Sozialwissenschaftlerin über das Gendern: „Ein Feindbild, das Ängste vor Veränderungen bündelt“
Juliane Lang erklärt die Angst vor gendergerechter Sprache: Wenn die einen ihre Identität leben dürfen, fürchten die anderen, ihre zu verlieren.
taz: Frau Lang, wer fühlt sich von geschlechtergerechter Sprache angegriffen?
Juliane Lang: Die Mobilisierungen gegen geschlechtergerechte Sprache kommen nicht nur aus der extremen Rechten, sondern von ganz unterschiedlichen politischen Interessengruppen. Den Einbezug geschlechtergerechter Sprache in der Kommunikation von öffentlichen Behörden bekämpfen zum Beispiel ganz aktiv nicht nur die AfD, sondern auch Teile der CDU. In Hessen beispielsweise rühmt sich die CDU damit, in der Koalition mit der SPD ein sehr striktes Verbot gendergerechter Sprache für die öffentliche Verwaltung durchgesetzt zu haben.
taz: Welche Argumente werden denn eigentlich gegen geschlechtergerechte Sprache vorgebracht?
Lang: Die Ablehnung geschlechtergerechter Sprache ist in den größeren Kontext des „Feindbilds Gender“ einzuordnen. Dieses Feindbild bündelt Ängste und Ressentiments vor gesellschaftlichen Veränderungen. Und Geschlecht ist eine sehr unmittelbare Erfahrung, weshalb die Vorstellung, dass es politisch beeinflusst oder verändert werden könnte, besonders starke Ängste auslöst.
taz: Woran machen Sie das fest?
Lang: Es geht bei progressiver Geschlechterpolitik immer darum, bestimmten Personengruppen Rechte zuzugestehen, die ihnen bisher verwehrt waren – etwa bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Niemandem wurde ja mit dieser Entscheidung das Recht genommen, zu heiraten. Und dennoch wurde von konservativen und auch von extrem rechten Akteuren eine Auflösung der Familie und der Ehe als Institution beschworen. Ähnlich verhält es sich mit der geschlechtergerechten Sprache. Es wird die Angst geschürt, dass Menschen ihre eigene geschlechtliche Identität verlieren könnten, nur weil anderen ermöglicht wird, ihre Geschlechtsidentität anders zu leben.
taz: Diese Ängste und Vorurteile werden dann auch von Bürgerinitiativen aufgegriffen und weitergetragen, richtig?
Lang: Genau. Es geht nicht nur um Parteienpolitik, sondern um eine wachsende Zivilgesellschaft von rechts, die aktiv Themen setzt und Ängste schürt. Das sehen wir stark beim Thema Migration. Auch im antifeministischen Spektrum gibt es Akteur:innen, die als „besorgte Bürger“ oder gar „besorgte Eltern“ Stimmung machen gegen progressive Geschlechterpolitiken.
taz: Wie ernst muss man diese Angriffe auf den Feminismus und auf die gendergerechte Sprache nehmen?
Lang: Sehr ernst. Wir sehen, welche Bedeutung die Ablehnung progressiver Geschlechterpolitiken für autoritäre und rechte Gegenbewegungen weltweit haben. Wir sehen, dass die Rechte von Frauen und queeren Menschen immer wieder im Fokus stehen. Paradoxerweise wird der politischen Gegenseite häufig vorgeworfen, mit Verboten und Zensur zu arbeiten, während tatsächlich in diesem Bereich von konservativer Seite aus stark versucht wird zu regulieren.
Vortrag Antifeminismus. Zwischen Verteidigung des Status Quo und neuerlichen Anfeindungen mit Juliane Lang: Do, 6. 3., 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2, Hamburg
taz: Wie kann man progressive Geschlechterpolitik effektiv schützen?
Lang: Leider wird sie in Deutschland zu wenig geschützt. Ein Teil der geschlechterpolitischen Errungenschaften, um die es geht, sind historisch betrachtet noch jung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einmal errungene Rechte auch wieder rückgängig gemacht werden können. Einige der Fortschritte der vergangenen Jahre wurden erst durch das Bundesverfassungsgericht ermöglicht, das den Gesetzgeber aufforderte, bestehende Diskriminierungen zu beenden. Ich gehe davon aus, dass auch beim Einbezug geschlechtergerechter Sprache letztlich gerichtliche Entscheidungen anstehen werden.
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