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Skandal um AfD-ChatprotokolleAlle gegen Arppe

In Mecklenburg-Vorpommern hängt Ex-AfD-Fraktionsvize Arppe an seinen Mandaten in Bürgerschaft und Landtag. Die Parlamente wehren sich.

Selbst für die Rostocker AfD sind die Chats ihres Ex-Fraktions-Vizes Arppe zu düster Foto: Imago/ Fotoagentur Nordlicht

Rostock taz | Der ehemalige AfD-Vizefraktionsvorsitzende Holger Arppe macht sich ganz besondere Gedanken. In einem Chatprotokoll, das der taz vorliegt, greift Arppe, der auch in der Rostocker Bürgerschaft sitzt, wohlwollend Aussagen eines Bürgerschaftskollegen auf, der meint, sich manche „Leute in der Bürgerschaft“ nur „mit einem Loch im Kopf“ vorstellen zu können.

Am Mittwoch entscheidet die Bürgerschaft der Hansestadt nun über die Abwahl des ehemaligen AfD-Landtagsabgeordneten aus mehreren Gremien. Die Fraktion Rostocker Bund hat den Antrag gestellt, nachdem Arppes Chateinträge, die zwischen politischen Alltäglichkeiten und brutalen Gewalt- und Vergewaltigungsvorstellungen oszillieren, bekannt geworden waren.

Am 31. August hatte Arppe erklärt, das Amt des AfD-Fraktionsvize niederzulegen und aus der Partei auszutreten, jedoch das Mandat im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern weiter behalten zu wollen. Zwei Tage zuvor hatten NDR und taz den 44-Jährigen mit Passagen aus rund 12.000 Seiten Chatprotokoll konfrontiert – mit der Bitte um Stellungnahme. In dem Protokollen werden Parteikollegen verunglimpft, das „rotgrüne Geschmeiß aufs Schafott“ geschickt, von Deutschlands als ein Apartheidstaat geträumt und von einem „zehnjährigen Poloch“ fabuliert. Bis heute blieb Arppe eine Stellungnahme schuldig. In der neu-rechten Wochenzeitung Junge Freiheit hingegenschreibt er am 31. August von „unterstellenden Äußerungen“ und später von einer Medienkampagne.

Doch für die Fraktion Rostocker Bund hat Arppe seine Glaubwürdigkeit durch die Chatinhalte verloren. So begründet sie den Abwahlantrag. Als Bürgerschaftsmitglied ist Arppe zudem in der Verbandsversammlung der Planungsregion Rostock und in der Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindetages vertreten. Mit der Abwahl wolle die Fraktion eine klare Haltung zeigen, so Fraktionschefin Sybille Bachmann.

Im Landtag haben SPD, CDU und Linke Arppe unlängst aufgefordert sein Landtagsmandat niederzulegen. Auch die AfD-Fraktion forderte von ihrem Ex-Fraktions-Vize das Mandat zurück. Der Sitz im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung wurde ihm schon entzogen.

Diäten bis zum Ende der Legislatur?

Den Fall Arppe will Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) zum Anlass nehmen, eine Verfassungsänderung durchzusetzen. Ziel soll sein, Abgeordnete wie Arppe durch eine Mandatsaberkennung aus dem Landtag ausschließen zu können. Eine entsprechende Regelung bestünde in Brandenburg. Auch andere Landtage haben solche Regelungen, die sich jedoch gegen korrupte Parlamentarier richten.

Sollte Arppe sein Mandat nicht abgeben, könne er bis zum Ende der Legislatur seine Diäten beziehen – erscheinen muss er nicht. Das Geld dürfte auch ein Grund sein warum der Galerist an seinem Mandat hängt.

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11 Kommentare

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  • "Wer im Bereich der Strafverfolgung tätig ist – also etwa bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft – muss Straftaten anzeigen, wenn sie oder er dienstlich davon erfahren hat." https://beauftragter-missbrauch.de/recht/strafrecht/verdachtsfall-und-anzeigepflicht/#BehoerdenundAemter-DiePolizeiistverpflichtet-dasJugendamtnicht

  • „Ein AfD-Funktionär droht politischen Gegnern Gewalt an. Als dies bekannt wird, verlässt er die Partei. Für die AfD könnte der Fall noch ein Nachspiel haben. Ein Staatsrechtler bringt drastische Konsequenzen ins Spiel.“ http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl/alle-schlagzeilen/der-fall-arppe-und-die-folgen-staatsrechtler-bringt-afd-beobachtung-ins-spiel/20302334.html

     

    Die Konsequenz der Beobachtung rechtsradikaler Umtriebe durch Verfassungsschützer ist im Falle von Holger Arppe, seinen Kooperationspartnern und ähnlichen Personen bzw. Gruppierungen nicht drastisch, sondern angemessen. Die Affinität der rechten Szene zu sexueller Gewalt, wozu auch solche gegen Kinder gehört ist seit langem bekannt und leicht erklärlich. Leider wurde das bisher trotz deutlicher Hinweise kaum von den zuständigen Behörden, Ausschüssen und Gerichten thematisiert. Dabei reicht ein Blick auf das, was im Zuge der Untersuchung der Mordfälle, die dem NSU zugeschrieben werden zu Tage gefördert wurde, um sich ein Bild von der Affinität Neorechter zu Pädokriminalität zu machen. Auf Beate Zschäpes Rechner wurde Kinderpornografie gefunden, Uwe Böhnhardt wird verdächtigt, an einem Kindermord beteiligt gewesen zu sein und Tino Brandt sitzt aktuell wegen Kindesmissbrauchs und Kinderhandel ein. Und warum der eine oder andere Behördenmitarbeiter in einem Internetcafe sitzt und nicht mitbekommt, wie ganz in seiner Nähe ein Mensch hingerichtet wird, sollte auch genauer als bisher untersucht werden.

