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Sierra Leone wählt Ende JuniDie Krise weglächeln

Die Lage in Sierra Leone ist angespannt und der Wahlkampf tobt. Oppositionschef Samura Kamar darf kandidieren – trotz Korruptionsvorwürfen.

Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio Foto: Luong Thai Linh/reuters

Freetown taz | Die Hauptstadt Freetown ist zugehängt mit Wahlplakaten. Auf vielen davon lächelt Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio. Der 58-Jährige ist seit 2018 Präsident des 8,4 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen großen Landes und will 2023 unbedingt wiedergewählt werden.

Die Farbe Grün seiner SLPP (Sierra Leone People’s Party) dominiert. Plakate der größten Oppositionspartei APC (All People's Congress), leuchten dagegen in Rot. „Die Spannungen im Vorfeld dieser Wahl sind höher, weil die Opposition unbedingt die Macht zurückmöchte“, sagt Solomon Sogbandi, Landesdirektor von Amnesty International in Sierra Leone.

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Das ist bereits jetzt überall im westafrikanischen Land zu spüren, obwohl erst am 24. Juni gewählt wird. Die alles entscheidende Frage war bis jetzt, ob der 72-jährige APC-Kandidat Samura Kamar – er unterlag vor fünf Jahren in der Stichwahl – überhaupt antreten darf.

Der Wirtschaftswissenschaftler und einstige Programmbeauftragte der Weltbank war von 2012 bis 2017 in der Regierung von Ernest Bai Koroma Außenminister. Ihm wird vorgeworfen, in dieser Zeit in mehrere Korruptionsfälle verstrickt gewesen zu sein.

Proteste in Sierra Leone

Unter anderem soll er 2,5 Millionen US-Dollar unterschlagen haben, die für die Renovierung des sierra-leonischen Konsulats in New York bestimmt waren, berichten lokale Medien. Ein Prozess, in dem noch weitere Personen angeklagt sind, begann im Dezember 2021. Kamara bestreitet die Vorwürfe. Anfang Mai wurde der Prozess vertagt – auf den 14. Juli, also nach den Wahlen. Damit war der Weg zur Einreichung seiner Kandidatur frei.

Als der Prozess noch lief, kritisierten in Freetown An­hän­ge­r*in­nen der Opposition, dass Verhandlungstage immer dann angesetzt wurden, wenn Kamara eigentlich im Land unterwegs sein wollte. Das sei Kalkül, um die Opposition massiv zu schwächen.

Auch Kamaras Pass war eingezogen worden, erst Ende April wurde sein Antrag auf eine Reise nach Großbritannien – bis 1961 Kolonialmacht – abgelehnt. Aber nun durfte er doch reisen, er verbrachte das vergangene Wochenende in London und traf britische Parlamentarier und die sierra-leonische Diaspora.

Zur „großen Verbitterung zwischen Opposition und Regierungspartei“, sagt Sogbandi, haben auch die Proteste im August 2022 beigetragen. In mehreren Städten – darunter in der Oppositionshochburg Makeni – gingen Hunderte Menschen auf die Straßen. Sie demonstrierten gegen die hohe Inflation, die 2022 im Schnitt bei 27 Prozent lag, gegen die weiter steigende Armut – es wird geschätzt, dass bis zu 60 Prozent der Ein­woh­ne­r*in­nen in Armut leben – und gegen mangelnde Maßnahmen der Regierung.

Präsident Bio betonte allerdings schnell: Die Proteste seien ein Versuch der Opposition, die Regierung zu stürzen. Amnesty International spricht von einem „exzessiven Einsatz“ von Gewalt. Berichten zufolge starben 27 Zi­vi­lis­t*in­nen und sechs Polizist*innen.

Zahlreiche Festgenommene sollen bis heute im Gefängnis sitzen. Ein gerade veröffentlichter Untersuchungsbericht hat die Situation nicht entspannt, im Gegenteil. Er sieht Schuld und Verantwortung bei der Opposition.

Regionen und Ethnien

Organisationen der Zivilgesellschaft fordern nun umso lauter einen friedlichen Wahlkampf sowie friedliche Wahlen. Schwierig ist das auch deshalb, weil die beiden großen Parteien eng mit unterschiedlichen Regionen und Ethnien verbunden sind. Während die SLPP vor allem im Süden und Osten gewählt wird, gelten der Norden, Nordwesten und Teile des Westens als APC-Hochburg.

Siege wie Niederlagen würden sich drastisch auswirken, sagt Peter Konteh, Leiter der Caritas in Freetown. „Wer die Wahlen gewinnt, hat alles gewonnen.“ Ämter, Jobs und Verträge würden an Angehörige der jeweiligen Ethnie oder Menschen aus derselben Region vergeben. „Dabei sollte es eine Demokratie für alle sein. Wir sollten für Parteiprogramme und geeignete Politiker stimmen, aber doch nicht für die jeweilige ethnische Zugehörigkeit.“

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