Solidarität mit Menschen in Iran: „Wir sind hier unter uns“

Welche Rolle spielt die deutsche Zivilgesellschaft beim Aufstand gegen die Mullahs? Eine zu kleine, wie eine Diskussionsrunde am Gorki Theater zeigt.

Menschen im Dunkeln bei Protesten.

Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini in Teheran am 21. September Foto: ap

BERLIN taz | Ira­ne­r:in­nen fordern mehr Solidarität und Aufmerksamkeit von der deutschen Gesellschaft und Politik. Das konnte man am Dienstagabend im Studio R des Gorki Theaters in Berlin erfahren. Dahin hatten der PEN Berlin und das iranische Netzwerk 6Rang zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Dabei stand vor allem die Frage im Raum: Welche Rolle spielt Deutschland und welchen Beitrag kann die deutsche Zivilgesellschaft leisten?

Bisheriges Engagement reicht nicht aus. Die Menschen im Iran wenden sich gegen ihre Unterdrücker und fordern den Sturz des Mullah-Regimes. Dafür sind sie bereit, alles zu geben. Tausende junge Menschen wurden verschleppt, ihnen droht die Todesstrafe. Hunderte haben bereits ihr Leben verloren.

Doch die Aufmerksamkeit in Deutschland lässt zu wünschen übrig – auf politischer, gesellschaftlicher und medialer Ebene. Darin sind sich die Gäste im Studio R einig. Neben iranischen Aktivistinnen wie Shadi Amin saßen unter anderem der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah und die kommissarische Frankfurter Oberbürgermeisterin von den Grünen Nargess Eskandari-Grünberg auf dem Podium.

Deutschland muss die Revolution als solche anerkennen

Ihre Kritik an der deutschen Politik ist scharf. „Es gibt einen Grund, warum Deutschland schweigt. Die europäische Union hat lange bewusst versucht, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten“, stellt der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fest. Über Wochen hinweg äußerte sich die Bundesregierung nicht zu der Situation im Iran.

Für die Podiumsgäste ist das ein fataler Fehler, doch keineswegs eine Überraschung. Immerhin stehe Deutschland auf Platz 5 der wichtigsten Importländer des Iran. Die Forderung im Gorki ist klar: Das Atomabkommen muss weg. Außerdem müsse die iranische Revolutionsgarde auf die europäische Terrorliste aufgenommen werden und personenbezogene Sanktionen in Kraft treten.

Es sei existentiell wichtig, dass Länder wie Deutschland klare Zeichen setzen und die Revolution als diese anerkennen. „Manche Menschen im Iran sagen: Die Politik im Iran wird nicht im Iran entschieden, sondern im Ausland.“, so Eskandari-Grünberg.

Wo bleibt die Solidarität?

Auch die Solidarität der deutschen Zivilgesellschaft wird thematisiert. Auf den Straßen sehe man kaum Deutsche. „Wir sind hier unter uns. Betroffene solidarisieren sich mit uns, aber die anderen nicht“, erzählt Eskandari-Grünberg. Es sei schön zu sehen, dass Menschen aus Afghanistan und der Ukraine, Kur­d:in­nen und Per­se­r:in­nen zu den Kundgebungen kommen. Der Anteil der Deutschen sei im Gegensatz zu diesen sehr gering. „Ich wünsche mir, dass die Deutschstämmigen wirklich auch mit auf die Straße gehen. Ich möchte, dass uns das alle betrifft.“

Außerdem beklagen die Gäste die mangelnde mediale Präsenz. In Zeiten vieler konkurrierender Krisen sehen sie den iranischen Kampf für Menschenrechte und Freiheit nicht ausreichend thematisiert.

Zudem spricht Shadi Amin auch die iranischen Protestierenden an und warnt: „Die Rechte der LGBTQIA-Community müssen in dieser Revolution geachtet werden.“ Es sei wichtig, dass dieser Kampf auf Inklusivität basiere. Das Momentum dürfe nicht verpasst werden. Im September wurden die lesbischen Aktivistinnen Zahra Sedighi und Elham Choubdar zum Tode verurteilt, wegen „Korruption auf Erden durch die Beförderung von Homosexualität“.

Während die Veranstaltung mit einer Schweigeminute begonnen hatte, in Gedenken an die Opfer und Inhaftierten, stimmten die rund 100 Gäste am Ende der Veranstaltung die Parole der Revolution an: „Jin, Jiyan, Azadi – Frauen, Leben, Freiheit.“

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