  • "Das Geld dürfte auch ein Grund sein warum der Galerist an seinem Mandat hängt."

     

    Unglaublich, diese Niedertracht. Wegen Geld Abgeordneter bleiben zu wollen. Das gibt es ja sonst übrthaupt nicht.

  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    Ich halte gar nix von Arppe aber die Autorin sollte mal recherchieren. Das Brandenburgische Gesetzgebung kennt mitnichten eine Regelung einem Abgeordneten das Mandat zu entziehen. Das darf nur das Landesverfassungsgericht und wenn da nicht mehr als ein paar Chatprotokolle mit besagten Inhalten sind, brauchen die die Klage nicht mal einzureichen denn korruptes Verhalten liegt auch nicht vor.

  • "Ziel soll sein, Abgeordnete wie Arppe durch eine Mandatsaberkennung aus dem Landtag ausschließen zu können."

     

    Mit Verlaub das ist eine gaaanz dumme Idee. Viel sinnvoller wäre die Immunität aufzuheben und wegen Volksverhetzung oder Morddrohungen zu ermitteln. Der Ausschluss aus dem Parlament kann missbraucht werden um unliebsame Parlamentarier loszuwerden.

  • Holger Arppe war nicht der einzige in den Facebook-Gruppen, deren Chatprotokolle veröffentlicht worden sind, der sich in ähnlicher Weise äußerte. Deshalb bleibt doch die Frage offen, was mit den Personen geschehen soll, die sich mit ihm in der beschriebenen, Menschen verachtenden Manier über Jahre hinweg austauschten. Den Medien entnahm ich, dass Holger Arppe nicht das einzige AfD-Mitglied in dem Sozialen Netzwerk war. Außerdem sollen sich unter seinen FB-„Freunden“ auch Leute befunden haben, die zur Identitären Bewegung gehören.

     

    Hat sich eigentlich das Landesamt für Verfassungsschutz zu der Angelegenheit schon geäußert? Den neuesten Meldungen nach zu urteilen, beobachten sie Teile der rechten Gruppierungen genauer als zuvor.

  • Seine ehemaligen Fraktionskollegen wollen Holger Arppe dazu drängen, seinen Sitz im Landtag zu räumen. In einem Artikel des NDR stand zu lesen, dass ein Mandatsverzicht nach weniger als einem Jahr Landtagszugehörigkeit erhebliche Einnahmenverluste für Holger Arppe bedeuten würde.

     

    Soweit ich informiert bin, ist Herr Arppe gelernter Drucker. Wozu seine Galerie diente, weiß ich nicht. Dass er als Galerist viel Geld verdient haben könnte, möchte ich bezweifeln, aber vielleicht ergaben sich mittelbare Einkünfte. Nach dem, was über Arppe und Konsorten aufgedeckt wurde, wird er es vermutlich fortan schwer haben in der Stadt. Sollte Holger Arppe aus der Politik ausscheiden, könnte das also auch existentielle Folgen für ihn haben. Das ist den Personen, die ihn mutmaßlich in seine Ämter hievten, bewusst oder?

  • Die Menschen verachtenden Äußerungen, die Holger Arppe mit seinen Facebook-„Freunden“ innerhalb einer geschlossenen Gruppe teilte, haben Viele empört. Schockiert aber zeigten sich die PolitikerInnen und die Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns durch pädokriminelle Phantasien, die Arppe und Konsorten in sozialen Netzwerken teilten. Dazu sollte man sich vor Augen halten, dass Holger Arppe im Bildungsausschuss und als Stellvertreter im Sozialausschuss sitzt. Ich hoffe, dass nicht nur Arppes, sondern auch die Rechner seine FB-Kumpane durch die Kripo gefilzt werden. Der Kinderschutzbund hatte angekündigt, prüfen zu lassen, ob man Holger Arppe wegen seiner Chat-Äußerungen anzeigen kann. Von der Phantasie ist es nur ein kleiner Schritt zum Horten von Missbrauchsabbildungen, verharmlosend als „Kinderpornografie“ bezeichnet. Und wer so etwas konsumiert, wird in seinem Wunsch, das Gesehene selbst zu verüben bestärkt. Die ohnehin nur geringe Hemmschwelle sinkt. Und da es uns als Gesellschaft immer noch nicht gelingt, Kinder vor Missbrauchskriminellen zu schützen, ist es für diese Personen relativ einfach, Opfer zu finden und ihre Taten zu vertuschen.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen erwachsenen Menschen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Ein Glück das nur die Vertreter der Rot/Grün-versifften Altparteien sich haben wählen lassen um an unsere Steuergelder zu kommen.