Showdown im Streit der Bretag-Besitzer: Galgenfrist für „Weser-Kurier“
Das Oberlandesgericht schlägt sich auf die Seite des Gesellschafters Christian Güssow: Vorstandschef Ulrich Hackmack hat 14 Tage Zeit, seinen Posten zu räumen.
BREMEN taz | Genau zwei Wochen hat der Aufsichtsrat des Weser-Kuriers Zeit, seinen Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hackmack abzusetzen oder zum Rücktritt zu bewegen – am 26. 4. um punkt 9 Uhr will das Oberlandesgericht seine „Einstweilige Verfügung“ verkünden, und die wird aller Voraussicht nach lauten: Hackmack ist abgesetzt.
Weil seine Bestellung 2009 „nichtig“ war. Das hatte das Gericht schon im Juli 2011 geurteilt, und der Vorsitzende Richter Detlev Blum schien beinahe etwas ungehalten darüber, dass eine renommierte Aktiengesellschaft, die Bremer Tageszeitungen AG (Bretag), den Richterspruch nicht ernst nimmt. Zumindest nachdem der Bundesgerichtshof im September 2012 sein Urteil bestätigt hatte, sei es „Zeit gewesen, für satzungsgemäße Zustände zu sorgen“, so der Richter ganz ohne Zeigefinger.
Zwei Stunden lang trugen die Anwälte der Weser-Kurier-Gruppe ihre Argumente vor nach dem Motto: Erstens durften wir das und zweitens wollen wir es nie wieder tun und uns wirklich bessern, wenn wir müssen. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der Berliner Medienrechtler Johannes Weberling, meinte, der Aufsichtsrat müsse die Chance bekommen, selbst zu entscheiden, um eine peinliche Ersatz-Entscheidung des Gerichts zu vermeiden: „Wie sieht das denn aus …“ – nur brauche man dafür drei Monate Zeit.
Vier Jahre rechtswidriger Zustand
Doch Richter Blum ließ sich nicht erweichen. Vier Jahre dauere nun der rechtswidrige Zustand an, dass Hackmack Vorstandschef des Weser-Kuriers sei, in einem Jahr laufe der Vertrag sowieso aus – auch der Kläger gegen den rechtswidrigen Zustand, der Gesellschafter Christian Güssow, habe einen „berechtigten Anspruch, Rechtsschutz und nicht nur ein Papier zu bekommen“.
Vordergründig geht es um die unvollständige Einladung zu einer Sitzung im Jahre 2009, auf der der Weg für die Vertragsverlängerung von Hackmack freigemacht wurde. Gleichzeitig hatten die beiden Besitzerfamilien, die sich als „Stämme“ bezeichnen und jeweils über 50 Prozent der Anteile der Bretag verfügen, vereinbart, dass grundsätzlich kein Vertreter dieser Familien „dem Vorstand angehören“ dürfe. So steht es seit 2009 in der Satzung. Der Hintergrund ist klar: Keine der beiden Anteilseigner-Familien soll über Vorstandspositionen ein Übergewicht in der Firma bekommen.
Die Seite „Hackmack“ hat eindeutig ein Übergewicht, die Seite „Meyer“, heute vertreten durch den Erben Christian Güssow, versuchte dies zu korrigieren, scheiterte damit aber im Aufsichtsrat, weil dessen Vorsitzender Weberling in den betreffenden Streitfragen mit seinem Doppelstimmrecht den Ausschlag für die Seite Hackmack gibt. Güssow wirft Hackmack eine ganze Serie von unternehmerischen Fehlentscheidungen vor.
Wie auf Kinder, die sich heillos zerstritten, redete der Richter auf die beiden „Familienstämme“ ein: „Sie müssen diese Blockadesituation aufbrechen“, erklärte er, in der sich die 50-Prozent-Anteilseigner befinden. Er wolle nicht auf die Liste der „angeblichen Pflichtverletzungen“ Hackmacks eingehen, die die Gegenseite vorgelegt habe, auch nicht über die wirtschaftlichen Daten des Weser-Kuriers spekulieren: Dem Zeitungsgewerbe insgesamt gehe es schlecht, „da braucht man eigentlich eine einheitliche Linie“ und „einen Aufsichtsrat, der nicht ständig in Blockbildung diskutiert“.
Wenn die beiden Familienstämme im Unternehmen „sich gegenseitig blockieren“, sei das „keine gute Situation“, „so kann man doch nicht vernünftige Zukunftspläne machen“. Beide Seiten hätten sich „vier Jahre auf der juristischen Ebene bewegt“, so könne es doch nicht weitergehen.
Aber die Anteilseigner Güssow und Hackmack würdigten sich vor Gericht keines Blickes, es gab keinen Handschlag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste