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Smartphones an SchulenDeutliche Empfehlung, aber kein Verbot

Hamburg und Niedersachsen legen Muster-Regelungen für Handys an Schulen vor, Regeln sollen die Schulen selbst erlassen. Eltern dauert das zu lang.

Soll für Grundschüler künftig verboten sein: Handy im Unterricht Foto: Daniel Reinhardt/dpa
Kaija Kutter

Aus Hamburg

Kaija Kutter

Für Grundschulen ist die Empfehlung eindeutig: Dort haben private Handys der Kinder nichts zu suchen, finden Hamburgs Schulsenatorin Ksenja Bekeris (SPD) und ihre niedersächsische Amtskollegin Julia Hamburg (Grüne).

An weiterführenden Schulen sieht das ab Klasse 7 schon anders aus. Hier könnten die Schulen „endgerätefreie Zeiten und Zonen“ festlegen. Statt starrer Verbote seien „differenzierte Empfehlungen“ besser, so die Botschaft der beiden Politikerinnen, die am Donnerstag in Hannover gemeinsam vor die Presse traten.

Die Handynutzung an Schulen ist ein bundesweit umstrittenes Thema. Zum Schuljahrbeginn zeichnete sich ab, dass mit Bremen, Hessen, Thüringen, Brandenburg und dem Saarland gleich fünf Bundesländer strenge Handyregeln einführten. Dort dürfen private Smartphones auf dem Schulgelände nicht mehr genutzt werden. In Bremen und Hessen gilt dieses Verbot auch für die weiterführenden Schulen, ausgenommen sind die Oberstufen.

In Hamburg hätten sich schon 85 Prozent der Schulen „auf den Weg gemacht“ und selbst Handyregeln entwickelt, hielt Bekeris dem nun entgegen. Man wolle den Schulen nicht ihre Konzepte kaputtmachen, sondern sie mit „klaren Leitplanken“ unterstützen, die rechtssicher und pädagogisch fundiert sind. „Pauschale Verbote sind hingegen nicht zielführend“, sagte Bekeris. „Sie verfehlen die gewünschte Wirkung“.

Viele nutzen Handys trotz Verbot

Mit den nach Alter differenzierten Empfehlungen gebe man den Schulen „praxisnahe Werkzeuge in die Hand“, ergänzte Hamburg. Diese sollen die Regeln selbst entwickeln und dann in ihrer Haus- oder Schulordnung verankern. Dies soll innerhalb eines Jahres geschehen. Schulen, die bereits Regeln haben, sollen diese „reflektieren“, sagte Bekeris. Sie höre von Schulen, die das Handy aus allen Klassenstufen verbannen, sehr Positives: „Es gibt ein größeres soziales Miteinander. Es wird wieder Tischtennis gespielt und Skat.“

Die Handreichung verweist indes auch auf eine OECD-Studie. Demnach nutzen rund 29 Prozent der Schüler ihre Handys trotz Verbots weiter und 43 Prozent fühlen sich ohne ihr Gerät unwohl. Ein generelles Verbot sei wegen Grundrechten wie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung „rechtlich kaum haltbar“, heißt es dort. Die Nutzung sei jedoch einschränkbar, „etwa durch schulinterne Regelungen“.

Es gibt ein größeres soziales Miteinander. Es wird wieder Tischtennis gespielt und Skat

Ksenia Bekeris, Hamburgs Schulsenatorin (SPD)

Auch dieses 40-seitige Papier verweist jedoch auf die Risiken der übermäßigen Nutzung. Kinder im Grundschulalter benötigten vor allem analoge Erfahrungen, Bewegung und direkte Kommunikation. Man habe immer mehr mit Entwicklungsstörungen zu tun, warnt die Göttinger Kinderärztin Tanja Brummert, die als Expertin an den Empfehlungen mitwirkte. „Das hängt deutlich mit dem Medienkonsum zusammen.“

Im Grundschulbereich wird in Hamburg und Niedersachsen denn auch fortan die Nutzung privater mobiler Endgeräte „ausdrücklich nicht empfohlen“. Für die auch in den unteren Klassenstufen notwendige Auseinandersetzung mit der digitalen Lebenswelt sollten schuleigene Medien verwendet werden.

Festlegungen für den Schulhof

Für die Klassen 5 und 6 wird diese strenge Haltung ebenfalls empfohlen. Ab Klasse 7 ändert sich das. Hier soll die private Nutzung im Unterricht weiterhin untersagt bleiben. Zudem empfiehlt das Papier die Festlegung von „Zeiten und Zonen“ für die Nutzung auf dem Schulhof, etwa in markierten Bereichen. In der Oberstufe sollen dann private Smartphones im Unterricht erlaubt sein.

Die Initiative „Smarter Start ab 14“, in der sich Tausende Eltern vernetzt haben, die ihren Kindern vor dem 14. Geburtstag kein Smartphone geben wollen, ist etwas skeptisch. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass man die Schulen nun in der Frage unterstützt, wie man mit den privaten digitalen Endgeräten umgehen soll“, sagt Sprecher Tobias Winbrake. „Allerdings ist die Smartphone-Nutzung an Schulen für uns primär ein Gesundheitsthema, kein Bildungsthema.“ Insofern habe man sich gewünscht, dass ein verbindlicher Schutz für die Schüler möglichst schnell und einheitlich eingeführt wird, so wie es in Hessen geschehen ist, sagt er.

Die Motivation hinter dem „partizipativen Ansatz“ sei verständlich, sagt Windbrake. Er habe jedoch den Nachteil, dass ein weiteres Jahr verstreicht, bevor jede Schule eine individuelle Regelung auf den Weg bringt. Die Erfahrung zeige auch, dass das Papier einer Hausordnung geduldig sei, „während die Anziehungskraft der Smartphones unglaublich groß ist – bis hin zur Sucht“. Die einzige verlässliche Methode, um die private Nutzung zu minimieren, sei das „Away for the day“-Konzept. Dabei werden die Geräte während des Schultages in Handygaragen oder verschließbaren Handytaschen verwahrt.

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