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Sicherheit an Hamburger SchulenLinke findet sich mit Schulpolizisten ab

Hamburgs Linke will sich bei der anstehenden Wahl nicht gegen „Cop4U“ positionieren. Dabei ist diese Zusammenarbeit von Polizei und Schule umstritten.

Cop4U an einer Hamburger Schule: Gerufen, wenn Probleme pädagogisch gelöst werden müssen Foto: Mau­ri­zio Gambarini/dpa

Hamburg taz | Wenn in Hamburg die Parteien ihre Programme für die Hamburg-Wahl im März aufstellen, ist auch interessant, was dabei rausfällt. Die Linke zum Beispiel hatte eigentlich vor, auf Vorschlag ihrer Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Bildung zu fordern, dass Hamburgs Schulen frei von Polizisten sein sollen. Statt jener derzeit eingesetzten „Cop4U“, wie die Beamten in Hamburg genannt werden, sollte es mehr Schulsozialarbeit geben und die Verkehrserziehung sollte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club übernehmen.

Das ist nun vom Tisch. „Nach weiterem Austausch sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Cop4U für viele Lehrende eine wichtige Entlastung ist, die auch einen offeneren Zugang zur Polizei bilden kann. Eine reine Streichung der Cop4U ist damit diskutabel und sollte nicht in unser Wahlprogramm“, heißt es zur Begründung.

238 Cop4U-Stellen gibt es bei der Polizei, je eine für zwei Schulen. Sie sind eine Säule des Konzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ von 2009, das vor allem unter Sozialarbeitern und in der Jugendhilfe umstritten ist. Unter anderen sieht es eine Obacht-Datei vor, in der auffällige Schüler gespeichert werden. Zu Beginn der aktuellen Legislatur, 2021, eskalierte ein Konflikt vor der Hamburger Ida-Ehre-Schule, als ein Cop4U einen 13-Jährigen zu Boden brachte und umstehende Schüler sich mit dem Jungen solidarisierten. Details aus der Datei über dieses Kind sickerten zur Presse durch, was zu medialer Hetze führte.

„Cop4U ist der falsche Weg“, kritisierte damals die Forscherin Sinah Mielich im taz-Interview. Sie hatte Polizisten im Alltag begleitet und erlebt, wie diese für Konflikte an Schulen geholt wurden, die pädagogisch gelöst gehörten. Damals forderte die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus: „Das Konzept des Cop4U muss auf den Prüfstand. Das gesamte Konzept ‚Handeln gegen Jugendgewalt‘ muss evaluiert werden und mindestens dahingehend überarbeitet werden, dass das Primat der Pädagogik gehört.“

Mehr Gespräch nötig

Ralf Dorschel, Sprecher der Linksfraktion, erklärt nun: „Der ursprüngliche Entwurf kam aus der LAG Bildung, drehte dann aber bei der Redaktion des Programmentwurfs ein paar Ex­trarunden“. Die Linke habe sich dagegen entschieden, die Forderung in einem Zweizeiler ohne weitere Erläuterung ins Programm zu werfen. „Generell gilt: Unser Ziel ist keine Cop4U, weil die Polizei sich auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung konzentrieren soll.“ Doch um Schüler, Eltern und Lehrkräfte mitzunehmen, bedürfe es „mehr Gespräche“.

„Uns haben Lehrkräfte, die jeden Tag an der Schule arbeiten, gesagt, dass Cop4U für sie Momentan eine große Unterstützung ist“, erläutert Sabine Boeddinghaus. „Klar stellen wir uns eine Schule vor, wo es Cop4U nicht geben muss. Aber das ist ein Prozess und wir müssen diskutieren, wie wir da hinkommen“.

Erneut aktuell wird das Thema auch durch eine Mitteilung der Hamburger Lehrergewerkschaft GEW zur Gewalt an Schulen. Darin schreibt die Gewerkschaft, dass es einen Anstieg von gefährlichen Körperverletzungen an Schulen gab. Die Übergriffe auf Beschäftigte hätten sich mehr als verdoppelt. Wie die Schulbehörde einräumt, gab es im Schuljahr 2023/24 219 gemeldete Gewaltvorfälle, von denen 25 Beschäftigte betrafen. „Die Fachleute für Gewaltprävention gehen davon aus, dass die erhöhten Fallzahlen nach 2021 Nachwirkungen der Coronazeit sind“, sagt Sprecher Peter Albrecht. Es sei Folge besonderer psychosozialer Belastungen sowie der Entwöhnung von sozialen Verhaltensweisen. Tatsächlich lag etwa 2016 die Zahl auf einem ähnlichen Niveau.

