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Sondervermögen für InfrastrukturMehr Geld für Sicherheit, Infrastruktur und Klima

Nach der Einigung von Union, SPD und Grünen stimmt auch der Haushaltsausschuss für eine Grundgesetzänderung, um die Schuldenbremse zu lockern.

Grünen-Chefin Britta Haßelmann im Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag, am 16. 3. 2025 Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Anbahnung verlief komplex, die Umsetzung geht aber geschmeidig voran: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat am Sonntag über eine Grundgesetzänderung beraten, mit der die Schuldenbremse gelockert und ein neues Sondervermögen eingerichtet werden soll. Zu Redaktionsschluss lief die Sitzung noch. Zu erwarten war aber, dass das Gremium mit der Mehrheit von Union, SPD und Grünen den Weg freimacht für die Schlussabstimmung am Dienstag.

Bereits am Freitag hatten sich die Vorsitzenden der drei Fraktionen auf die Änderung geeinigt. Deren Grundlage war ein Vorschlag aus den schwarz-roten Sondierungsgesprächen. Am Sonntag sollte der Haushaltsausschuss die Änderung absegnen und damit formalisieren. Geplant ist im Einzelnen:

1. Ab einer Höhe von 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (aktuell rund 43 Milliarden Euro) dürfen alle Verteidigungsausgaben durch Kredite finanziert werden. Die Grünen haben dabei einen breiteren Begriff von Sicherheit durchgesetzt als ursprünglich geplant: Es geht nicht mehr nur um den Etat des Verteidigungsministeriums, sondern auch um alle „Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“.

2. Der Bund darf für ein neues Sondervermögen über 12 Jahre weitere Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro aufnehmen. Anders als ursprünglich geplant wird als Verwendungszweck nicht nur die Infrastruktur genannt, sondern auch „Klimaneutralität bis 2045“. 100 Milliarden Euro aus dem Topf gehen gezielt an den Klima- und Transformationsfonds. Anders als ursprünglich von den Grünen befürchtet können die Kredite wohl nicht genutzt werden, um anderswo im Haushalt Platz für Steuergeschenke zu schaffen: Die Kredite dürfen nur eingesetzt werden, wenn auch mindestens 10 Prozent des Kernhaushalts in Investitionen fließen.

3. Weitere 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen gehen an die Bundesländer. Darüber hinaus wird die Schuldenbremse, die für die Länder bislang besonders streng ist, für sie auch generell gelockert. Sie dürfen künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (aktuell rund 15 Milliarden Euro) aufnehmen.

Dass der Bundestag am Dienstag zustimmt, ist wahrscheinlich. Benötigt wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also mindestens 489 Stimmen. Schwarz-Rot-Grün verfügt im alten Bundestag, der letztmalig zusammentritt, über 520 Stimmen. In einer Fraktionssitzung der Grünen gab es am Freitag zwar kritische Nachfragen von Abgeordneten, die sich eine grundlegendere Reform der Schuldenbremse gewünscht hätten. An der Zustimmung am Dienstag zweifelt die Fraktionsspitze aber nicht.

Großes Grummeln gab es vorab aus der Union. Positiv wurde quer durch die Partei die Aufstockung der Mittel für die Verteidigung gesehen, kritischer das Sondervermögen für die Infrastruktur. Weiterhin bleibt ein dickes Glaubwürdigkeitsproblem, da Friedrich Merz im Wahlkampf versprochen hatte, keine neuen Schulden zu machen. Manche in der Partei sind froh, dass die Grünen dafür gesorgt haben, dass die Schulden nicht einfach in Wahlgeschenke umgeleitet werden könnten. Harmonisch soll es in einer Fraktionssitzung am Freitag zugegangen sein: Bei einer Probeabstimmung gab es keine Stimmen gegen die Einigung.

Nicht zustimmen wollen dagegen die Fraktionen und Gruppen, die an den Verhandlungen nicht beteiligt waren: FDP, AfD, BSW und Linke. „Es gibt jetzt auch mit den Grünen den gewünschten Blanko-Scheck für die Aufrüstung, aber für den sozialen Ausgleich im Land mal wieder nichts“, sagte Heidi Reichinnek (Linke) am Freitag. Die Zustimmung der Grünen verspiele die Chance auf eine generelle Reform der Schuldenbremse. Während die Gegenstimmen im Bundestag wohl nicht ins Gewicht fallen werden, bleibt es im Bundesrat spannend: Auch dort ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Allein mit Landesregierungen, in denen ausschließlich Union, SPD und Grüne vertreten sind, wird diese nicht erreicht.

