragte Ridley über Twitter und kommentierte mit: „lol“.

Tatsächlich darf man sich wieder fragen, ob die NFL nicht wahnsinnig bigott ist. Schließlich ist es ja nicht so, dass die Liga sich irgendwann damit hervorgetan habe, auf die Gefahren des Glücksspiels hinzuweisen oder gar Aufklärungskampagnen zu finanzieren. Im Gegenteil: Der umsatzstärkste Sportunterhaltungsbetrieb der Welt profitiert extrem – wie übrigens auch die europäischen Fußball-Ligen – vom Aufstieg des Online-Wettgeschäfts und kooperiert mit den Anbietern.

Auch dass die Liga mit den Las Vegas Raiders eine Franchise in der Glücksspielmetropole in Nevada platziert hat, gehört zur Strategie, die massiven und immer weiter ansteigenden Wettumsätze anzuzapfen. So hat Ridley in seiner Freizeit nur das getan, was sich die NFL von jedem Sportfan erhofft: auf eines ihrer Spiele ein paar Dollar setzen, von denen dann ein erklecklicher Anteil wieder in den Kassen der eh schon schwerreichen Teambesitzer landet.

Man darf sich auch wundern, ob die „Integrität“ des Sports, um die sich NFL-Chef Goodell angeblich so sehr sorgt, nicht viel mehr beschädigt wird von einem Stephen M. Ross, der als Eigentümer der Miami Dolphins dem Vernehmen nach seinem Cheftrainer 100.000 Dollar Prämie für Niederlagen geboten haben soll. Oder von Washington-Commanders-Besitzer Daniel Snyder, der sich nicht nur bis vor Kurzem dagegen sperrte, den alten, rassistischen Namen seines Teams (Redskins) aufzugeben, sondern auch von ehemaligen Beschäftigten der sexuellen Belästigung beschuldigt wird. Oder von Robert Kraft, dem Eigentümer der New England Patriots, gegen den nach Bordellbesuchen wegen der Förderung der Prostitution und des Menschenhandels ermittelt wurde. Bislang wurde keiner der Multimilliardäre von der NFL gesperrt.

Denn die NFL ist eine Welt, in der mit zweierlei Maß gemessen wird. Was für die zum Großteil Schwarzen Spieler gilt, gilt noch lange nicht für die nahezu ausnahmslos weißen Teambesitzer – und an Calvin Ridley wird gerade ein Exempel statuiert.

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3 Kommentare

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  • Für mich ist die Sachlage leider nicht ganz so klar.



    Wurde Calvin Ridley nun gesperrt, weil es NFL-Spielern verboten ist, auf NFL-Spiele zu wetten, oder weil Sportwetten dem Sport schaden? Worin besteht das Risiko für diese Integrität des Wettbewerbs, worin die Gefahr für das öffentliche Vertrauen in den Profi-Football und das Ansehen der Profikollegen?

  • Nun ja... Der Autor vermischt hier mehrere für sich genommen durchaus gute Argumente, jedoch leider in der falschen Diskussion. Selbstverständlich geht es der NFL nicht um Glücksspielprävention, hätte Ridley auf Spiele der NBA oder NHL gewettet, er hätte all seine Millionen einsetzen können, ganz ohne Sanktion seitens der NFL. Beim Wettverbot - welches selbstverständlich auch in anderen Ligen, z.B. der Bundesliga besteht, - geht es einzig und allein darum, mögliche Spielmanipulationen seitens der Spieler für eigenen finanziellen Gewinn bereits im Ansatz zu verbieten und unmöglich zu machen (war da nicht auch in Deutschland was? Hoyzer & Co.?). Von daher war es ein selten dummes Verhalten von Ridley, diese in seinem Vertrag festgelegte Pflicht zu verletzen. Weitere, zweifellos vorhandene, vom Autor jedoch ein wenig zu genüsslich und geradezu platt vorgebrachten Verfehlungen seitens anderer Akteure haben bei der Beurteilung nichts zu suchen.

    Dennoch finde ich das Ergebnis bzw. die Sperre viel zu hart. Ridley war faktisch nicht in der Lage, ein Spiel zu manipulieren und die Summe viel zu gering, um auch nur einen derartigen Verdacht zu erwecken. Die ratio legis (Sinn des Gesetzes/der Regel) war mit seinem Handeln demnach nicht erfüllt, weshalb der Bruch dieser Regel nicht einer solchen Sanktion bedurft hätte. Eine kleine Geldstrafe und vielleicht eine Sperre von einem Spiel hätten hier ausgereicht und ich hoffe, dass sich die Verantwortlichen noch besinnen und zu einem gerechteren Ergebnis kommen.

    • @Cerberus:

      @Cerberus: Sie sprechen mir aus der Seele. Der Kommentar vermischt einfach Äpfel mit Birnen und betreibt whatsboutism (was ja von der taz negativ bewertet wird). Aus meiner Sicht gibt es einfach wenig Spielraum, da Manipulationen häufig damit anfangen. Und manchmal muss man Dinge auch einfach mal benennen: Man wettet nicht innerhalb des eigenen Wettbewerbs und es war eine ganz dumme Idee!