Slow Food in Uganda: Kentucky Fried Maniok
Der neue Vorsitzende der weltweiten Slow-Food-Bewegung kommt aus Uganda. Kein Zufall: Das Land setzt auf biologischen Anbau.
„Ich habe viele Stunden Gartenarbeit leisten müssen“, erinnert er sich, „weil ich immer zu spät zum Unterricht kam.“ Bereits als 16-jähriger Sohn einer Bauernfamilie hatte er sich vorgenommen, die Strafarbeit auf dem Schulacker zu ändern. Er brachte Samen von zu Hause mit und überredete seine Freunde, den Schulgarten mit neuen Gemüsesorten auf Vordermann zu bringen. Von da an schmeckte das Schulessen besser.
Zwanzig Jahre später sitzt Mukiibi in einem Gartenrestaurant hinter der Katholischen Kirche im Stadtviertel Nsambya, hoch oben auf einem der zahlreichen Hügel von Kampala. Mit seinen Projekten war Mukiibi in Uganda so erfolgreich, dass er dieses Jahr zum internationalen Präsidenten der Organisation Slow Food mit Sitz in Turin gewählt wurde. Die weltweite Graswurzelbewegung ist in den 1980ern in Italien entstanden und mittlerweile in 160 Ländern aktiv. Ihr Ziel: Nachhaltig globale Ernährungssicherheit herstellen und Biodiversität erhalten, indem regionale Lebensmittel mithilfe traditioneller, biologischer Verfahren angebaut werden.
Mukiibi bestellt Matooke – Kochbananen, mit Gemüse und Nusssoße – eine ugandische Spezialität, die schon Kleinkinder vorgesetzt bekommen. Restaurantbesitzerin Betty Nakato kommt persönlich zum Tisch, um Mukiibis Bestellung aufzunehmen. Sie begrüßen sich herzlich.
Gekocht wird, was auf den Äckern wächst
Die ältere, füllige Frau ist Mitglied in Ugandas Slow-Food-Verband für Köche. Mukiibi will mit seiner Initiative in den zahlreichen Restaurants der Hauptstadt wieder mehr heimische Gerichte anbieten, gekocht mit dem, was auf den Äckern der Bauern wächst.
Nur einen Steinwurf entfernt, im Partyviertel Kabalagala mit den zahlreichen Pizza- und Burgerrestaurants, Sportbars und Diskotheken, hat die US-amerikanische Kette Kentucky Fried Chicken aufgemacht, wo fünf Chickenwings umgerechnet fast 10 Euro kosten. Ein Vermögen für die Ugander. „Die reichen Leute gehen zu KFC, weil sie dem westlichen Lebensstil nacheifern“, sagt Mukiibi.
„Dabei haben sie keine Ahnung, was sie da zu sich nehmen.“ Mittlerweile sind auch in Uganda westliche Volkskrankheiten wie Diabetes und Übergewicht auf dem Vormarsch. Mukiibi will das ändern, sagt er und zeigt gen Osten: „Dort draußen in den Dörfern ist der Wandel schon in vollem Gange.“
Uganda mit seinen fruchtbaren Böden und dem milden Tropenklima entlang des Äquators gilt als der Gemüsegarten Afrikas. UN-Hilfsagenturen wie das Welternährungsprogramm (WFP) kaufen hier ein, um die Geflüchteten in den Lagern der umliegenden Krisengebiete wie Somalia, Südsudan, Kongo oder Äthiopien zu ernähren.
Die extreme Dürre der letzten Monate in Ostafrika hat die Zahl der Hungerleidenden enorm ansteigen lassen. Über 21 Millionen Menschen haben nicht genügend zu essen, und es ist kein Ende in Sicht. Die Böden sind trotz einsetzender Regenzeit zu ausgetrocknet, um säen zu können. So wird es auch in naher Zukunft keine Ernte geben. Hilfswerke warnen vor einer Hungerkatastrophe.
Noel Nanyunjas Gemüsegarten in einem kleinen Dorf im Speckgürtel der Hauptstadt Kampala wirkt hingegen, als hätte es keine Dürre gegeben. Die Bananenstauden sind knallgrün, die Paprika leuchten feuerrot und der Kürbisstrauch trägt gelbe Blüten. Die Bäuerin mit den violett gefärbten, kurzen Haaren steht barfuß zwischen Rosmarin und Frühlingszwiebeln und harkt Unkraut. Schweiß rinnt ihr über die Stirn. Trotz der mittlerweile einsetzenden Regenzeit brennt die Sonne. Doch ihr Ackerboden ist nicht trocken, im Gegenteil: Regenwürmer ringeln sich darin, er riecht nach Torf.
Nanyunja zeigt nach oben auf den Avocadobaum, die Kaffeesträucher und die Bananenstauden, die dazwischen emporwachsen und dem Acker Schatten spenden, sodass der Boden die Feuchtigkeit halten kann. „Unsere traditionelle dreidimensionale Anbauweise hat uns vor dem Hunger bewahrt“, sagt sie und deutet auf die Bohnenranken und Jampflanzen, die sich an den Stauden emporschlängeln. „So haben schon meine Urgroßeltern angebaut“, sagt sie lachend.