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14 Kommentare

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  • Das Gesamtpaket ist schon ein Ausdruck von institutionalisierter Bewusstseinsspaltung. Einerseits gibt es bei dem Sondervermögen u.a. die Zweckbindung "Klimaneutralität 2045" (auch wenn sich daraus wohl nicht unmittelbar ein Staatsziel ableiten lässt). Andererseits wird mit der Rüstung ausgerechnet der klimaschädlichste (weil nicht dekarbonisierbare) Sektor von der Schuldenbremse ausgenommen und soll gewaltig wachsen. Es ist so, als würde man etwas mit den Händen aufbauen und im gleichen Moment mit dem hinteren Körperteil wieder einreißen. Und das in vollem Bewusstsein dessen, was man tut. Leider ist diese Nummer aber keine Clownerie, sondern offenbar neue Staatsräson.

  • Was bedeutet Infrastruktur für CDU und SPD?



    Brauchen wir um langfristig Kosten zu sparen nicht ganz viel Geld für BILDUNG??!

    • @Rubió:

      Das ist genau der Casus knacksus, was bringt einen eine neue Schule, ohne Schimmel und funktionierender Toilette aber mit zu wenig Lehrkräfte, das wird das Lernniveau nicht heben.

      Genau die selbe Frage wird sich stellen, bei der Investition in Krankenhäuser, wo zu wenig Fachpersonal da ist, man bekommt dadurch nicht schneller einen OP Termin!

      Alles wird neu sein, aber die gesamte Situation wird sich für keinen signifikant verbessern, darin kann man sehen wie verblendet und kurzsichtig unsere Politiker sind!

  • Merz hat sich von rot/grün schön über den Tisch ziehen lassen. Eine Enttäuschung. Es wird schlimmer kommen als zuvor, und diesmal macht die Union mit, um den Kanzlerposten zu bekommen, der jetzt eigentlich nix mehr wert ist. Eine Handpuppe von Klingbeil und Esken mit blauem Auge von den Grünen.

    Strategisch klüger wäre es gewesen, den Kopf zu schütteln und eine RRG Minderheitsregierung ans Ruder zu lassen. Die hätten sich und das Land schön zerlegt.



    Jetzt zerlegt es die Union. Der Aderlass wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen.

  • Es wird halt wieder mal viel Dampf abgelassen (obwohl die Lok noch gar nicht in den Zielbahnhof eingefahren ist:

    "Wenn [in dieser Woche alles so kommt wie von... geplant, dann wird demnächst] auch Wählen als Feigenblatt der oligarchischen Herrschaft überflüssig."

    "Wenn [... dann] fragen sich doch die demokratischen Wähler [...]." - Gibt es denn auch 'undemokratische Wähler'?

    "Wenn die AfD 2029 an die Macht kommt (und das ist sehr wahrscheinlich) [...]." / "Wenn es so weitergeht, wird dann die AfD ans Ruder kommen."

    Demnach steuern wir - am Ende wegen undemokratischer Wähler*innen? - wie einst Odysseus zwischen zwei Gefahren "im Kontext der real-existierenden Demokratie" (wie einst der real existierende Sozialismus...) atemlos durch die Nacht.

    Wenn, ja wenn nicht irgendein deus ex machina in Gestalt eines Fähnleins der Aufrechten sich unser erbarmt und am Dienstag und/oder Freitag dieser UN-DEMOKRATIE endlich ein Ende bereitet.



    (off)

  • Selbst im Kontext der real-existierenden Demokratie ein starkes Stück. Mit dem Finanzpaket und den geplanten Grundgesetzänderungen würden, wenn sie denn, so wie von Union, Grünen und SPD gewünscht, umgesetzt werden, die Entscheidungsspielräume künftiger Mehrheitsregierungen nochmals eingeschränkt. Das als Topping oben auf die jeweils vierjährige Regierungsgewalt und die defizitären demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten gesetzt, macht dann auch Wählen als Feigenblatt der oligarchischen Herrschaft überflüssig.

    Wahrscheinlich wird es aber nicht ganz so kommen, denn was in zukünftigen Haushalten als reguläre Ausgeben eingestellt wird und was zu Zusatzmittel aus Sondervermögen deklariert wird, bleibt der jeweiligen Regierungsmehrheit überlassen. Hier droht aber ohnehin Ärger, denn inhaltlich gibt es zwischen Union und SPD noch genug Streitpunkte, die, auch im Hinblick auf zukünftige Wahlen, relevant bleiben.

    Ein Scheitern des Vorhabens würde Union, alle anderen Parteien und die Gesellschaft zwingen, endlich Farbe zu bekennen und sich im Rahmen der gewohnten Funktionsweise repräsentativer Demokratie immer wieder politisch neu zu entscheiden.

