Skurrile Essenspräsentation: Wir! Wollen! Teller!
Kreative Restaurants servieren Essen in Hundenäpfen, Schuhen oder Waschbecken. Der Brite Ross McGinnes sammelt diesen Horror auf Twitter.
Kreativität ist ein fluides, störrisches Ding, ungefähr so zähmbar wie ein Bündel junger Katzen. Braucht man sie, schaut sie einen geistesabwesend mit dem Hinterteil an. Genauso wenig lässt sie sich zurückhalten: Wo immer geistige Unterforderung unbesetzten Raum bietet, da macht sich Kreativität breit – und nutzt gnadenlos die menschliche Schwäche aus, etwas Besonderes erschaffen zu wollen.
Muss man Essen denn unbedingt auf Tellern servieren, fragte sich irgendwann ein von sich selbst gelangweilter Chefkoch. Kann man da nicht was … Originelleres benutzen? Denn, hey: What could possibly go wrong?!?
Tja, ziemlich viel. Denn kreativ ist leider nicht zwingend gleich gut. Auf dem Höhepunkt der Vollbart-Hipstermode gehörten Marmeladengläser, Schiefertafeln und Holzbretter auf einmal zum Standard-Inventar sich individuell fühlender Restaurants von Brooklyn bis Berlin.
Dass das nur die Spitze des Eisbergs ist, zeigt Ross McGinnes. Der Brite führt seit 2015 einen Kreuzzug gegen die Scheußlichkeiten der Essenspräsentation und zeigt diese auf seinem Twitter-Account @WeWantPlates, garniert mit trockenen Kommentaren.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Bügeleisen, Klemmbretter, Damenschuhe
Da wird Brot in einem Korb aus Legosteinen serviert und Beef Wellington, aufgespießt auf Stacheldraht. Es gibt Essen in und auf Spielzeuglastern, Schaufeln, Bügeleisen, Klemmbrettern, in kleinen Einkaufswagen und in Schuhen, immer wieder in Schuhen: Flipflops, Clogs, Pumps – alles kann, nichts sollte. Sogar bei einem gemeinsamen Dinner von Shinzo Abe und Benjamin Netanjahu vor rund einem Jahr wurde der Nachtisch in Herrenschuhen serviert.
Ein anderes Problem sind Pint-Gläser. Gegen die ist an sich natürlich nichts einzuwenden – es sei denn, es sind Spaghetti Bolognese darin. Und in welchem Kreis der Hölle serviert man Erbspüree in einer Sauciere? Oder verwendet ein Holzbrett ohne Rand für Pfannkuchen, die mit flüssigem Sirup übergossen werden? Es mag irre klingen, aber es gibt gute Gründe, warum Dinge gewisse Formen haben.
@WeWantPlates hat über 150.000 Follower, und Ross McGinnes bekommt immer neues Bildmaterial aus aller Welt zugesandt. Seine Mission ist noch lange nicht vorbei. Denn die Rechnung kommt zum Schluss. Im schlimmsten Fall in einer Schreibmaschine.
Als Buch Ross McGinnes: „We Want Plates“, Prestel Verlag, London 2017, £ 8,99.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen