Soziale Ungleichheit nimmt zu: Ohne Mühen zu mehr Reichtum

Warum stört uns, dass es immer mehr Millionäre gibt? Weil großer Reichtum dem heutigen Ideal der sozialen Gerechtigkeit widerspricht.

Goldenes Auto vor einer Waschanlage.

Die erste Million ist schwer, danach geht es zumeist schneller Foto: plainpicture

Eigentlich ist das kein Aufreger, sondern eine Binsenweisheit: Die Reichen werden reicher – und mehr. Im vergangenen Jahr stieg der Zahl der Vermögensmillionäre weltweit auf rund 22,5 Millionen Personen. Ihr gemeinsames Kapital summiert sich inzwischen auf 82.000 Milliarden Euro, wie die französische Unternehmensberatung Capgemini gerade errechnet hat. Das entspricht ungefähr der gesamten Wirtschaftsleistung der Welt in einem Jahr. Ja, das ist unvorstellbar viel Geld. Aber warum stört uns das?

Ein Blick zurück in die Geschichte: Die Könige, Kurfürsten, Erzbischöfe des Mittelalters waren im Vergleich zu den damaligen Bauern und Handwerkern mindestens so reich wie die heutige Elite. Die Industriellen des 19. Jahrhunderts lebten wahrscheinlich doppelt so lange wie ihre Arbeiterinnen und Arbeiter. Der Unterschied zwischen diesen historischen Epochen und der Gegenwart besteht im Ideal der sozialen Gerechtigkeit.

Dieses Ideal lässt die heutigen Menschen zu große Differenzen im Wohlstand als unmoralisch betrachten. Außerdem gefährdet eklatante soziale Ungleichheit die politische Gleichberechtigung: Wenn Schulen wegen Geldmangels so schlecht ausgestattet sind, dass Kinder aus ärmeren Familien keine vernünftige Bildung erhalten, untergräbt das die Demokratie.

Trotzdem gebiert Kapital mehr Kapital. Die erste Million ist schwer, danach geht es zumeist schneller, oft quasi ohne viel Zutun der Eigentümer. Diese Reichtumsvermehrung kann man nicht einmal mit diktatorischen Methoden wie in China oder Nordkorea verhindern – selbst dort fährt die Elite Lamborghini. Allerdings müssen es sich die Reichen in zivilisierten Staaten heute gefallen lassen, dass sie einen guten Teil ihrer Zugewinne an die Allgemeinheit abtreten.

Wie viel Steuern gerecht sind, ist immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte. Momentan dürfte es ruhig etwas mehr sein. Schließlich ginge es nur darum, dass die Reichen etwas weniger schnell noch reicher werden. Die Verlangsamung schadet ihnen nicht, auch wenn der Verband der Familienunternehmen das Gegenteil behauptet.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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