Spatenstich für U-Bahnverlängerung: BVG in Partystimmung
Mit großem Tamtam zelebrieren BVG und Senat den Bau einer U-Bahn-Abstellfläche. Doch die Finanzierung der U3-Verlängerung steht in den Sternen.

Nur folgerichtig lässt sich die BVG das Feiern nicht verbieten und lädt an diesem Montag nach Zehlendorf zum großen Spatenstich für die Verlängerung der U-Bahn-Linie 3 über die Endstation Krumme Lanke hinaus, gut 800 Meter weiter zum S-Bahnhof Mexikoplatz. Neben Verkehrssenatorin Bonde sollen Senatschef Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) zum Spaten greifen. Für schöne Bilder dürfte also gesorgt sein.
BVG und Senat veranschlagen für das Projekt bislang 104 Millionen Euro und fünf Jahre Bauzeit. „Ein echtes Turboprojekt“, heißt es von den Verkehrsbetrieben. Kleiner Schönheitsfehler: Selbst die BVG geht nur von einer überschaubaren Zahl von 12.000 Fahrgästen aus, die täglich auf der U-Bahn-Strecke zwischen Krumme Lanke und Mexikoplatz unterwegs sein könnten.
Der Umwelt- und Naturschutzverband BUND sieht dann auch nicht den geringsten Grund, in Partystimmung zu verfallen. Im Gegenteil. „Bei einer Priorisierung auf Faktenbasis würde eine mäßig ausgelastete U-Bahn-Neubaustrecke wie die U3 zum Mexikoplatz weit hinten auf der Prioritätenliste landen“, sagt BUND-Geschäftsführerin Gabi Jung. Schließlich ließen sich für die Baukosten von einem Kilometer U-Bahn in wesentlich kürzerer Zeit 10 bis 20 Kilometer Tram oder 200 Kilometer neue Radwege anlegen. Dass die Finanzierung für solche Projekte gleichzeitig radikal zusammengestrichen werden, lässt für Jung nur einen Schluss zu: Das U-Bahn-Fieber des Senats sei „ideologisch motiviert“.
Eigentlich eine Mogelpackung
Zur Wahrheit gehört, dass der für Montagnachmittag angekündigte „Startschuss“ für die U3-Verlängerung eigentlich eine Mogelpackung ist. Denn gefeiert wird lediglich der Beginn von Sanierungsarbeiten. Konkret: der Abriss eines maroden, vor fast 100 Jahren errichteten Tunnelstumpfs hinter der Station Krumme Lanke für eine neue U-Bahn-Abstellanlage. Der kann später im Fall einer U3-Verlängerung zwar als Teil des künftigen U-Bahn-Tunnels genutzt werden. Dass das mit der Neubaustrecke vorerst nur indirekt zu tun hat, räumt aber auch die BVG freimütig ein. „Wir setzen mit der Kehr- und Abstellanlage betriebsstabilisierende Maßnahmen um, die unabhängig von der Verlängerung stehen“, teilt ein Sprecher auf Nachfrage mit.
„Das als ‚Startschuss‘ zu verkaufen, ist doch komplette Verarsche“, sagt Antje Kapek, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Es handele sich bei dem Spatenstich um einen PR-Termin ohne Relevanz für die U3-Verlängerung. „Dann kann ich mich auch mit einem Spaten auf den Ku’damm stellen und erklären: Der ist jetzt autofrei“, sagt Kapek zu taz.
Antje Kapek, Grüne
Tatsächlich soll mit den Arbeiten für die Trasse zum Mexikoplatz und eine anschließende, noch größere Wende- und Abstellanlage erst 2026 begonnen werden. So jedenfalls der Plan von BVG und Senat. Bisher gibt es nicht mal Baurecht. Der für den Bau benötigte Planfeststellungsbeschluss ist zwar für diesen Sommer angekündigt. Ob der bis dahin kommt und vor allem im kommenden Jahr der Spaten zu einem „richtigen“ Baustart geschwungen werden kann, steht allerdings in den Sternen.
Viele Jahre „Horror-Baustelle“?
Da ist zum einen die Menge an Einwendungen gegen das Planfeststellungsverfahren. Nicht zuletzt die vor Ort aktive Bürgerinitiative „Rettet den Mexikoplatz“ hatte im vergangenen Jahr dazu aufgerufen, fleißig Beschwerden zu schreiben. Insgesamt sind so rund 800 Einwendungen zusammengekommen – die erst einmal alle bearbeitet werden müssen.
Selbst Kritiker:innen der schwarz-roten U-Bahn-Vernarrtheit halten freilich einen Großteil der von der Initiative vorgebrachten Argumente für reichlich übertrieben. So warnt „Rettet den Mexikoplatz“ vor vielen Jahren „Horror-Baustelle“. Der „gesamte Berliner Südwesten“ werde deswegen im „Verkehrschaos“ versinken. Da die Arbeiten nicht per unterirdischem Tunnelvortrieb durchgeführt werden sollen, sondern kostensparender in offenen Baugruben, drohe ein „Lärmgigant“, der zu „Gesundheitsschäden für alle Bewohnerinnen und Bewohner des gesamten Ortsteils“ führen werde.
Um die U3-Verlängerung zu Fall zu bringen, hat die Initiative zudem ein eigenes Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Strecke in Auftrag gegeben – und damit einen anderen, möglicherweise wirklich wunden Punkt getroffen: die Finanzierung. Anders als BVG und Senat kommt das Gutachten nämlich zu dem Schluss, dass bei der U3-Verlängerung die Kosten den Nutzen deutlich überschreiten. Realistischerweise müsste nicht von den angeführten 104 Millionen, sondern von „mindestens etwa 300 Millionen Euro realem Investitionsvolumen“ ausgegangen werden.
Das Problem: Damit fiele der sogenannte Kosten-Nutzen-Index deutlich unter den Wert 1 – und es gäbe kein Geld mehr vom Bund. Denn wie bei allen größeren Verkehrsprojekten baut das notorisch klamme Berlin auch bei der U3-Verlängerung auf Bundesmittel, in diesem Fall auf eine 75-prozentige Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Sollte das von der Initiative beauftragte Gutachten Hand und Fuß haben, käme der Tunnelbau zu Zehlendorf nicht einmal in die Nähe der Förderungswürdigkeit. Er müsste dann zur Gänze aus dem Berliner Haushalt gestemmt werden. Dass das Land dazu nicht in der Lage ist, liegt auf der Hand
BVG kommt zu „positivem Ergebnis“
Alles unnötige Panikmache, heißt es dazu von der BVG. Die Gegenseite arbeite mit „unbelegten“ Behauptungen. Und überhaupt: „In dem von der Bürgerinitiative in Auftrag gegebenen Gutachten werden einige Zusammenhänge durcheinandergebracht.“ Dagegen erfüllten die eigenen Berechnungen „alle Anforderungen“. Kurzum: Die BVG hat alles richtig gemacht und „kommt zu einem positiven Ergebnis“.
Grünen-Politikerin Antje Kapek ist das zu dürftig. „Möglicherweise haben Senat und BVG ja vernünftige Antworten auf die in dem Gutachten aufgeworfenen Fragen. Aber die geben sie nicht“, sagt die Verkehrsexpertin. Kapek, die den verkehrlichen Nutzen der U3-Verlängerung als sinnvollem Lückenschluss grundsätzlich gar nicht in Abrede stellen will, schwant daher nichts Gutes: „Die tun so, als sei das alles kein Problem. Wenn sich das Gutachten aber bewahrheitet, wäre das Projekt tot.“ Übrig bliebe eine neue Abstellanlage.
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