Sonderregel für das Rote Kreuz: Die Dauer-Leih-Schwestern
Das Rote Kreuz bekommt eine Ausnahme: Es darf Krankenschwestern unbefristet an Dritte entsenden. Ein Arbeitsrechtler kritisiert das.
Rund 24.000 Frauen sind als Krankenschwestern in den bundesweit 33 DRK-Schwesternschaften als Mitglieder organisiert, um einen Job zu bekommen. 6.000 von ihnen arbeiten in DRK-Kliniken oder -Einrichtungen, aber 18.000 Schwestern sind täglich in privaten oder städtischen Krankenhäusern eingesetzt. Sie werden von den DRK-Schwesternschaften über „Gestellungsverträge“ den Kliniken zur Verfügung gestellt, teilweise für Jahre.
Obwohl sie dieselben Tätigkeiten verrichten wie das klinikeigene Personal, gelten DRK-Schwestern bislang nach der Definition des Bundesarbeitsgerichts nicht als Beschäftigte nach dem Betriebsverfassungsgesetz und verfügen über keine Arbeitsverträge und -rechte. Sie besitzen keinen Kündigungsschutz und dürfen auch keinen Betriebsrat wählen. Sie leisten Arbeit aufgrund ihrer DRK-Mitgliedschaft, ihr Gehalt auf Tarifniveau wird ihnen offiziell als „Aufwandsentschädigung für karitativen Einsatz“ von der Schwesternschaft gezahlt. Bei Konflikten zählt ausschließlich die Vereinssatzung.
EU-Leiharbeitsrichtlinie
Im Zuge eines Arbeitsrechtsstreits des Personalrats des Uniklinikums Essen und des Betriebsrats der Ruhrlandklinik über den Einsatz von DRK-Schwestern ließ das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) prüfen, ob die DRK-Schwesternschaften nach europäischem Recht unter die EU-Leiharbeitsrichtlinie fallen. Der EuGH in Luxemburg bejahte dies im November vorigen Jahres: Das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sei anwendbar, wenn eine DRK-Schwesternschaft auf dem Wege eines Gestellungsvertrages eine Vielzahl von DRK-Mitgliedsschwestern einem Krankenhaus überlasse.
Vergangene Woche entschied nun auch das Bundesarbeitsgericht, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt, wenn DRK-Schwestern in einem von Dritten betriebenen Krankenhaus eingesetzt werden, um dort nach dessen Weisung gegen ein Entgelt tätig zu werden.
DRK-Gesetz soll geändert werden
Doch bereits vor der Entscheidung hatten sich Nahles und DRK-Präsident Rudolf Seiters auf eine Ausnahme verständigt. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz finde zwar Anwendung, aber ohne die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. Entsprechend soll das DRK-Gesetz geändert werden. „Dank der zugesagten Ausnahmeregelung wäre auch zukünftig die unbefristete Gestellung von Rotkreuzschwestern möglich“, sagt die Präsidentin des Schwesternschaft-Verbands, Gabriele Müller-Stutzer.
Für den Hamburger Arbeitsrechtsanwalt Klaus Bertelsmann, der bereits mehrere Verfahren zur Gleichstellung der DRK-Schwestern geführt hat, ist die Ausnahmeregelung „unerfindlich“. „Die DRK-Schwestern könnten dann – wie bisher – über Jahre und Jahrzehnte hinweg in anderen Krankenhäuser tätig sein, ohne dort angestellt zu sein“, bemängelt Bertelsmann. Anscheinend sei der Druck der DRK-Leitung auf Nahles groß genug gewesen, „um unsinnige Ausnahmen zu schaffen und auch die absurde Stellung der DRK-Mitgliedsschwestern als Nichtarbeitnehmer nicht anzufassen“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart