piwik no script img

Sonderstatus in der UkraineRingen um den Frieden

Das Kiewer Parlament beschließt einen Sonderstatus für die ukrainischen Konfliktregionen und nimmt ein Abkommen mit der EU an. In Donezk gab es Tote.

Das Gesetz über den Sonderstatus soll den Konflikt in der Ukraine beenden. Bild: dpa

KIEW dpa | Im Ringen um Frieden in der Ostukraine hat das Parlament in Kiew ein Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion sowie eine Amnestie für die Separatisten beschlossen. Damit sollen die Selbstverwaltungsrechte der Regionen Donezk und Lugansk gestärkt werden, teilte Präsident Petro Poroschenko am Dienstag mit.

Außerdem nahm das Parlament das umstrittene Abkommen zur Vertiefung der Beziehungen mit der Europäischen Union an. Auch in der Europäischen Union wurde am Dienstag das als historisch geltende Assoziierungsabkommen verabschiedet. Die Volksvertretungen in Kiew und Straßburg nahmen die Vereinbarung am Mittag praktisch zeitgleich an. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko würdigte das Abkommen als „ersten Schritt“ seines Landes in die EU. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach von einem „historischen Moment“.

Im ukrainischen Parlament stimmten 355 Abgeordnete für das Abkommen, kein anwesender Parlamentarier sprach sich dagegen aus. Nach der Abstimmung wurde die Nationalhymne gesungen. Anschließend unterzeichnete Poroschenko das Abkommen unter Beifall. Im EU-Parlament stimmten 535 Abgeordnete zu, 127 Parlamentarier sprachen sich dagegen aus, 35 enthielten sich. Die Abstimmungen wurden zwischen den beiden Parlamenten live per Video übertragen.

Sonderstatus für drei Jahre

Der prowestliche Staatschef Poroschenko hatte zuvor das Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion in der Obersten Rada eingebracht. Demnach sollen die Beteiligten an den bewaffneten Kämpfen straffrei bleiben. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Die Regelung über den Sonderstatus gilt für drei Jahre. Sie verbrieft etwa das Recht auf die eigene Sprache für die russischsprachige Bevölkerung in den Regionen Donezk und Lugansk. Zudem soll die Selbstverwaltung eigener Gebiete gestärkt werden. Demnach ist auch eine enge Kooperationen mit angrenzenden russischen Gebieten geplant.

Den Regionen werden mit dem Gesetz außerdem eigene Wahlen und die Gründung einer eigenen Volksmiliz in den bislang von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen zugestanden. Im Gegenzug sollen die Aufständischen in den nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk auf ihre Forderung nach Unabhängigkeit verzichten. Einige Politiker in Kiew sehen in dem Gesetz die Gefahr einer schleichenden Abspaltung der Ostukraine.

Tote in Donezk

Bei erneutem Beschuss der ukrainischen Separatistenhochburg Donezk sind in der Nacht zum Dienstag drei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden, womit sich der seit 5. September geltende Waffenstillstand zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten weiter als brüchig erweist.

Separatistenführer Alexander Sachartschenko schloss ein baldiges erneutes Vermittlungstreffen mit der Ukraine-Kontaktgruppe daher aus, kündigte aber eine Prüfung von Poroschenkos Gesetz an. „Der Beschuss der Städte durch die Armee dauert an, Gespräche machen derzeit keinen Sinn“, sagte er. Sachartschenko kritisierte ebenfalls das US-geführte Manöver Rapid Trident, das noch bis zum 26. September dauert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Was nützt den Separatisten ein Gesetzt auf 3 Jahre?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Die "Separatisten" haben keine Legitimierung durch Nichts und Niemanden. Man veranstalte ordentliche, faire, ungefälschte Wahlen, Kandidaten mit ukrainischer Staatsbürgerschaft u unbescholtener Vita d.h. ohne kriminelle Vergangenheit sollen antreten. Werden sie gewählt wird man weitersehen. Wenn der Alltag wieder eingekehrt ist: die Schlägerbanden u ihre Waffen wieder in die russ Kasernen zurückgekehrt sind, die ukrain Medien wieder offen zugänglich sind, kann man die hiesige Bevölkerung ja noch mal fragen welche Art v Autonomie sie sich vorstellen. Nach den in den im Internet zugänglichen Daten liegt der Anteil der Bevölkerung, der sich in "Neurussland" als "russisch" einstuft zwischen 14 u 39% - Der Rest dann wohl als ukrainisch. Mehrheiten für eine putinsche Heim- Ins- Reich- Politik sehen anders aus.

