Sozialer Klimagipfel in Madrid: Gegen den CO2lonialismus
Beim Gegengipfel zur UN-Klimakonferenz in Madrid kritisieren Indigene mangelnde Teilhabe. Sie fordern eine gleichberechtigte Vertretung.
„CO2lonialismus“ nennt Goldtooth das, was ihn hierher gebracht hat. Neben dem Pipelinebau meint er damit das Fracking. „1.700 Bohrlöcher gibt es allein auf unserem Gebiet an der Grenze zu Kanada“, berichtet der Mann in traditioneller Tracht und mit dünnen Zöpfen. Das kapitalistische Wirtschaftssystem zerstöre den Planeten, sagt er.
Goldtooth’ Dakota-Stamm gehört zur Minga Indígena, einem Verbund von 45 Nationen der Ureinwohner Nord- und Südamerikas. Die Minga ist eine von über 500 Organisationen von dies- und jenseits des Atlantiks, die den Gegengipfel bestreiten. Hunderte von Klimaaktivisten und Interessierten füllen seit Samstagnachmittag über 50 Hör- und Seminarsäle der Madrider Universität Complutense.
Für Großveranstaltungen wurde ein Zelt auf einem Parkplatz errichtet. Über 350 Seminare und Vorträge werden bis kommenden Freitag, dem Ende der COP25, stattfinden. Neben Themen wie Energieversorgung, Ernährung, Wohnen oder Widerstandsaktionen gegen konkrete umweltschädliche Projekte überall auf dieser Welt sind es immer wieder die Probleme der indigenen Völker, die debattiert werden.
Das kommt nicht von ungefähr. Eigentlich sollte die COP25 und damit natürlich auch der Gegengipfel in Santiago de Chile stattfinden. Es sollte die Konferenz der Klimagerechtigkeit und des Südens werden. Doch die COP25 wurde im letzten Moment von der chilenischen Regierung abgesagt und nach Madrid verlegt. „Angesichts der brutalen Repression in Chile haben wir uns genötigt gesehen, den Klagen gegen die soziale Ungerechtigkeit einen Raum zu geben“, erklärt die Sprecherin des Sozialen Klimagipfels, Marta García Pallarés.
Wer entscheidet über Schürfrechte
Zwar hat die Minga ihr Treffen, das parallel zum Sozialen Klimagipfel geplant war, in Santiago de Chile beibehalten, jedoch kamen gleichzeitig namhafte Vertreter nach Spanien. „Wir werden nicht gehört“, beschwert sich Calfin Lafkenche. Der 39-Jährige im dunkelblauen Poncho aus dem Süden Chiles fordert, dass die indigenen Nationen gleichberechtigt bei UN-Treffen vertreten sind. „Sie verhandeln über unsere Zukunft, ohne uns“, beschwert sich der Mapuche. „Zwar haben wir vielerorts das Recht auf unser Land, aber nur über den Boden, was darunter liegt, Minerale, Wasservorkommen oder fossile Brennstoffe, gehören uns nicht. Die Regierungen vergeben Schürfrechte, ohne uns anzuhören“, erklärt er.
Lafkenche macht nicht nur die CO2-intensive Wirtschaft als Feind der traditionellen Lebensweise aus, sondern auch Überfischung, Abholzung und selbst saubere Energieformen. So hat der größte Energieversorger Lateinamerikas, das spanische Unternehmen Endesa, auf dem Mapuche-Gebiet einen riesigen Stausee errichtet. „Heilige Gebiete und Friedhöfe versanken im Wasser. Natürlich sind wir für saubere Energieformen, aber wir wollen gehört werden“, sagt Lafkenche. „85 Prozent der in Chile erzeugten Energie sind für die Großindustrie, während viele indigenen Siedlungen noch immer nicht ans Stromnetz angeschlossen sind“, erklärt er und macht damit deutlich, was er unter mangelnder Klimagerechtigkeit versteht.
Claudia Campero, 40, von No Fracking Mexico hat sich vorgenommen, die vielfältigen Umweltproteste und sozialen Konflikte zusammenzuführen: „Egal ob es um Fracking, Wasser, Land, Luft oder Gesundheit geht, die meisten Probleme lassen sich auf die Klimafrage zurückführen.“ Ihre Organisation hat einen „Community-Leitfaden zum Klimanotfall“ ausgearbeitet. „Wir wollen den Diskurs der Bewegungen stärken, damit sie gemeinsam einen radikalen Wandel des Wirtschaftsmodells einfordern“, sagt Campero. Mehr Landwirtschaft, Diversifizierung der Ernährung, lokales Wirtschaften statt transportintensivem Freihandel sind dabei nur einige Schwerpunkte.
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