Noel Nanyunja, Bäuerin
Die 60-Jährige ist Gründungsmitglied von Slow Food in Uganda und Vorsitzende der Frauengruppe im Bezirk Mukono, 30 Kilometer westlich von Kampala. Darin organisieren sich die Bäuerinnen, um traditionelles Wissen über die afrikanischen Anbauweisen zu bewahren und weiterzugeben. „Wir tauschen auch Samen“, sagt sie und pflückt eine grau-braune Jamknolle. „Diese extrem trockenheitsresistente Sorte war fast ausgestorben“, sagt sie. „Jetzt pflanzen wir sie wieder an.“
Uganda ist eines der wenigen Länder Afrikas, das eine radikale Trendwende hingelegt hat. Bis vor wenigen Jahren setzte die Regierung noch auf den Ausbau der industrialisierten Landwirtschaft. Ausländische Investoren wurden eingeladen, Soja-, Reis- oder Maisplantagen anzulegen – Monokulturen unter Einsatz von Chemikalien. Im Jahr 2015 hatte der Agrarkonzern Monsanto in Kampala ein Büro eröffnet, hybride Samen an die Kleinbauern in Mukono verteilt und Werbung für das Pflanzengift Glyphosat im Radio geschaltet. Ugandas Präsident Yoweri Museveni, selbst leidenschaftlicher Farmer und im Besitz der größten Rinderherde Ostafrikas, pries stolz seine Biochemiker. Diese züchteten in neu errichteten Forschungslaboren in Mukono genetisch manipulierte Bananensorten und versuchten, die heimischen Langhornkühe mit europäischen Kühen zu kreuzen, um den Milchertrag zu steigern.
Dann gründete Mukiibi im Jahr 2015 in Mukono ein Landesbüro der weltweiten Slow-Food-Bewegung. Die NGO übte scharfe Kritik an einem von Museveni geplanten Gesetz, um genetisch manipulierte Nahrungsmittel zuzulassen. Das machte den 76-jährigen Präsidenten hellhörig. „Er hat uns zugehört“, erinnert sich Mukiibi an das Treffen mit Museveni im Jahr 2016: „Wir erklärten ihm, dass seine Langhornkühe aussterben, wenn die Regierung diesen Weg geht.“
Das hat gewirkt. Kurz darauf war das Gesetz vom Tisch. Monsanto schloss das Büro und Museveni rief die Nationale Agrarökologiestrategie aus, in welcher er die Kleinbauern unterstützen wollte, um wieder heimische Sorten anzubauen, ohne Chemie und ohne Gentechnik. „Esst Maniok statt Brot“, hatte er im Mai den 42 Millionen Ugandern geraten, als die Weizenpreise auf dem Weltmarkt aufgrund des Ukrainekriegs in die Höhe schnellten und die Regenzeit in Ostafrika ausfiel. Mit Erfolg: Uganda blieb bislang von der Hungerkatastrophe weitgehend verschont.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Bäuerin Nanyunja winkt, ihr zu folgen. Hinter einem Holzverschlag, in dem Ziegen und Hühner übernachten, häuft sich Kompost, Küken picken im Unrat: „Unsere Hausabfälle, der Ziegen- und Hühnermist sowie die Asche von unserem Holzkohleofen machen die richtige Mischung“, erklärt sie. „Der Kompost darf in keinem Biogarten fehlen.“
Slow Food will Schulgärten reformieren
Nanyunjas Acker dient für Slow Food Uganda als Modellgarten. Hier trainiert die Bäuerin junge Mitstreiterinnen, aber auch Lehrer und Lehrerinnen aus den umliegenden Schulen, die ihre Schulgärten umstrukturieren wollen, ganz nach Mukiibis Idee. Er hat sich als Ziel gesetzt, mit seiner NGO mindestens 10.000 Schulgärten in Afrika zu reformieren.
Auch Biologielehrer Mathias Kasaga hat sich hier vor vielen Jahren von Bäuerin Nanyunja den Bioanbau erklären lassen. Jetzt kniet er im blauen Poloshirt mit drei seiner Schüler auf dem Karottenbeet hinter dem Schulgebäude der Kibirige-Memorial-Grundschule und gräbt Möhren aus. „Das ist die letzte Ernte vor den Weihnachtsferien“, erklärt er. Bevor die Schule bis Februar dichtmacht, müsse er noch neues Gemüse aussäen, sagt er. „Damit wir wieder etwas zu essen haben, wenn das Semester beginnt.“
Wie viele Schulen und Internate in der Umgebung ist auch die Kibirige-Memorial-Grundschule Mitglied bei Slow Food. Die rund 250 Grundschüler bauen hier nicht nur ihr eigenes Schulessen an, sondern lernen von Kasaga auch, wie man biologische Landwirtschaft betreibt.
Kasaga zeigt auf den 16-jährigen Brandon, einen drahtigen Jungen, der neben ihm kniet und Unkraut rupft. Er sei für den Schulgarten verantwortlich. Eine Strafarbeit? Brandon lacht: „Nein, uns allen macht die Arbeit sehr viel Spaß“, sagt er. Er selbst wolle Bauer werden, deswegen habe er unbedingt diese Schule besuchen wollen. „Hier lerne ich alles, was ich dafür brauche.“
Uganda hat eine der höchsten Geburtenraten weltweit, die Jugendarbeitslosigkeit ist enorm. Als Teil der neuen Agrarpolitik bemüht sich die Regierung, der Jugend die Landwirtschaft als Berufsbild schmackhaft zu machen. Die Slow-Food-Bewegung sorgt dafür, dass nachhaltige Landwirtschaft immer beliebter wird: „Meine Eltern haben immer viel Chemie gesprüht“, berichtet Brandon. Auf dem Gemüseacker der Schule habe er gelernt, biologischen Dünger und Insektenschutz anzuwenden. „Das habe ich meinen Eltern beigebracht“, sagt er und lächelt verlegen.
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