Soziale Netzwerke gegen Nazis: Aktionswoche ohne Facebook

Zwanzig deutschsprachige soziale Netzwerke positionieren sich in einer Kampagne gegen rechts. Nicht dabei ist Facebook - hat aber das Watchblog npd-blog.info wieder online gestellt.

Sensibilität der User stärken: Kampagnenlogo von "Soziale Netzwerke gegen Nazis". Bild: screenshot www.netz-gegen-nazis.de

BERLIN taz | Fünfzehn Videos hat Youtube-Nutzer „Heimattreues Erfurt“ bisher hochgeladen. In einem laufen junge Männer, tatowiert und gepierct, durch die Wälder Thüringens, beschweren sich: „Immer mehr Fremde strömen über unsere Grenzen“ oder beschimpfen den Staat, der „immer mehr Nachteile für unser Volk erlässt“. Das Video ist unterlegt mit heroischer, völkischer Musik. Die Kommentatoren drücken ihre Sympathie mit Sätzen wie „Deutschland den Deutschen“ aus.

Nicht immer ist Fremdenfeindlichkeit im Netz so offensichtlich. Rechte Kader legen Profile bei StudiVZ an, sind Mitglieder in vermeintlich harmlosen Depeche-Mode-Fangruppen und zitieren Schiller. Sie verbreiten ihre Propaganda unterschwellig.

Rechtsextreme nutzen das Web 2.0, um ihre menschenverachtenden Botschaften immer subtiler zu verbreiten. Dagegen stellt sich die Aktionswoche „Soziale Netzwerke gegen Nazis“, die am Montag startete. „Es geht darum, die User zu sensibilisieren und ihre Medienkompetenz zu stärken“, sagte Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, bei der Vorstellung der Kampagne. Die Aktionswoche wurde von www.netz-gegen-nazis.de, dem Infoportal der Stiftung und der Wochenzeitung Zeit initiiert. Zwanzig deutschsprachige soziale Netzwerke nehmen teil und positionieren sich damit gegen Rechtsextremismus.

Mit Bannern und Buttons sollen die User auf das Thema aufmerksam gemacht und ermutigt werden, fremdenfeindliche Beiträge, Videos und Profile zu melden. Fast jedes soziales Netzwerke verfügt über solche Meldebuttons. „Wir müssen in den Köpfen der Leute die Idee präsent halten“, sagte Sven Markschläger von den VZ-Netzwerken. Joel Berger, Geschäftsführer von Myspace Deutschland, erklärte, Musik werde von den Rechten als „Einstiegsdroge“ genutzt. Nicht immer sei die Musik klar als rechts zu erkennen, es sei schwierig, dagegen vorzugehen.

Die tägliche Datenmenge sei für die Betreiber nicht überschaubar, so auch youtube-Sprecher Ralf Bremer. Pro Minuten werden bei der Plattform 24 Stunden Material online gestellt, auch von Nazis. Eine Sichtung sei unmöglich. "Wir sind deshalb auf die Hilfe der User angewiesen."

Verbraucherschutzminister Ilse Aigner (CSU) forderte bei der Präsentation der Aktion die Betreiber von sozialen Netzwerken auf, ihr „Hausrecht“ zu nutzen und Nazis auszusperren. „Verfassungsfeinde, egal ob von rechts oder von links, sollten in sozialen Netzwerken keine Platz haben“, so Aigner. Dass sie – wie es in der Bundesregierung gerade Trend zu sein scheint – mit ihrer Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus, verwirrte und nach wenigen Minuten aus Termingründen das Podium verließ, sei ihr verziehen. Sorgte ihre Anwesenheit doch dafür, dass ein paar mehr Journalisten auf das Projekt aufmerksam wurden.

Auch das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook wurde auf die Kampagne aufmerksam gemacht. Erfolglos. Initiatorin Simone Rafael von hatte bis zuletzt intensiv verhandelt. „Es ist schade, dass Facebook nicht dabei ist. Es lag aber wohl an organisatorischen denn an inhaltlichen Gründen“, sagte Rafael.

Dabei hätte sich Facebook durch die Teilnahme etwas rehabilitieren können, hatte das Netzwerk am Wochenende doch ohne Vorwarnung an den Betreiber des Wachtblog, dem Journalisten Patrick Gensing, die Seite aus dem sozialen Netzwerk gelöscht.

Seit Montagnachmittag ist die Seite wieder online. Ein Sprecher erklärte für Facebook der taz: "Die entsprechende Seite wurde durch ein technisches Problem versehentlich deaktiviert". Per Email entschuldigte sich Facebook indes bei Gensing "aufrichtig für jegliche Unannehmlichkeiten". Der politische Schade ist für Gensing aber mit Nichten behoben: "Facebook hat mit dieser Aktion den Neonazis das Zeichen gegeben, gegen NPD-kritische Seiten vorzugehen, rechtsextreme Seiten aber zumeist unbehelligt zu lassen".

Mit der jetzt frei geschalteten Seite "NPD-Blog.Info" kann Gensing aber bisher auch gar nicht arbeiten. "Die Admin-Rechte sind weg", sagt Gensing, der für den Anti-Nazi-Blog im Internet ausgezeichnet wurde. Mehr als "1000 Freunde" sind zudem jetzt in dem virtuellen Raum durch die Löschung verloren gegangen.

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