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Konzertempfehlungen für BerlinMusik für die Polykrisen

Schorsch Kamerun singt „akute“ Songs, der Nerven-Bassist Julian Knoth macht auch Lo-Fi. Und die fünf Frauen von Vrouw lassen die Synapsen flirren.

„Vrouw“ ist niederländisch für „Frau“. In der Band spielen gleich fünf von ihnen zusammen Foto: Tom O'Doherty

V erstärkte Objekte, selbst gebaute Instrumente – und dann singen sie noch in unterschiedlichsten Zungen: Fünf Frauen, beheimatet in der queeren Avantgardeszene der Stadt, machen als Vrouw (niederländisch für „Frau“) ziemlich abgefahrene Musik und feiern am Freitag ihren Release „Vos“. Der basiert auf improvisierten Sessions und wird sicher die Synapsen des Publikums flirren lassen.

Im ebenfalls beachtenswerten Rahmenprogramm tritt die Berliner Songwriterin Julia Kotowski auf, die bisweilen unter ihrem Alias Entertainment for the Braindead folkig-verspulte Musik macht. Manchmal aber auch als Beltership: Bei diesem Projekt generiert sie Loops aus selbstgebauten Noiseboxen. An diesem Abend will sie beides zusammenführen. (B.L.O. Kantine, 28. 11., 20.30 Uhr, Tickets auf rausgegangen.de)

Vermutlich kennen etliche punk-affine Menschen Julian Knoth. Schließlich ist er Bassist der Nerven, einer der tollsten hiesigen Post-Punk-Bands. Vielleicht jedoch, ohne mit seinen Namen vertraut zu sein.

Jedenfalls passten diese in der Pandemie entstanden Lo-Fi-Folk-Songs – in denen zum Teil nur seine Stimme und eine akustische Gitarre zu hören sind – zu keinem der viele Projekte, in denen er noch so mitmischt: dem Peter Muffin Trio, den Benjamins oder auch dem Yum Yum Club. Klanglich näher an Adrienne Lenker als am Noise-Punk, macht sich Knoth in seinem eindrücklichen Solodebüt „Unsichtbares Meer“ auf Textebene ziemlich nackig. (Neue Zukunft, 30. 11., 20 Uhr, Ticketlink bei greyzone Tickets)

Lesung der Rebel Queens

Pünktlich kommen lohnt sich, denn für den Support sorgt Stefanie Schrank, die mit „Forma“ ebenfalls ein bemerkenswertes Album herausgebracht hat – und damit am kommenden Donnerstag noch einen Auftritt haben wird, bei der Musik-trifft-Literatur-Veranstaltungsreihe „Krawalle und Liebe“ von Kersty und Sandra Grether. Außerdem beim Salon dabei: der Goldene-Zitronen-Sänger Schorsch Kamerun, der der Ankündigung zufolge „akute“ Songs im Gepäck hat, und Schriftsteller Christoph Narholz. Auch die Gastgeberinnen werden vorlesen, aus ihrem gerade erschienenen Buch „Rebel Queens. Frauen in der Rockmusik“. (Literaturforum im Brecht-Haus, 4. 12., 19.30 Uhr, Tickets bei lfbrecht.de)

„Die da oben!“: Man mag’s nicht mehr hören und doch wird dieses Lamento immer mehr zu einem Grundrauschen, das einem in unterschiedlichsten Milieus und Zusammenhängen begegnet. Poly-Krisen lassen nicht nur Ängste, sondern auch Schuldzuweisungen freidrehen. Die suchen sich allerdings gerne weniger abstrakte Aufhänger als etwa die Datenflüsse, die wirklich irgendwo „da oben“ rumschwirren und unseren Alltag zunehmend bestimmen.

Regisseur Heiko Michels, ein interdisziplinärer Sprach- und Gesangschor und der durch seine Projekte an der Volksbühne bekannte Komponist Sir Henry beschäftigen sich über drei Abende mit dieser heiklen Gemengelage, unterstützt von der ukrainischen Cellistin Emilia Lomakova. (Theater im Delphi, Premiere am 5. 12., weitere Vorstellungen am 6.+7. 12., 20 Uhr, Tickets bei reservix)

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