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Sondergipfel zum GazakriegArabische Liga lotet Haltung aus

Die arabischen Staaten suchen eine gemeinsame Haltung zum Gazakrieg. Teil einer von Israel entworfenen Nachkriegsordnung will niemand sein.

Solidarität mit Gaza in Kairo, hier am 20. Oktober Foto: ap

Kairo taz | Was ist eigentlich die Position der arabischen Staaten in Sachen Gazakrieg? Um das auszuloten, treffen sich am Samstag die arabischen Präsidenten, Könige und Emire zu einem außerordentlichen Gipfeltreffen der Arabischen Liga in der saudischen Hauptstadt Riad. Es ist der erste arabische Gipfel seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden Krieg im Gazastreifen.

Einige Golfstaaten wie die Arabischen Emirate haben zwar vor wenigen Jahren erst ihre Beziehungen zu Israel normalisiert. Aber alle arabischen Staaten stehen heute unter dem Druck der Öffentlichkeit zu Hause, die mehr von ihrer jeweiligen Regierung erwartet, um den Krieg in Gaza zu beenden.

„Jeden Tag finden in diesem Genozid Kriegsverbrechen statt und der UN-Sicherheitsrat hat bisher keinen Finger gerührt. Es muss eine Resolution der Arabischen Liga geben, weil der UN-Sicherheitsrat seinen Verantwortlichkeiten nicht nachkommt“, erklärte der Vize-Generalsekretär der Arabischen Liga, Hossam Zaki, in einem Interview mit dem ägyptischen Fernsehsender ON-TV.

Es gebe einige Grundpositionen, die nun von den arabischen Staatschefs bestätigt werden sollten. „Das beinhaltet einen Waffenstillstand und die Forderung, dass alle Pläne, Palästinenser aus ihrer Heimat zu vertreiben, abgelehnt werden“, führt der Vizechef der Liga aus.

Hier spiegelt sich die Angst wieder, dass die Palästinenser permanent aus dem Gazastreifen auf die ägyptische Sinai-Halbinsel vertrieben werden. Ein Szenario, das von allen arabischen Staaten – allen voran Ägypten – abgelehnt wird. Die israelische Regierung hatte Ende Oktober bestätigt, dass dieses Szenario in einem internen Dokument eines eher unbedeutenden Ministeriums tatsächlich durchgespielt worden ist.

„Trümmerhaufen mit Hamas-Tunneln darunter“

Außerdem müsse der Tatsache Rechnung getragen werden, dass politische Lösungen wichtiger seien als die Sicherheits-Arrangements, auf die sich Israel derzeit bezieht, fügte Zaki hinzu. Vor allem in Israel und den USA diskutierte Vorschläge, dass nach dem Krieg eine internationale Truppe, vor allem mit arabischer Beteiligung, im Gazastreifen für Sicherheit sorgen könnte, stößt auf große Skepsis.

„Ich möchte daran erinnern, dass jeder im Gazastreifen unter israelischer Besatzung lebt und dass Gaza damit unter die Verantwortung der Besatzer fällt. Und dass es Widerstand gegen diese Besatzung gibt“, erläutert Zaki. In den westlichen Medien würden nun blind die Ideen der Besatzer wiederholt, wer den Gazastreifen später managen soll. „All das sollte mit größter Vorsicht behandelt werden“, sagte Zaki.

Auch bei einem Besuch des CIA-Direktors William Burns vor wenigen Tagen in Kairo und einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi hatte der ägyptische Staatschef betont, dass sein Land keinerlei Rolle bei der Sicherheitsverwaltung des Gazastreifens spielen wolle. Inzwischen ist auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zumindest vorläufig von der Idee einer arabischen Beteiligung abgerückt.

Was der Vizechef der Arabischen Liga noch diplomatisch ausdrückt, fasst der ägyptische Kolumnist Ibrahim Essa in deutlichere Worte: „Wer würde es akzeptieren, den Gazastreifen zu regieren, wenn er nur noch ein Trümmerhaufen ist. Ein Trümmerhaufen an der Oberfläche und Hamas-Tunnel darunter. Wer wäre politisch so dumm und psychologisch so suizidgefährdet, das übernehmen zu wollen?“

Mit dem Gazakrieg ist die Palästinenserfrage wieder ins Zentrum der arabischen Aufmerksamkeit gerückt. Einig sind sich in der Region alle, dass der Krieg gestoppt werden soll. Und keiner in der arabischen Welt scheint derzeit Appetit darauf zu haben, im Gazastreifen Teil einer israelischen Nachkriegsordnung zu werden.

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