Social Gaming in der Hafencity: Odyssee durchs Elphie-Archipel

Ganz Hamburg steht im Spiel „Botboot“ unter Wasser. Wer mitspielt, lernt, wie man sich gemeinsam an die neuen Bedingungen anpassen kann.

Über die Schulter einer Person ist eine App auf einem Smartphone zu sehen

Unterstützung bei der Navigation durch die untergegangene Stadt: Botboot auf einem Smartphone Foto: Imagine the City

HAMBURG taz | Ganz Hamburg steht unter Wasser, nur einzelne Inseln stechen noch aus der Weite des Meeres hervor. Manche von ihnen sind noch als Dachterrasse eines Hochhauses zu erkennen. Auf Booten – mal eine Luxus-Yacht, mal nur eine Luftmatratze – bewegen sich Menschen fort – allein auf dem Meer. Das zumindest ist die dystopische Zukunftsvision auf der Webseite botboot.de. Entwickelt hat die Web-App der Spieledesigner Sebastian Quack mit einem Team im Rahmen des Kulturprogramms „Imagine The City“ der Hafencity-Kuratorin Ellen Blumenstein und des Sommerfestivals von Kampnagel.

Mit der Web-App können Spieler*innen kostenlos und ohne Anmeldung mit dem Smartphone die Stadt Hamburg erkunden und sich dabei auf die Spuren der griechischen Mythologie begeben. Vier Kapitel oder Level mit unterschiedlichen Aufgaben müssen sie bewältigen, um ein fünftes Kapitel freizuschalten, das sie ans Ziel bringt: „Dryland“.

Begleitet werden sie dabei von ihrem technischen Gefährten Botboot, der über einen Chat mit ihnen kommuniziert. Zwei der Kapitel führen zu unterschiedlichen Orten in der Hafencity, die zwei anderen können an jedem beliebigen Ort der Welt gespielt werden.

Im Kapitel „Odyssee in Hafencity“ will Botboot verstehen, wie es ist, Odysseus zu sein. Die Mitspielenden werden sein Körper und ziehen von Station zu Station. So erfahren sie mehr über den alten Seefahrtmythos und lösen Aufgaben: Auf Ismaros zum Beispiel sprechen sie einzelne Verse des Originalepos ein und verbinden sie mit den von anderen Spieler*innen eingesprochenen Versen in ein großes Ganzes. Und lernen dabei ganz nebenbei, was ein Hexameter ist.

Während der Reise finden sich Überbleibsel der alten Stadt, die für den Bau eines Monuments verwendet werden können

Das Kapitel „Fools of Hamburg“ ermöglicht es, eine eigene Insel zu errichten und Inseln anderer Spieler*innen zu besuchen. So generieren sie gemeinsam eine Inselwelt und entwickeln diese immer weiter. Währenddessen finden sich verschiedene Gegenstände, Überbleibsel der alten Stadt, die für den Bau eines Monuments verwendet werden können. Aber Achtung: Nichts hält ewig.

In „Das Gesellschaftsschiff“ befreien Spieler*innen ihren technischen Gefährten gemeinsam aus einem Albtraum. Und in „Waterworld-Piraten“ besucht man Menschen „mit unterschiedlichen (Über-)Lebenskonzepten“, um auf den Meeresgrund zu tauchen. Insgesamt bieten die verschiedenen Abenteuer mindestens acht Stunden Spielspaß, die die Spielenden selbstständig aufteilen können.

Vorerst soll Botboot etwa ein halbes Jahr lang verfügbar sein. Wenn es gut angenommen wird, könnten noch weitere Kapitel oder ein Sequel dazukommen, sagt Kuratorin Blumenstein. Außerdem sei es so angelegt, dass es immer verändert werden könne, erklärt Programmierer Quack.

„Botboot“ kann vorerst bis zum 21. 2. 21 über www.botboot.de kostenlos und ohne Anmeldung gespielt werden

Mit dem Spiel möchte das Entwickler*innenteam auch Kulturgeschichte näherbringen: „Adventuregames sind ohnehin ähnlich wie eine Odyssee aufgebaut: Die Crew wird beispielsweise in Schweine verwandelt und dann muss man überlegen, was man als Nächstes tut. Plötzlich erscheint eine Göttin mit einem Zaubertrank und letzten Endes erhält man seine Crew zurück“, sagt Blumenstein. „Mythen sind deshalb so zeitlos, weil sie menschliche Ängste, Bedürfnisse und Handlungen in eine Form bringen, die für jeden unmittelbar erfahrbar ist.“

Während über die Hintergrundhandlung zwei Jahre lang nachgedacht wurde, entwickelte das Team die konkrete Form des Spiels dann in rund einem halben Jahr. Deshalb habe es auch einen Coronabezug, sagt Quack: „Es passt zu den Modi von Social Distancing. Auch auf dem Ozean von Botboot herrschen zwei Extreme: Einerseits sind die Menschen körperlich weit entfernt voneinander, andererseits besteht große Nähe, wenn sie zusammen sind und sich vertrauen müssen.“ Im Spiel könnten einige Aufgaben nur gemeinsam mit anderen bestritten werden. Empfehlenswert sei es deshalb auch, „Odyssee in Hafencity“ zu zweit zu spielen.

Mit dem „digitalen Kunstprojekt“, wie Quack es nennt, wolle er die Spielenden ganz allgemein dazu anregen, über ihre Stadt nachzudenken, sich zu fragen, was Geschichte bedeutet und wie sie im heutigen Stadtraum sichtbar wird.

Langeweile und Lagerkoller kann man mit dem Spiel jedenfalls gut überwinden. Und zu lernen, wie man auf dem Ozean der Stadt Stürme besser übersteht und dabei eine neue Orientierung gewinnen kann: Das tut man ja derzeit wirklich mal fürs Leben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.