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Sicherheit im Hamburger StraßenverkehrTot trotz Abbiegeassistenz

Am Montag tötete ein Lkw-Fahrer eine Radfahrerin beim Rechtsabbiegen. Für Samstag hat der ADFC zu einer Mahnwache aufgerufen.

Lasterfahrer tötet Radlerin: Unfallstelle in der Hamburger Hafencity Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Auf Grün stand die Ampel am vergangenen Montagnachmittag für beide: In der Hamburger Hafencity wollte ein 56-jähriger Lasterfahrer an einer Kreuzung rechts abbiegen, eine neben ihm auf der schmalen Radspur befindliche 34-jährige Radfahrerin wollte geradeaus radeln. Als wenige Minuten später der Notarzt eintraf, war die Radlerin nach dem Zusammenprall mit dem Laster schon tot.

Erneut entfacht ein tödlicher Verkehrsunfall in Hamburg die Debatte über die Sicherheit für Rad­fah­re­r:in­nen auf den Straßen. So befand sich die Radlerin etwa auf einer Veloroute, die von der Stadt als besonders sicher angepriesen werden. An­woh­ne­r:in­nen sollen jedoch nach Angaben des Radverbandes ADFC schon mehrfach bei der Polizei darauf hingewiesen haben, dass die Kreuzung für Rad­le­r:in­nen nicht sicher ist.

Hinzu kommt: Der Lkw-Fahrer tötete die Radlerin, obwohl im Laster ein Abbiegeassistent installiert war. Für Samstagnachmittag hat der ADFC zu einer Mahnwache für die getötete Radfahrerin am Unfallort aufgerufen.

Beim Hamburger ADFC-Sprecher Dirk Lau mischt sich die Trauer über die getötete Radfahrerin mit einer großen Wut auf die Polizei und die Verkehrsbehörde. „Es gab dringende Bitten der An­woh­ne­r:in­nen nach mehr Sicherheit für Radfahrende an dieser Kreuzung“, sagt Lau. „Doch die Politik schaut einfach zu.“

Zahl des Verkehrsunfälle ist gestiegen

So räume die Stadt den Radfahrenden dort zu wenig Platz ein. Stattdessen gebe es für den Kfz-Verkehr an der Kreuzung auch noch einen zusätzlichen Rechtsabbiegestreifen. Dass für die dicht aneinandergedrängten Ver­kehrs­teil­neh­me­r:in­nen – abbiegende Kfzs einerseits, Rad­fah­re­r:in­nen auf dem nur durch Farbe markierten Radstreifen andererseits – keine getrennten Ampelphasen eingerichtet sind, sei ein weiteres Problem.

Gerade auf einer Veloroute seien diese Umstände unhaltbar, findet Lau. 14 Velorouten gibt es mittlerweile in Hamburg. Das bezirksübergreifende, insgesamt rund 280 Kilometer lange Netz soll den Radverkehr auf verkehrsarme Strecken führen und die Wohngebiete der inneren und äußeren Stadt mit den Stadtteilzentren und der City verbinden. Die Velorouten seien „attraktiv sowie sicher und zügig zu befahren“, verspricht die Stadt. „Das ist angesichts vieler Kreuzungen, die für Radfahrende ähnlich unsicher sind wie am Unfallort in der Hafencity, zynisch“, sagt Lau.

Tatsächlich kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen, wenn rechtsabbiegende Last­wa­gen­fah­re­r:in­nen Rad­le­r:in­nen übersehen. Erst vorige Woche erfasste in Hannover ein Lkw-Fahrer eine 59 Jahre alte Radfahrerin beim Rechtsabbiegen an einer Kreuzung und schleifte sie noch 700 Meter mit. In Hamburg kam es zuletzt im vergangenen Oktober zu einem ähnlichen tödlichen Unfall.

Entgegen ersten anders lautenden Meldungen war im unfallverursachenden Lastwagen in Hamburg ein Abbiegeassistent installiert. Wie die Hamburger Polizei auf Nachfrage mitteilt, handelte es sich dabei allerdings nicht um eine zugelassene Assistenz. Offenbar war im Laster ein Gerät installiert worden, das zwar den Fahrer beim Abbiegen mit einer Kamera unterstützt, aber ihn nicht, etwa durch ein Tonsignal, warnt, wenn sich ein Zusammenstoß mit Rad­fah­re­r:in­nen beim Abbiegen anbahnt.

Ob Hamburgs Straßen für Rad­le­r:in­nen durch den Kfz-Verkehr zunehmend gefährlicher werden, ist jedoch unklar. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist 2022 von Januar bis Ende November die Zahl der verunfallten Rad­fah­re­r:in­nen um 19 Prozent gestiegen. Das geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf die Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervor. Demgegenüber steht ein Anstieg des Radverkehrs von lediglich neun Prozent. Der Senat sagt, er könne grundsätzliche Trends erst mit Vorliegen der Zahlen für das Gesamtjahr einschätzen.

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1 Kommentar

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  • Hunderte von LKW und Handwerker-Transporter durchfahren täglich die Stadt - oftmals viel zu schnell, weil sie unter zu hohen Zeitdruck stehen. PKW-Fahrer hupen an jeder Ecke und Kante.



    Ein Blick des LKW-Fahrers aufs Handy im falschen Moment und der Radfahrer ist dem Tod geweiht, weil es kaum geschützte Radstraßen gibt. Viele tote Radfahrer und Fußgänger könnten vermieden werden, wenn es Tempo 30 und Vorzug für Fußgänger und Radfahrer an vielen Stellen in Innenstädten geben würde.

    Je schneller ein LKW oder ein Auto einen Fußgänger oder einen Radfahrer anfährt, desto wahrscheinlicher ist dessen Tod:

    Tempo Todesrisiko für Fußgänger

    50 39 Prozent

    30 8 Prozent

    Die HafenCity, die sich für Klimaschutz beim Bauen lobt, ist ein Beispiel für das komplette Versagen in der Klima-Verkehrspolitik, weil hier eine Asphaltwüste und Rennstrecke für Autos und LKW - wie aus dem letzten Jahrhundert - geschaffen wurde.



    Undenkbar, dass Hamburg aus der gesamten HafenCity einen verkehrsberuhigten Teil machen würde, in dem Radfahrer und Fußgänger den Takt angeben. In Duisburg gehen Fußgänger in einer Straße mit 14.000 Pkw am Tag vor!

    Trotz grüner Senatoren hat in Hamburg die LKW- und Autolobby das sagen! Die Grünen laborieren beim Verkehr herum, statt dem PKW- und LKW-Verkehr mit Tempo 30 in der Innenstadt eine klare Ansage zu machen.

    Zeit also, dass die Letzte Generation den Verkehr in der Innenstadt und auf Ausfallstraßen zuklebt, um zu verdeutlichen, dass für den vierspurigen Ausbau eine lebenswerte Stadt geopfert wurde. Selbst Teile von Parks wurden hierfür rasiert!

    Zeit für den Rückbau der ganzen HH'er Verkehrsarchitektur für Fußgänger, Radfahrer und kleine autonome Elektroautos. In der Reihenfolge! Die deutsche Industrie setzt auf große SUV. Chinesische Firmen setzen dagegen auf KI, kleine autonome Autos ohne Fahrer. Diesem Konzept gehört die Zukunft!