Sorge um Eskalation des Ukraine-Krieges: Überschätzte Explosionsgefahr
Nach den Lecks in den Pipelines und den Referenden stehen die Zeichen auf Eskalation. Aber die derzeitige westliche Strategie funktioniert.
N och hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Anschluss der russisch besetzten Teile der Ukraine an die Russische Föderation nicht vollzogen, für den die bizarren „Referenden“ fast ohne Wähler jetzt offiziell grünes Licht gegeben haben. Aber in wenigen Tagen, vielleicht diesen Freitag, könnte es so weit sein. Und noch hat keine Nato-Regierung offiziell Russland beschuldigt, die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee gesprengt zu haben, aus denen seit den mysteriösen Explosionen Gas an die Oberfläche sprudelt.
Aber in wenigen Tagen könnte sich auch das geändert haben. Wieder einmal wird der Welt in Erinnerung gerufen, dass der Krieg in der Ukraine viel mehr ist als ein Krieg in der Ukraine: Er ist ein Krieg um Vorherrschaft zwischen Russland und dem Westen.
Mögliche Eskalationsschritte sind vorgezeichnet. Sobald sich Russland die besetzten ukrainischen Gebiete einverleibt hat, wird es ukrainische Offensiven zu deren Befreiung als Angriff auf russisches Staatsgebiet betrachten – das, meinen manche, erhöht das Risiko eines russischen atomaren Erstschlags. Sobald auf die Pipelinesprengung in der Ostsee ein weiterer, unzweideutig russischer Angriff auf kritische Infrastruktur von Nato-Staaten erfolgt, steht Artikel 5 der Nato-Charta und damit die kollektive Selbstverteidigung im Raum – das, meinen manche, erhöht das Risiko eines dritten Weltkriegs.
Das sind Horrorszenarien, und sie will niemand. Aber es wäre verkehrt, sich von ihnen leiten zu lassen. Dass die von niemandem mehr gewollten Pipelines in der Ostsee jetzt auch noch kaputtgehen, ist eigentlich völlig egal. Was befürchtete ukrainische Angriffe auf „russisches Staatsgebiet“ angeht: Die Ukraine hat in diesem Krieg schon oft Ziele auf der russisch annektierten Krim getroffen – und Russland hat nicht reagiert, trotz gegenteiliger Warnungen.
Grund für Optimismus
Und die militärische Situation in der Ukraine sollte Anlass zu Optimismus geben. Russland verliert täglich an Boden. Die neue Mobilmachung in Russland treibt noch mehr Menschen in die Opposition oder in die Flucht. Niemand treibt das russische Volk gerade so konsequent in den Aufstand wie Putin selbst. Das Verhältnis des russischen Präsidenten zur Wirklichkeit ähnelt dem von Donald Trump, der sich bis heute für den rechtmäßigen Präsidenten der USA hält, der aber nichts mehr hinbekommt, außer das politische Klima zu vergiften.
Die aktuelle westliche Strategie – Zusammenhalten, Putin isolieren, der Ukraine militärische Siege ermöglichen – ist richtig, und sie funktioniert. Russlands Präsident fällt dagegen nur noch zunehmend bizarres, folgenloses Gehabe ein. Es muss folgenlos bleiben. Dann wird es scheitern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen