Sigmar Gabriel zu Besuch in Uganda: Safari-Siggi on Tour
Bei seinem Besuch in Uganda trifft Außenminister Sigmar Gabriel zumeist den richtigen Ton. Nur mit seiner Garderobe gibt es Probleme.
Seit der sogenannten Flüchtlingskrise in Europa hatte Uganda auf deutschen Staatsbesuch gehofft, denn, so Ugandas Flüchtlingsminister Ecweru: „Wir haben doch so viel gemeinsam.“
In Uganda suchen derzeit 1,3 Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern Schutz, davon knapp eine Million allein aus dem Südsudan. Das sind viel mehr, als 2015 über die Balkanroute nach Deutschland kamen. Doch während in Deutschland die Ankunft der Syrer und Afrikaner als „Krise“ betitelt und viel Geld in die Hand genommen wird, die abgelehnten Asylbewerber, vor allem aus Afrika, wieder abzuschieben, hat Uganda Siedlungen gebaut, den Südsudanesen Land zum Beackern und Asylstatus mit Arbeitserlaubnis gegeben, damit sie bleiben und sich ein neues Leben aufbauen können.
Doch Uganda hat im Vergleich zur Bundesrepublik kaum Geld, um die Flüchtlinge zu versorgen. Nichtregierungsorganisationen, das UN-Welternährungsprogramm (WFP) sowie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind unterfinanziert. Dem UNHCR fehlen allein für dieses Jahr 400 Millionen Dollar.
Ugandas Regierung hofft also auf mehr Unterstützung aus Berlin. Präsident Yoweri Museveni hat seinen Präsidentenhubschrauber bereitgestellt, um in die Siedlungen im Norden des Landes entlang der Grenze zu Südsudan zu fliegen. Ein Tross Journalisten ist aus Berlin mit angereist, um den Außenminister auf seiner Flüchtlingssafari zu filmen.
Alles fleißig einstudiert
Ein Ministerbesuch aus Europa bedeutet viel Aufwand: Soldaten von Ugandas Spezialeinheiten mussten für Sicherheit sorgen. Das UNHCR musste Dutzende klimatisierte Fahrzeuge zur Verfügung stellen, um die Delegation durch die staubigen Siedlungen in der Savanne zu fahren: Gabriel besichtigt zuerst einen solarbetriebenen Brunnen, den das Hilfswerk der Malteser gebohrt hat. Dann ein paar Kilometer weiter eine Schule, in welcher Flüchtlingskinder in überfüllten Klassenzimmern hocken.
Eine Südsudanesin erzählt dem deutschen Minister, wie sie dank der deutschen Welthungerhilfe mit einer Nähmaschine Kleider fertigt und davon ihre Kinder ernähren kann. Gabriel hört interessiert zu, stellt Fragen auf Englisch. Den Schülern schenkt er Fußbälle mit Bundesliga-Logo. Sie singen Dankeslieder – alles fleißig einstudiert.
Die Flüchtlinge sind hochrangige Kurzbesuche mittlerweile gewohnt. Das UNHCR hatte erst in der Woche zuvor Journalisten angekarrt, um den millionsten Flüchtling aus dem Südsudan zu empfangen. Doch aufgrund anhaltender Kämpfe jenseits der Grenzen ließ der Flüchtlingsstrom plötzlich nach. Der einmillionste kam dann doch nicht. 994.642 sind es an dem Tag, als Gabriel einfliegt. Das UNHCR plant in der kommenden Woche einen weiteren Journalistentrip, um dann – hoffentlich – den einmillionsten Flüchtling zu fotografieren.
Bewunderung für Ugandas Flüchtlingspolitik
Ein weiteres Klassenzimmer in der Flüchtlingsschule zu bauen, würde rund 80.000 Dollar kosten. Von all den Pressetrips ließen sich ganze Schulen errichten. Zumal sich deutsche Medien dann doch wenig für Uganda interessieren. Gabriels Flüchtlingsreise schafft es an jenem Abend nicht einmal ausführlich in die „Tagesschau“ oder ins „heute-journal“. Auf der Pressekonferenz in Uganda wird der deutsche Außenminister nach seiner Meinung zur Korea-Krise befragt.
Immerhin, Gabriel ist beeindruckt. „Mit großer Bewunderung“ habe er Ugandas Flüchtlingspolitik wahrgenommen, erklärte er nach seiner Reise „ins Feld“ gegenüber Ugandas Präsident Museveni in dessen Palast neben dem Flughafen. Dazu hat er sich umgezogen, das Funktionsoutfit gegen Anzug und Krawatte getauscht. Als er Museveni die Hand ausstreckt, guckt dieses Mal Gabriel irritiert. Der 72-jährige Ex-Guerillaführer trägt beim bilateralen Gespräch Uniform und Armeestiefel. Da fühlt sich dann Gabriel glatt falsch angezogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
HTS als Terrorvereinigung
Verhaftung von Abu Mohammad al-Jolani?