Der GEW-Landesvorsitzende Sven Quiring sagt: „Auch wenn es hier Wellen gibt, uns beunruhigen diese neuen Zahlen und wir wollen die Beschäftigen schützen.“ Nötig wären mehr Prävention und Schutzmaßnahmen, wie etwa Streitschlichter vor Ort. Zudem wäre es kontraproduktiv, dass Sozialarbeiter an Schulen als Vertretungskräfte missbraucht werden. Eine entsprechende Richtlinie sei kürzlich dahingehend aufgeweicht worden. Die Kon­troverse um den Sinn der Cop4U habe die GEW „zur Kenntnis genommen“, dies aber nicht selbst diskutiert, sagt Quiring. „Meine persönliche Meinung ist, dass ein gut eingebundener Cop4U hilfreich für die Schulgemeinschaft sein kann.“

Zu sehr aufs Strafrecht fixiert

Zumindest in der Linken könnte die Diskussion weitergehen. „Die Polizei hat in dieser dauerhaften Form nichts an den Schulen zu suchen“, sagt Ronald Prieß, der in der LAG Kindheit und Jugend mitwirkt. Es sei richtig, wenn die GEW kritisiert, dass Sozialarbeiter für Vertretung missbraucht werden und hier mehr Fachkräfte fordert.

„Ein Cop4U-Beamter unterliegt aber dem Legalitätsprinzip und muss Strafanzeigen stellen, wenn er von Vorfällen erfährt, auch für strafunmündige Kinder“, sagt Prieß. Der ganze Diskurs um Jugendgewalt in Hamburg sei zu sehr auf Strafrecht und Polizei zentriert und hebele die Mitwirkungsrechte von Kindern aus.

Anmerkung der Redaktion: Im Zitat im zweiten Absatz war uns ein Fehler passiert. In der Ursprungsfassung hieß es, die Streichung wäre „indiskutabel“, es stand in dem Änderungsantrag aber das Wort „diskutabel“. Das haben wir korrigiert.

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2 Kommentare

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  • Entzerrung des Leistungsdrucks, mehr Zeit für die alltäglichen Probleme., indiv.Förderung, mehr Sozialarbeit u.zurück zur Primarschule: Erfahrung: Schule HHhat Gewaltproblem mit Mobs die sich zusammenrotten: 5.Klasse-3.Schultag -gewaltsamer Übergriff auf meinen Sohn, der am Boden lag wo ihm sogar auf den Kopf getreten wurde- er hat gelernt wo die Rippen sind u.mir zum Vorwurf gemacht:“Wie kannst du mich auf diese Schule schicken!“ Dann nochmal mit einem Freund:wieder Mob-andere Schüler-zahlt.Blutergüsse-es gabGespräche mit Direktorat:dieSchule ist darauf ausgerichtet u.hat ein Identifizierungssystem mit dem Sozialarbeiter. Sie hat unterschiedl.Strafen (Anruf der Eltern u. je nach Lage- Ausschluss von Spassschulveranstaltungen/einige Tage Schulverbot)für die Täter erteilt. Immer waren es 6. /7.Klässler gegen Einzelne.Es gibtein Gewaltpräventionspro. in allen 6.Klassen! Der Freund durfte sich von der Lehrerin anhören, er sei selbst Schuld,weil er ja seine Meinung laut kundtut! OpferTäterumkehr! Mein Sohn hat beim 1.Mal geäußert, dass er RonaldoScheiße fände! MehrDiplomatie gab es zu lernen - ich bin bis heute geschockt.:Wie Menschen auf Hilflose eintreten! Krank!Cop war nicht da

  • Symptomatisch für unsere Gesellschaft. Wenn irgendwo Milch überkocht, wird der Deckel fest auf den Topf gedückt. Nur nicht die Herdplatte ausschalten.



    Statt etwas gegen die Gewalt in den Köpfen der Kinder/Jugendlichen zu tun, Knüppel drauf. Und die Polizeistellen kann man gut bezahlen aus dem für Jugendtreffs etc. weggespartem Geld.

    Einfaches Prinzip: im Sozialen sparen und autoritäre Infrastruktur pempern.