„So“ – ein Wörtchen mit Potenzial: So zu behandeln wie jede andere Opposition auch
Mit zwei Buchstaben lässt sich mehr sagen, als man denkt. Und manchmal auch etwas, das man nicht mal denken mag: etwa die Brandmauer einzureißen.

G roßgetöse um Großkampfbegriffe ist immer. Unterhaltsam kann aber auch sein, dem Geraschel zuzuhören, das weniger laut polternde Geister auf kleinstem Raum entwickeln. Beispielsweise dem kleinen „so“.
Eigentlich ein ausnehmend hübscher Anblick, wie das o vom s sanft angeschoben wird, hat es das „so“ aber faustdick hinter den Ohren. Es ist ein Chamäleon, ein Hochstapler, ein Opportunist. Einerseits ist das schlichte „so“ so schön offen für Interpretation, lässt jede Menge Spielraum („Ich sage mal so …“, „Das kann man so und so sagen“, „So ist das Leben“, „Sodele“).
Gleichzeitig kann es Repressionsmaßnahme sein, die dem Spaß ein Ende bereitet („So kommen wir nicht weiter“, „So nicht, Freundchen“, „Das lassen wir jetzt mal so stehen“). Zweimal hintereinander gesprochen, drückt das „so“ zweifelnde Zustimmung aus, die auch nach einer Drohung klingen kann. Spricht man sein s eher als z und hält das o zackig kurz, lässt sich damit auf alle Fälle Autorität demonstrieren, die Durchsetzungsstärke signalisiert.
Auch die TV-Moderator*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Markus Lanz bis Maybritt Illner nutzen das „so“ inzwischen so, wenn sie klarmachen wollen, dass einer ihrer Gäste den Punkt gemacht hat, zu dem sie sowieso kommen wollten oder den Redefluss unterbrechen wollen, ohne eigene Sätze über das Palaver zu sprechen, bei dem niemand mehr ein Wort versteht.
Genug mit Gockelhaftigkeit
Mutmaßlich hat die Talkregie ernst genommen, dass viele Zuschauer*innen nicht nur der Floskel- oder Gockelhaftigkeit der Diskutierenden überdrüssig sind, sondern vor allem abschalten, wenn Diskutant*innen und Moderator*innen sich gegenseitig auf die Tonspur sprechen. Der Empörungslust und Prügelbereitschaft auf Social Media steht anderenorts ganz offensichtlich wieder ein größeres Bedürfnis nach unaufgeregten, gut argumentierenden und informierten Gesprächen gegenüber.
Weil Ostern ist, wollen wir die Bibel reinholen und erinnern an Jesaja 55,11. Dort heißt es: „So soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“
Als Politiker*in hat man diesen Bibelvers wahrscheinlich als Poster über dem Bett hängen, und auch das „so“ nutzen sie als Wort, das nicht leer zu ihnen zurückkommen soll, sondern tun, wozu sie es senden.
Zuletzt hatte Friedrich Merz mit dem kleinen „so“ klargemacht, wer der Chef ist: „Das haben wir so nicht verabredet“, erwiderte er auf die Aussage von SPD-Chef Lars Klingbeil, der Mindestlohn 2026 werde auf 15 Euro steigen.
Auch Boris Pistorius nutzte das „so“, um eine Chefansage zu senden, und zwar in Richtung des seit sechs Monaten als mutmaßlich nächster Bundeskanzler gehandelten CDU-Chefs. Dieser hatte gesagt, er werde Marschflugkörper für die Ukraine nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern liefern. „Ich kenne keinen europäischen Partner mit einem solchen System. Von daher ist das mit der Abstimmung auch so eine Sache“, ließ Pistorius wissen.
Wer „so“ sagt, hat ausweislich des deutschen Sprichworts noch lange nicht fertig. Das „so“ ist derzeit das Wort, das den Zukunftskurs der CDU anklingen lässt. Jens Spahns Rat lautet nämlich, mit der AfD „so umzugehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“.
Wird der So-Umgang mit Rechtsradikalen tun, was Jens Spahn gefällt, und wird ihm gelingen, wozu er es gesendet hat? Oder wird der So-Umgang die CDU dahin führen, wo die Republikaner längst sind: am Ende. Es kann so oder so ausgehen. Fest steht nur, dass Rechtspopulisten à la Trump Verbrecher sind, die wie Bert Brechts zynischer Gangster Mackie Messer klingen: „Es geht auch anders, doch so geht es auch.“
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