  • Tja, da fragen sich doch die demokratischen Wähler, mit welchen Konsequenzen hat denn der vorherige Finanzminister zu rechnen, wenn ein Kanzler Merz in spe, bei in Augenscheinnahme der finanziellen Lage des Bundeshaushalts feststellt, es werden 500 Milliarden unbedingt für Infrastrukturmassnahmen in Deutschland benötigt !? Irgendwas ist da doch voll in die Hose gegangen, beim Ex Finanzminister.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Es ist unter Merkel schon in die Hose gegangen. Die FDP hat damit nichts zu tun.

      • @Gurkenbrille:

        Das was bei Merkel in die Hose gegangen ist, diese Situation hat die FDP auf ein neuen völlig absurden ideologisches Niveau gehoben! Zu welcher Partei gehörte nochmal der letzte Finanzminister, genau! Wenn man halbwegs intelligent und bei gesunden Menschenverstand ist, dann sollte die jetzige Situation einen ganz besonders zu denken geben, das der jetzige Bundeshaushalt nicht erst seit gestern völlig unterfinanziert war und noch ist, sonst bräuchten wir ja keine neuen Schulden in dieser unfassbaren Höhe aufzunehmen, das ergibt hoffentlich für die meisten die hier mitlesen einen nachvollziehbaren klaren und plausiblen Sinn! Wenn viele das nicht nachvollziehen und richtig analysieren können, dann passiert das doch nur weil die Bildung gegen die Wand gefahren wird, und die meisten Wähler anscheinend mathematisch nicht mehr in der Lage sind die Grundrechenarten zu verstehen und richtig anwenden zu können! Merz hat auf das mangelnde mathematische Unvermögen der meisten Wähler gesetzt und damit gewonnen! Das ist einfach nur erschreckend!

      • @Gurkenbrille:

        Richtig - 733 Parlamentarier 😉

  • Zwei Punkte werden bei all dem gar nicht beachtet.

    1. Wenn die AfD 2029 an die Macht kommt (und das ist sehr wahrscheinlich), hat man der AfD damit dann noch ca. 200-300 Mrd. € Spielgeld für die Infrastruktur gegeben (was immer die AfD damit Verrücktes anstellt). Und unbegrenzte Mittel für Militärisches, Nachrichtendienste, Aufrüstung etc. Damit liesse sich auch ein neuer Inlandsgeheimdienst aufbauen wie die Stasi.

    2. Damit hat man für die nächsten 12 Jahre wieder die Chance vertan, zu einer gerechteren Besteuerung zu kommen und Ungleichheit und Ungerechtigkeit zumindest ein wenig zu verringern. Das Vermögen der reichsten 500 Deutschen ist seit 2020 von 600 Nrd. € auf 1100 Mrd. € angestiegen, also um 500 Mrd. € oder 80%. 5% Vermögenssteuer für diese 500 Personen würde die nicht arm machen, aber 55 Mrd, € pro Jahr bringen, mehr als die 42 Mrd. € pro Jahr, die das Infrastrukturpaket bringt (bei 12 Jahren Laufzeit). Dann würde der Haushalt wieder auf gesunden Füßen stehen. Während jetzt nicht nur die deutschen Schulden problematisch sind, sondern in derFolge in ganz Europa die Schuldenberge wachsen werden.

    • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

      Was die öffentlichen Debatte zum Schuldenpaket betrifft, gibt es in der öffentlichen Debatte dazu noch mehr blinde Flecken. Aber sie haben Recht.

      Menschenfreund Merz hat es ja schon angekündigt: Nach Bewilligung des Schuldenpakets muss nur um so mehr gespart werden, bei den Ärmsten, der Umwelt usw. Whatever it takes! He want’s our money! Da solche dicken Hilfspakete für die Wirtschaft schon in der Vergangenheit verpufft sind, die Zusatzmittel für Länder und Kommunen nur einen Bruchteil deren aktuellen Schulden abdecken und nicht alle Probleme „hausgemacht“ sind, wird weiter kaputtgespart, wer verzichtbar ist.

      Die AfD hat nun noch bessere Aussichten, ab 2029 die größte Fraktion im Bundestag und in mehreren Landtagen zu stellen. Die wird sich über das finanzpolitische Ermächtigungsgesetz von Schwarz-rot-grün noch sehr freuen und ihre „Agenda für Deutschland“ mit nach-Merz’schem Rambo-Zambo Schwung umsetzen.

    • @DemokratieKoennteSoSchoenSein:

      Bis 2029 ist das Geld längst verpulvert. Aber Sie werden wohl recht haben. Wenn es so weitergeht, wird dann die AFD ans Ruder kommen.

      • @HinzUndKunz:

        Und dann?