Skandal um goldene Reisepässe in Zypern: EU-Eintrittskarte für die Unterwelt
Abgeordnete werden dabei gefilmt, wie sie vermeintlich Kriminellen Hilfe beim Erlangen eines EU-Passes anbieten. Der Fall zieht weitere Kreise.
Beide Parlamentarier sind tief in einen Skandal verstrickt, der weit über die Grenzen des EU-Mitglieds Zypern hinausreicht. Es geht dabei um die Vergabe der zyprischen Staatsbürgerschaft im Tausch gegen Investitionen in Höhe von jeweils mindestens 2,5 Millionen Euro auf der Insel. Dieses Programm, offiziell genannt „Staatsbürgerschaft gegen Investment“, hat Zypern schon etwa 8 Milliarden Euro eingebracht. In den vergangenen zehn Jahren sollen so mehr als 3.500 Personen, mehrheitlich Russen und Chinesen, dank „goldener Reisepässe“ zu Europäern geworden sein.
Verdeckte Ermittlungen des TV-Senders Al Jazeera English (AJE) legen nun nahe, dass es auch Kriminellen leicht gemacht wird, so eine Eintrittskarte in die EU zu erwerben. Die Reporter gaben sich als Abgesandte eines reichen Chinesen aus, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Korruption zu sieben Jahren Haft verurteilt worden sei und gerade noch rechtzeitig nach Hongkong habe fliehen können. Sie trafen sich auf Zypern mit Immobilienhändlern, einem Rechtsanwalt und den beiden Abgeordneten – und alle Beteiligten machten dabei deutlich, dass die Vorstrafen kein großes Problem darstellen würden. Und: Sie filmten die Gespräche mit verdeckter Kamera.
So wurde den beiden Reportern eine Investition in „Sun City“ ans Herz gelegt, eine Villa dort sollte 3,8 Millionen Euro kosten. Das Projekt eines Luxusresorts wird von der Giovanis Group vorangetrieben, einer Firma, der der linke Politiker gleichen Namens vorsteht. Die Tatsache, dass der fiktive chinesische Betrüger kein sauberes Führungszeugnis würde vorlegen können – eigentlich eine Voraussetzung für den Erwerb der zyprischen Staatsbürgerschaft –, sei zwar ein „Problem“, so die Gesprächspartner, ließe sich aber überwinden.
Sogar eine Namensänderung sei möglich
Sogar eine Namensänderung im Pass des Chinesen sei möglich – eine paradiesische Vorstellung für Kriminelle. Und eine Beschleunigung des Falls auf wenige Tage sei auch drin, wenn eine Akte von unten ganz nach oben gelegt werde. Man habe schon vielen Personen geholfen. „Wir sind auf Zypern!“, sagte lachend der Anwalt über die Wege, Dinge so zu bereinigen, dass der ersehnte Pass ausgestellt werden könnte.
Nach Veröffentlichung des Materials stritten die Beteiligten jeden Versuch einer kriminellen Handlung ab. Vielmehr hätten sie die Gespräche nur zum Schein geführt, um die Informationen danach der Antikorruptionsbehörde weiterzugeben.
Nach Bekanntwerden der AJE-Recherche auf Zypern fuhr ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel schweres Geschütz auf: Man habe „ungläubig gesehen, wie hochrangige Staatsvertreter Staatsbürgerschaften für finanzielle Gewinne eintauschen“. In einer Dringlichkeitssitzung beschloss die Regierung in Nikosia am 13. Oktober, das Programm mit den „goldenen Pässen“ „in der jetzigen Form“ zum 1. November einzustellen. Was das genau bedeutet, blieb unklar. Allerdings warnte die Regierung Unternehmen vor einer weiteren Werbung für die „goldenen Pässe“: Diese könne mit Geldstrafen von bis zu 350.000 Euro geahndet werden.
Der Europäischen Union ist der Handel mit EU-Reisepässen schon lange ein Dorn im Auge. Vor knapp zwei Jahren untersuchte die Kommission solche Geschäfte, die neben Zypern auch von Malta und Bulgarien angeboten werden. „Geldwäsche, Steuerhinterziehung können nicht ausgeschlossen werden, weil einige Staaten keine ausreichenden Nachweise fordern, woher das Geld stammt“, sagte damals EU-Kommissarin Věra Jourová.
Proteste in Nikosia
In dieser Woche will das EU-Parlament die Vergabe der „goldenen Pässe“ auf Zypern und anderswo debattieren. „Das Europäische Parlament schlägt zurück“, twitterte der Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) und verlangte, dass dieses „schmutzige Geschäft“ beendet werden müsse.
In Nikosia protestierten am vergangenen Mittwoch mehrere hundert Menschen gegen den Korruptionsskandal. Unter ihnen war auch die frühere EU-Kommissarin Androulla Vassiliou. Sie schäme sich für das, was passiert sei, sagte sie AJE.
Inzwischen hat der Generalstaatsanwalt in Nikosia die Polizei mit einer Untersuchung betraut. Erste Ermittlungen drehen sich nach einem Bericht der Tageszeitung Cyprus Mail um 23 Fälle gekaufter Reisepässe, darunter 18, bei denen die Neubürger als Direktoren und Anteilseigner eines Casinos registriert sind und offenbar nie die vom Staat geforderte Investition von 2,5 Millionen Euro geleistet haben. Wie tief die zyprische Polizei in dem Fall graben wird, der auch hochrangige Mitarbeiter des Innenministeriums belasten könnte, bleibt abzuwarten.
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