Sparpläne für Hamburger Hochschule: Abbau von Studienplätzen befürchtet
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaft soll kräftig sparen. Ver.di warnt deshalb vor einer Ausdünnung der Lehre und dem Wegfall von Studiengängen.
Geht es nach der Erklärung, die Beschäftigte danach im Rathaus Wissenschafts-Staatsrätin Eva Gümbel übergaben, so gilt es die „Zerstörung der HAW“ zu verhindern, die immerhin Hamburgs zweitgrößte ist. Zwar bekommen alle städtischen Hochschulen fortan eine jährliche Budget-Steigerung von zwei Prozent. Doch in dem vergangenen Jahrzehnt betrug die jährliche Steigerung wegen der Schuldenbremse nur 0,88 Prozent, was viel zu wenig war. Um Tarife und Mieten zu zahlen, hat die Hochschule ihre Rücklagen aufgezehrt und ein Zehn-Millionen-Euro-Defizit aufgebaut.
Die Leitung der HAW soll nun bis Jahresende ein Sparkonzept vorlegen, Titel: „Zukunft ohne Defizit“. Dazu gehört laut Ver.di die Freihaltung von Stellen und die Halbierung der Sachkosten gegenüber 2021. Da befristet Beschäftigte keine Perspektive sehen, wären viele gegangen, berichtet Christine Schulmann von der Ver.di-Betriebsgruppe. „Und die übrigen versinken in Arbeit.“ Die Gruppe habe nach Übergabe der Forderungen im Rathaushof symbolisch kleine Lampen hoch gehalten, „damit der HAW nicht das Licht ausgeht“.
Laut Pressestelle der HAW ist das Sparkonzept noch nicht fertig, deswegen sagt sie nicht viel dazu. Laut Ver.di werden die studentischen Tutorien „auf ein Minimum reduziert“ oder „ganz eingestellt“. Die Verwaltung sei teils so überlastet, dass Tutoren auf ihre Gehälter und Studierende in Prüfungsangelegenheiten Monate warten. Auch anderes funktioniere nicht mehr richtig.
Qualitätsmerkmal: Jeder wird mitgenommen
Die Einsparungen sollen laut Ver.di durch eine Absenkung des Professorenanteils und dünnere Betreuung in der Lehre geschehen. Zudem sei die Einstellung gesellschaftlich relevanter Studiengänge wie „Interdisziplinäres Gesundheitsmanagement“, „Regenerative Energien“ und „Mechatronik“ zu befürchten.
Die typischen Qualitätsmerkmale der Lehre an Hamburgs zweitgrößter Hochschule wie „Betreuung in kleinen Gruppen“ und „jeder wird mitgenommen“ wären nicht mehr erfüllen. Ein Abbau von Studienplätzen werde „unumgänglich“. Und das werde auch die Stadt spüren, schließlich werde an der HAW bisher „fachspezifisch und praxisbezogen“ ausgebildet und damit der Fachkräftemangel verhindert. Dass die HAW so klamm dasteht, soll zudem damit zu tun haben, dass die Stadt trotz Zusage die Miete für ein Hochschulgebäude an der Alexanderstraße nicht übernimmt.
Zu den Vorhalten gefragt, erklärt die Wissenschaftsbehörde darauf, dass die Hochschulen ihre Budgets selbst verwalteten. Die HAW habe nun eine „Perspektive für ein ausgeglichenes Ergebnis 2023/24 vorgelegt“, so eine Sprecherin. Nun verständige sich die Behörde mit der HAW auf Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Die Schließung von Studiengängen werde „derzeit“ nicht in Betracht gezogen.
Das bestätigt die grüne Hochschul-Politikerin Miriam Block. Es sei den Verhandlungen zum Haushalt gelungen, eine „befürchtete Finanzierungslücke im Pflegestudiengang zu verhindern“. Ihre Kollegin von der SPD, Annkathrin Kammeyer, sagt: „Die finanzielle Situation der HAW ist in der Tat nicht zufriedenstellend.“ Aktuell würden eine Reihe von Maßnahmen erarbeitet, um das Defizit auszugleichen. Dabei habe man das „Ziel“, weder an der Qualität von Studium, Lehre oder Forschung noch in der Verwaltung zu sparen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“