      • @ingrid werner:

        Die Legitimierung der Separatisten liegt z.Z. in der Tatsache, dass sie über eine beträchtliche militärische Macht verfügen. Und, ob einen das nun passt oder nicht, daran muss sich eine Lösung erst einmal orientieren. Der alles Andere sind Träumereien. Genau wie die Phantasien, dass es sich um ein paar Schläger aus russischen Kasernen handelt. Die sind zwar bestimmt auch dabei, aber ich bezweifle, dass sie sooo sehr ins Gewicht fallen.

         

        Die im Internet in den letzten Tagen so schön breitgetretenen Daten zum Anteil der russischen Bevölkerung sind zwar nicht direkt gefälscht, aber sie blenden aus, dass viele Menschen als Nationalität Ukrainisch, aber als Muttersprache Russisch angeben. Wie das geht weiß ich auch nicht, aber es zeigt, dass sie zwischen den Ländern stehen. Ein forscher Schwenk Richtung Westen und der Bau einer Mauer im Osten ist da wohl nicht so sehr beliebt.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Die Legitimierung der Separatisten liegt z.Z. in der Tatsache, dass sie über eine beträchtliche militärische Macht verfügen." Wie demokratisch, und wie steht es mit der Legitimierung durch die lokale Bevölkerung. Wenn ich ihre Weltsicht richtig deute, dann weiß ich schon wie ihre Antwort aussieht: Angesichts der beträchtlichen militär. Macht der Separatisten, wird die Bevölkerung schon wissen was sie zu wählen hat, wenn sie denn noch mal gefragt wird. UNd die Russen fallen jedenfalls sooooooo sehr ins Gewicht, dass sie bis vor wenigen Wochen noch ganz offen das Führungspersonal stellten und eine beträchtliche Anzahl von Kosaken, Tschetschenen u Soldaten aus Pskow. Nicht wahr? Wie das geht, dass Menschen deutsch sprechen u trotzdem österreichisch sind, oder Schotten u Iren u englisch sprechen, erschließt sich ihnen nicht? Schreiben Sie aus Europa? Wussten Sie übrigens, dass Janukowitsch seine letzte Wahl mit dem Versprechen der EU- Assoziation bestritten hat, und bekanntermaßen v.a. in der Ostukraine gewählt wurde?

          • @ingrid werner:

            In meinen Augen haben die Ukrainer die Wahl zwischen Pest und Cholera.

            Auf der einen Seite (möge Ihre Behauptung zutreffen) Die Führungsriege aus russischen Staatsbürgern?!

            (oder wie haben sie das mit dem Führungspersonal gemeint?)

            auf der anderen Seite ein Oligarch der genau wie alle anderen vor Ihm sein Reichtum und seine Macht auf dem Rücken der armen Leute aufgehäuft hat. Alle anderen Parteien wurden von den rechtsradikalen bedrängt verdrängt oder von der Regierung verboten. Wie würde man sich da jetzt nur entscheiden? hmm...

            • @Ben Nebelt:

              Sie werden schon wissen weshalb Sie ihren Usernamen gewählt haben.

  • Man muss sich doch fragen, warum beschiesst die "ukrainische Armee" immer noch Städte im Donbass? Werden die Menschen dort wieder von der "Regierung" in Kiew belogen?

  • Zusammengefasst:

     

    -Die ukrainische Armee bricht in großem Stil die Waffenruhe, indem sie mit Artillerie weiter die Städte beschießt.

     

    -die kiewer Regierung, lässt als nicht NATO Land eine Kampfübung der NATO im eignen Land austragen. (Wobei NATO ordentlich im Konflikt mitzündelt, und in meinen Augen keinesfalls eine neutrale Rolle einnimmt)

     

    -rüstet die Armee mit Waffen aus NATO Ländern auf. (Wie es aussieht nach Absprachen auf dem NATO Treffen)

     

    und gleichzeitig wird versucht ein 3 jähriges Zugeständnis als großen Friedensvorschlag zu verkaufen?

    Meiner Meinung nach alles lediglich eine Farce, inszeniert um von der Absicht abzulenken einen Krieg vom Zaun zu brechen.