So überprüft die Regierung NGOs: Das ist die Haber-Methode
Mindestens 51 Demokratieprojekte wurden seit 2004 vom Verfassungsschutz kontrolliert. Die Überprüfung kann per Email angefordert werden.
Der Erlass aus dem Bundesministerium des Innern hat sieben Seiten, doch auf dreien davon stehen nur Adressen. Auf den weiteren vier Seiten ist dagegen geregelt, wie die Bundesregierung etwa Demokratieprojekte vom Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen lassen kann: Das ist der Haber-Erlass.
Die taz hatte Mitte Mai berichtet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2004 allein im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ingesamt 51 Förderträger und -projekte im Auftrag der Bundesregierung auf verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse überprüft hatte. Das hatte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Linksfraktion) mitgeteilt. Die betroffenen Organisationen, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums etwa Gelder zur Rechtsextremismusbekämpfung erhielten oder beantragen wollten, hatten daraufhin öffentlich gefordert, diese Praxis einzustellen.
Nun hat das Auskunftsportal „Frag den Staat“ im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz den Erlass angefordert, der die genaue Praxis beschreibt – und die Bundesregierung hat zügig geantwortet. Das gesamte Dokument ist an dieser Stelle einzusehen.
Es reicht eine Email
In dem Schreiben vom Februar 2017 an die Staatssekretärinnen und -sekretäre der Bundesministerien formuliert die damalige Innenstaatssekretärin Emily Haber, die inzwischen deutsche Botschafterin in Washington ist, das Prozedere zur Überprüfung durch den Verfassungsschutz auf Wunsch der Bundesregierung. Demnach haben sämtliche Ministerien grundsätzlich die Möglichkeit, Organisationen, Projektträger oder einzelne Personen vom Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Dazu genügt es, eine Email an eine bestimmte Stelle innerhalb des Bundesamtes zu senden.
Die Praxis zielt darauf ab, Projekte zu überprüfen, die in den Genuss staatlicher Förderung kommen oder Interesse daran signalisieren, etwa im Kampf gegen Rechtsextremismus. Überprüft werden kann jedoch bereits, wer eine sogenannte „immaterielle Förderung“ erhält. Als solches wird schon angesehen, wenn Vertreter eines Bundesministeriums sich an Podien oder Diskussionsforen beteiligen.
Podiumsdiskussion reicht
In dem Schreiben heißt es dazu: „Extremisten nutzen solche Veranstaltungen z.T. gezielt, um mittels einer für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Nähe zu Bundesbheörden den Anschein staatlicher Akzeptanz zu erwecken.“ Bereits bei der Teilnahme an einem Podiumsgespräch kann ein Ministerium also eine Überprüfung anfordern. Ziel der Praxis sei es, so heißt es, „eine missbräuchliche Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu verhindern“.
Das Schreiben regelt allerdings auch, dass im Rahmen der Anfrage keine personenbezogenen Informationen seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz an die Ministerien weitergegeben werden dürfen. Zur Konkretisierung oder bei Rückfragen müssen sich die anfragenden Ministerien dann direkt an das Bundesinnenministerium wenden, das bei Bedarf weitere und tiefergehende Informationen vermitteln kann. Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilt den einzelnen Ministerien lediglich mit, ob verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse zu einer angefragten Person oder Organisation vorliegen.
Wenn dies der Fall sei, so heißt es in dem Schreiben, bedeute dies, „dass aus Gründen des Schutzes der verfassungsmäßigen Ordnung Maßnahmen unter Einbindung der angefragten Organisationen / Person nicht angezeigt sind.“
Allerdings wird dagegen in dem Schreiben ebenfalls betont, dass die Entscheidungskompetenzen der einzenen Ministerien vom Ergebnis der Prüfung nicht berührt seien. Auch sei die Möglichkeit einer Überprüfung lediglich ein „Angebot“. Wie stark es genutzt wird, hängt also von den einzelnen Ministerien der Bundesregierung ab. Das Bundesfamilienministerium nutzte die Möglichkeit offenbar gerne.
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