Soldaten beklauen Stützpunkt: Krim-inelle bei der Bundeswehr
Vier ehemalige Bundeswehrsoldaten stehen vor Gericht, weil sie Ausrüstung geklaut haben sollen. Zwei Angeklagte planten, die Krimbrücke zu sprengen.
Ein Knicklicht, 15 Funkgeräte, Spezialkopfhörer, eine Handgranatentasche – die Liste des Diebesguts ist lang. Der Staatsanwalt braucht fast eine Viertelstunde, um sie zu verlesen. Später am Tag wird der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Eckernförde eine Frage stellen, die berechtigt klingt: „Da denkt man: Meine Güte, dass das alles in einen Ford Fiesta passt, nich?“
Die Angeklagten sollen zwischen Januar und Mai 2022 an fünf Bundeswehrstandorten, darunter eine Kaserne in Alt Duvenstedt und der Marinestützpunkt Eckernförde, Material im Wert von rund 115.000 Euro gestohlen haben. Das Fluchtfahrzeug war besagter Ford Fiesta, in einem Fall saß die Mutter eines der Angeklagten am Steuer. Angeklagt sind die vier Männer unter anderem wegen Bandendiebstahls und Sachbeschädigung. Die zur Tatzeit 18 bis 21 Jahre alten Männer sind seit 2022 nicht mehr bei der Bundeswehr.
Einem der ehemaligen Soldaten, B., werden zudem Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2022 fanden Beamt:innen selbst gebastelten Sprengstoff und eine „Vielzahl von Schusswaffen, Waffenteile und Munition“, für die er keine Genehmigung hatte. Der Angeklagte wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern.
Aus Wut und Verzweiflung
Zwei seiner Mitangeklagten äußerten sich und räumten ihre Beteiligung an den Diebstählen ein. Der heute 24-jährige ehemalige Minentaucher W. soll ebenso wie B. an allen fünf Einbrüchen beteiligt gewesen sein. W. begründete die Taten auch mit Frust über Missstände in seiner Kompanie. „Das war nicht unbedingt gezielt, war eher Verzweiflung und Wut da in dem Moment“, sagte er über den ersten Diebstahl, den er zu zweit mit G. verübt hat.
Munition und Waffen seien in der Kompanie mehrfach unter den Augen der Vorgesetzten bewusst beiseitegeschafft worden, so W. Zudem seien nationalsozialistische Symbole in der Kaserne geduldet worden, so W. Im Keller hätten eine Reichskriegsflagge, ein Wehrmachtskarabiner und eine Wehrmachtspistole an der Wand gehangen. Zudem hätten die Ausbilder immer wieder Marineangehörige psychisch gedemütigt.
Er habe daher eine Beschwerde bei der Wehrbeauftragten eingereicht und sogar dem Bundeskanzler geschrieben, sagte W. Die Beschwerde sei bei seinen Vorgesetzten gelandet und in seiner Kompanie verteilt worden. Kameraden hätten ihn daraufhin unter Druck gesetzt und bedroht. Auch zwei seiner Mitangeklagten hätten sich über die Zustände in der Kompanie beschwert und seien danach ebenfalls eingeschüchtert worden. „Das haben die deutlich gezeigt, dass wir da fehl am Platz waren“, sagte W. vor Gericht.
Hitlerbild auf dem Handy
Tatsächlich taucht der Marinestandort der Bundeswehr in Eckernförde mehrmals in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag zu rechtsextremistischen, antisemitischen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen bei der Bundeswehr auf. Darin geht es unter anderem um rassistische Äußerungen eines Ausbilders 2023 sowie um Hitler-Bilder, die 2021 auf dem Telefon eines Soldaten gefunden wurden. Die Diebstähle der vier Angeklagten aus 2022 tauchen auch in der Liste auf.
Vor Gericht erwähnte W. dann noch fast beiläufig, „das, was umgesetzt werden sollte in der Ukraine“. Auf Nachfrage der Verteidigung erklärt er, dass er und B. Pläne gehabt hätten, die Krimbrücke zu sprengen. „Weil das eine wichtige Brücke für die russischen Soldaten war und das eine riesige Wendung für den Krieg da genommen hätte.“
Auf die Spur gekommen sind die Ermittler den Angeklagten, weil D. Ausrüstung unter seinem Klarnamen in Onlineportalen angeboten hatte. Daraufhin hatte die Polizei Kiel die Telefone der Hauptangeklagten B. und W. abgehört.
Urteil im Februar
Am Ende des ersten Verhandlungstages geht es noch mal um die lange Liste des Diebesguts. Der Richter fragt den Polizisten, ob auf der Liste auch Dinge stehen, die nicht mit dem sichergestellten Diebesgut übereinstimmen. „Das kann ich so nicht sagen“, antwortet der. Die Liste sei von der Bundeswehr an die Polizei übergeben worden.
Der Prozess war zuvor mehrfach verschoben worden; zuletzt, weil einer der Angeklagten erkrankt war. Zuvor, im Februar dieses Jahres, hatte einer der Verteidiger einen Befangenheitsantrag gestellt, weil einer der Schöffen bei der Marine war. Das Urteil wird für Februar 2025 erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl