Sozialverband stellt Bericht vor: Armutsquote ist weiter hoch
Jeder sechste Mensch in Deutschland ist arm, vor allem Kinder sind betroffen. Der Paritätische Gesamtverband fordert Veränderung.
BERLIN taz | Armut bleibt in Deutschland ein großes Problem. Laut einem aktuellen Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes gab es im Jahr 2022 insgesamt 14,2 Millionen Menschen, die von Armut betroffen waren. Mit 16,8 Prozent liege die Armutsquote zwar um 0,1 Prozentpunkte unter dem Vorjahresergebnis, doch das sei nicht mehr als „ein statistisches Flimmern“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, am Dienstag in Berlin.
Die Quote verbleibe auf hohem Niveau. Von einer Trendwende gehe er aufgrund der Zahlen nicht aus. Vor allem im Bereich der Kinderarmut sei ein neuer trauriger Rekordwert zu verzeichnen. Neuere Zahlen zum Jahr 2023 wurden nicht präsentiert.
Der Bericht stützt sich auf den sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Als arm gelten Menschen laut der Berechnung dann, wenn sie mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Bei einem Single ohne Kinder liegt die Armutsschwelle für das Jahr 2022 beispielsweise bei 1.186 Euro, bei einem Paar ohne Kinder bei 1.779 Euro. Besonders gefährdet sind weiterhin Alleinerziehende. Dort liegt die Armutsquote bei 43,2 Prozent. Außerdem ist jedes fünfte Kind (21,8 Prozent) betroffen.
Arm trotz Arbeit und Rente
Besonders diejenigen, die trotz Erwerbstätigkeit und Rente nicht genug Geld auf ihrem Konto haben, müssten mehr in den Blick genommen werden, betonte Schneider. Nur 6 Prozent der erwachsenen Armutsbevölkerung sind laut des Berichts arbeitslos. 34 Prozent sind dagegen erwerbstätig und 30 Prozent bereits in Rente. Der Paritätische fordert eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, um genau diese Erwerbstätigen aus der Armut zu bekommen. Zudem schlägt der Sozialverband einen Umbau der Rentenversicherung hin zu einer allgemeinen Bürgerversicherung vor.
Das alles brauche natürlich Geld und eine echte Umkehr in der Finanzpolitik, sagte Schneider. Die Anregung, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) Ende Februar äußerte, man könne bei Sozialausgaben mal drei Jahre versuchen, mit dem auszukommen, was man habe, wies Schneider in Anbetracht des Berichtes entschieden zurück und nannte den Vorschlag „unverantwortlich“.
Aufgrund der hohen Zahl von armutsbetroffenen Kindern fordert der Sozialverband eine angemessene Höhe der geplanten Kindergrundsicherung. Es bringe schlichtweg nichts, wenn der Weg zur Beantragung in Zukunft einfacher wäre, aber nicht mehr Geld bei den Kindern ankomme. „Die Wahrheit liegt im Portemonnaie und nicht in irgendwelchen Verfahrenswegen“, so Schneider.
Priorität auf Kinderarmut setzen
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk forderte am Dienstag, „der Bekämpfung der Kinderarmut endlich die dringend notwendige Priorität einzuräumen“. Dessen Bundesgeschäftsführer, Holger Hofmann, appellierte daran, dass man trotz der angespannten Haushaltslage nicht die Not der von Armut betroffenen Kinder aus den Augen verlieren dürfe. Er forderte einen „Paradigmenwechsel“ und eine echte Kindergrundsicherung, die die Armutszahlen spürbar senke und sich damit an den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen orientiere. „Das gibt es nicht zum Nulltarif“, stellte Hofmann allerdings klar.
Die Dunkelziffer der Armutsbetroffenen dürfte derweil höher sein. Bei der vom Statistischen Bundesamt berechneten Armutsquote werden Menschen, die keinen eigenen Haushalt führen, nicht erfasst. Dazu gehören wohnungslose Menschen oder diejenigen, die in Pflegeeinrichtungen oder Wohnheimen der Behindertenhilfe leben.
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