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Sozialwissenschaftlerin über das Gendern„Ein Feindbild, das Ängste vor Veränderungen bündelt“

Juliane Lang erklärt die Angst vor gendergerechter Sprache: Wenn die einen ihre Identität leben dürfen, fürchten die anderen, ihre zu verlieren.

Wenn die Welt mehr ist, als männlich: Straßenschild in Tübingen Foto: dpa | Marijan Murat

taz: Frau Lang, wer fühlt sich von geschlechtergerechter Sprache angegriffen?

Juliane Lang: Die Mobilisierungen gegen geschlechtergerechte Sprache kommen nicht nur aus der extremen Rechten, sondern von ganz unterschiedlichen politischen Interessengruppen. Den Einbezug geschlechtergerechter Sprache in der Kommunikation von öffentlichen Behörden bekämpfen zum Beispiel ganz aktiv nicht nur die AfD, sondern auch Teile der CDU. In Hessen beispielsweise rühmt sich die CDU damit, in der Koalition mit der SPD ein sehr striktes Verbot gendergerechter Sprache für die öffentliche Verwaltung durchgesetzt zu haben.

taz: Welche Argumente werden denn eigentlich gegen geschlechtergerechte Sprache vorgebracht?

Lang: Die Ablehnung geschlechtergerechter Sprache ist in den größeren Kontext des „Feindbilds Gender“ einzuordnen. Dieses Feindbild bündelt Ängste und Ressentiments vor gesellschaftlichen Veränderungen. Und Geschlecht ist eine sehr unmittelbare Erfahrung, weshalb die Vorstellung, dass es politisch beeinflusst oder verändert werden könnte, besonders starke Ängste auslöst.

Bild: Illustration: privat
Juliane Lang

40, Sozialwissenschaftlerin an der Uni Giessen, Themenschwerpunkt Rechtsextremismus, Herausgeberin des Sammelbands „Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt“.

taz: Woran machen Sie das fest?

Lang: Es geht bei progressiver Geschlechterpolitik immer darum, bestimmten Personengruppen Rechte zuzugestehen, die ihnen bisher verwehrt waren – etwa bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Niemandem wurde ja mit dieser Entscheidung das Recht genommen, zu heiraten. Und dennoch wurde von konservativen und auch von extrem rechten Akteuren eine Auflösung der Familie und der Ehe als Institution beschworen. Ähnlich verhält es sich mit der geschlechtergerechten Sprache. Es wird die Angst geschürt, dass Menschen ihre eigene geschlechtliche Identität verlieren könnten, nur weil anderen ermöglicht wird, ihre Geschlechtsidentität anders zu leben.

taz: Diese Ängste und Vorurteile werden dann auch von Bürgerinitiativen aufgegriffen und weitergetragen, richtig?

Lang: Genau. Es geht nicht nur um Parteienpolitik, sondern um eine wachsende Zivilgesellschaft von rechts, die aktiv Themen setzt und Ängste schürt. Das sehen wir stark beim Thema Migration. Auch im antifeministischen Spektrum gibt es Akteur:innen, die als „besorgte Bürger“ oder gar „besorgte Eltern“ Stimmung machen gegen progressive Geschlechterpolitiken.

taz: Wie ernst muss man diese Angriffe auf den Feminismus und auf die gendergerechte Sprache nehmen?

Lang: Sehr ernst. Wir sehen, welche Bedeutung die Ablehnung progressiver Geschlechterpolitiken für autoritäre und rechte Gegenbewegungen weltweit haben. Wir sehen, dass die Rechte von Frauen und queeren Menschen immer wieder im Fokus stehen. Paradoxerweise wird der politischen Gegenseite häufig vorgeworfen, mit Verboten und Zensur zu arbeiten, während tatsächlich in diesem Bereich von konservativer Seite aus stark versucht wird zu regulieren.

Vortrag Antifeminismus. Zwischen Verteidigung des Status Quo und neuerlichen Anfeindungen mit Juliane Lang: Do, 6. 3., 19 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2, Hamburg

taz: Wie kann man progressive Geschlechterpolitik effektiv schützen?

Lang: Leider wird sie in Deutschland zu wenig geschützt. Ein Teil der geschlechterpolitischen Errungenschaften, um die es geht, sind historisch betrachtet noch jung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einmal errungene Rechte auch wieder rückgängig gemacht werden können. Einige der Fortschritte der vergangenen Jahre wurden erst durch das Bundesverfassungsgericht ermöglicht, das den Gesetzgeber aufforderte, bestehende Diskriminierungen zu beenden. Ich gehe davon aus, dass auch beim Einbezug geschlechtergerechter Sprache letztlich gerichtliche Entscheidungen anstehen werden.

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3 Kommentare

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  • Frau Lang vermischt das sprachliche Gendern mit der Gender-Theorie und geht davon aus, dass jeder, der gegen das Gendern ist, auch alternative Lebensentwürfe ablehnt. Das ist lebensfremder Unsinn!

  • Ich bin ein entschiedener Gegner der "gendergerechten" Sprache, habe aber nicht die geringste Angst, dass diese irgendeine Veränderung bewirkt oder gar meine Privilegien als Mann tangiert. Die Verwendung dieser Sprache kostet fast nichts, tut niemandem weh und ändert an den gesellschaftlichen Verhältnissen überhaupt nichts. Genau deswegen war sie auch eine Zeitlang relativ leicht durchsetzbar. Und Männer in Führungspositionen können sich durch ihre Verwendung einen progressiven oder gar feministischen Anstrich geben, ohne dass an den Machtverhältnissen gerüttelt wird. Männer, die vor sog. gendergerechter Sprache wirklich "Angst" haben, sind allenfalls solche, die ein unzureichendes Selbstwertgefühl haben und wenig auf die Reihe kriegen. Ich kenne zahlreiche Frauen und Männer, die Gendersprache für unsinnig halten, aber niemanden, der befürchtet, durch Gendersprache seine "eigene geschlechtliche Identität verlieren" zu können.

    Und umgekehrt: Konservative Politiker können sich beim Wahlvolk beliebt machen, wenn sie Gendersprache mit großem Getöse im behördlichen Schriftverkehr wieder abschaffen. Aber auch das ist reine Symbolpolitik, die nichts kostet und leicht durchzusetzen ist.

  • Während es real in der Gesellschaft ein chauvinistisches Comeback gibt: equal pay-illusion; Gewalt gegen Frauen-wächst; Bundestag-mehr Männer; kämpft sich die real machtlose Bewegung an Verbalem ab. In der letzten 'Freitag' Ausgabe gab es einen entlarvenden Kommentar dazu.