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Sieg gegen den HSV vor 37.000 FansWerders Frauen erobern das Weserstadion

In ersten Bundesliga-Nordderby schlagen die Bremer Fußballerinnen den HSV mit 2:0. Trotz Rivalität ist die Stimmung entspannter als bei den Männern.

Mit Ex-Mitspielerin Svea Stoldt ging sie fast zärtlich um, aber vom Elfmeterpunkt blieb Werders Larissa Mühlhaus zweimal eiskalt Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Bremen taz | Am Ende sprach auch HSV-Kapitänin Pauline Machtens davon, dass „Bremen den Sieg schon verdient geholt hat“. Schließlich hatte Werder die größeren Spielanteile und auch die klareren Chancen. Ganz verraucht war der Ärger über den umstrittenen Elfmeterpfiff von Schiedsrichterin Riem Hussein aus der 6. Minute bei den Aufsteigerinnen aus Hamburg nicht. „Ich hatte den Arm angelegt und der Ball ist nicht einmal gegen den Arm gekommen, sondern gegen die Hüfte“, sagte Svea Stoldt, die Verursacherin des Strafstoßes.

So ein frühes Gegentor verändert die Dynamik eines Spieles, in diesem Fall nahm es den Bremerinnen etwas von der Nervosität, mit der beide Team angesichts der ungewohnten Kulisse anfangs zu kämpfen hatten

Sicher verwandelt hatte den Elfer – wie auch den weniger umstrittenen zweiten nach der Pause – die gebürtige Hamburgerin und frühere HSV-Spielerin Larissa Mühlhaus. Die hielt sich an ihr vorher abgelegtes Gelübde, nach einem selbst erzielten Treffer aufs Jubeln zu verzichten, konnte aber natürlich nicht verhindern, dass ihre Mitspielerinnen sie feierten. In der Gesamtdramaturgie wirkte es allerdings unangemessen, dass dieses Spiel durch zwei profane Handelfmeter entschieden wurde.

Zum vierten Mal nutzte Werder eine Länderspielpause der Profi-Männer, um den Frauen die Bühne des Weser-Stadions zu überlassen. Mit der für die Werder-Frauen neuen Rekordkulisse von 37.000 Zuschauern war es aufgrund etwas eingeschränkter Kapazitäten nahezu ausverkauft – lediglich im mit etwa 1.500 HSV-Fans gefüllten Gästeblock war noch Luft.

Erinnerung an Pokalfight in Hamburg

Im Vorfeld waren viele Erinnerungen an das DFB-Pokalhalbfinale im März im Volksparkstadion wachgeworden, das damals den Zuschauerrekord für den gesamten Frauenfußball in Deutschland auf Vereinsebene darstellte. „Von den 57.000 Menschen sind über 11.000 zum ersten Mal im Volksparkstadion“, hatte HSV-Vorstand Eric Huwer sich damals gefreut.

Die Attraktivität des Frauenfußballs für neue Zielgruppen bewies auch das erste Bundesliga-Derby der beiden Teams. Wesentlich mehr Kinder, Jugendliche und Frauen als bei Spielen der Werder-Männer füllten die Ränge. „Same Passion, same Power“ – die Choreografie der Werder-Ultras gab das Motto vor, das über die volle Spieldauer durchgehalten wurde. In der Leidenschaft, mit der beide Mannschaften unabhängig vom Spielstand von ihrem Anhang gefeiert wurden, schwang auch diesmal das Bekenntnis zu einem anderen, entspannteren Fußball mit.

Dass sich gegen Ende beide Fan-Lager trotzdem zurufen mussten, wie „scheiße“ sie den anderen Klub finden, gehört wohl zu den aus dem Männersport übernommen Ritualen, ohne die ein Nordderby geschlechterübergreifend nicht auskommen kann. Für Extra-Pfiffe der HSV-Fans sorgte Werder-Stürmerin Medina Dešić, als sie sich nach dem Spiel aus dem Publikum ein Plakat reichen ließ, das wohl eine HSV-Raute auf einem Kackhaufen-Emoji darstellen sollte, und es mit auf die Ehrenrunde nahm.

Sportlich hat sich seit März auf beiden Seiten viel getan. Mit Friederike „Fritzy“ Kromp bei Werder und Liése Brancão beim HSV stehen zwei neue Trainerinnen an der Seitenlinie. Brancão hatte den größeren Umbruch zu bewältigen und musste gleich neun neue Spielerinnen integrieren. Von der Startelf im Pokal-Halbfinale standen jetzt mit Pauline Machtens, Svea Stoldt und Emilia Hirche lediglich drei Spielerinnen erneut von Beginn an auf dem Platz. Um die Klasse zu halten, wurde der Kader mit Spielerinnen verstärkt, die Bundesliga- und teils sogar Champions-League-Erfahrung mitbringen. Alle HSV-Spielerinnen sind nun Vollprofis und auch die Rahmenbedingungen wurden weiter professionalisiert.

Der Saisonauftakt mit Platz neun nach den ersten fünf Spielen hatte die Hoffnung verstärkt, sich gegen Werder für die 1:3-Niederlage im Pokal revanchieren zu können. Im Spiel fehlte dann vor allem in der Offensive die nötige Durchschlagskraft, um Werder mehr als durch einen Fernschuss an den Pfosten in Gefahr zu bringen. Auf der anderen Seite wirkt die neu zusammengestellte Mannschaft schon kompakt und gefestigt genug, um die hinter ihr platzierten Teams aus Köln, Nürnberg, Jena und Essen im Griff zu behalten.

Werder ist mit dem Sieg dem Saisonziel nähergekommen, sich möglichst weit oben hinter den großen Vier aus München, Wolfsburg, Frankfurt und Leverkusen einzusortieren. Spannend dürfte die Frage sein, wie lange der Klub daran festhält, nur zweimal pro Saison ins Weserstadion umzuziehen und ansonsten vor 1.000 bis 2.000 Zuschauerinnen auf dem Neben-Platz 11 zu spielen.

„Wenn wir jedes Wochenende hier spielen würden, kämen nicht jedes Mal 30.000 Zuschauer“, sagte Werders Frauen-Abteilungsleiterin Birte Brüggemann. „Das zeigen der HSV, Nürnberg und Union Berlin.“ Der HSV bestreitet bereits jetzt jedes Heimspiel in der großen Arena. Die ersten beiden Heimspiele besuchten dort zusammen etwa 16.500 Zuschauer.

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