piwik no script img

Shitstorm zu „Die besten Weltuntergänge“Wenn den Menschen die Luft ausgeht

Ein Kinderbuch mit Zukunftsentwürfen löst großen Streit aus. Kübelt sich hier Grünen-Hass aus? Oder fehlt Vertrauen in die vorlesenden Eltern?

Wenn den Menschen die Luft ausgeht: Eine Illustration aus dem Kinderbuch „Die besten Weltuntergänge“ Foto: Klett

„Krank.“ „Sektenliteratur.“ „Manipulation der Kleinsten.“ Was triggert die Leute hier so? Der unmittelbare Anlass ist nicht mehr ganz aktuell. Das Kinderbuch „Die besten Weltuntergänge“ von An­drea Paluch (Text) und Annabelle von Sperber (Illustrationen) erschien 2021 im Klett-Kinderbuchverlag.

Doch die Auseinandersetzung, die um dieses Buch etwa in den Kundenrezen­sio­nen auf Amazon tobt und Züge eines Shitstorms angenommen hat, reißt nicht ab.

Auf zwölf Doppelseiten werden in dem Band mit klarer Linie und sachlichem Text ganz unterschiedliche Zukunftsszenarios von Utopie bis Dystopie entworfen. Gleich auf der ersten Doppelseite ist den Menschen der Sauerstoff ausgegangen, doch sie haben mit Glaskuppeln einen Umgang damit gefunden. Es gibt auch düstere Seiten mit der Überschrift „Zeitalter der Dürre“. Auf ihnen sind Soldaten und Grenzzäune zu sehen.

Die Doppelseite „Kinderparadies“ wiederum nimmt ihren utopischen Gehalt märchenhaft lächelnd gar nicht ernst: „Zähne werden von selbst sauber und müssen gar nicht geputzt werden.“ Es gibt Bilder vom fröhlichen Leben auf Raumschiffen und auch eines, in dem die Menschheit ausgestorben ist. Eine ganze Bandbreite also. Nur eines ist in allen Episoden gleich: Die Zukunft sieht anders aus als die Gegenwart.

Ein Großteil des Shitstorms lässt sich mit Blick auf die Autorin erklären. Die Leute haben mitgekriegt, dass Andrea Paluch die Ehefrau von Robert Habeck ist, über ihr Buch wird der Grünen-Hass ausgekübelt, der in der gegenwärtigen politischen Landschaft auch sonst greifbar ist. „Ideo­logie“, „­Panikmache“, „Manipulation“ sind in den ­Amazon-Kommentaren häufig wiederkehrende Wörter. Wer sich von Lastenrädern triggern lässt, dem stößt etwa die Doppelseite „Stadt ohne Autos“ auf; wer von Leit­kulturen träumt, die Doppelseite „Eine Welt ohne Grenzen“.

Auf die Gespräche kommt es an

Wirklich interessant am Shitstorm ist aber ein Aspekt, der sich nicht direkt in politisch-ökologische Muster und die „Heute-Morgen-Ungleichheiten“ um Klimaveränderungen (so Steffen Mau im Buch „Triggerpunkte“) einordnen lässt. Und zwar sparen Paluch und von Sperber politische Fragen aus.

Welche Ursachen zu welchen Szenarios führen, beschreiben sie nicht. Außerdem ist es oft gar nicht leicht zu sagen, ob das jeweilige Szenario positiv oder negativ, utopisch oder realistisch ist. Gerade dadurch vermittelt das Buch ein großes Vertrauen in vorlesende Eltern. Es rechnet damit, dass die Eltern mit den Kindern über mögliche Zukunftsentwicklungen sprechen und bei diesen Gesprächen etwas herauskommt.

Dieses Vertrauen scheinen viele Amazon-Kommentatoren nicht aufbringen zu können. Was traurig ist.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ich kann es einfach nicht verstehen: Wie kann ein so klasse Buch - so miserabel bewertet werden?

    Seit Jahren, ja seit vielen Jahrzehnten schon wird uns der Weltuntergang prophezeit. Und noch immer ist er leider nicht eingetreten, um die Propheten zumindest im Ansatz zu bestätigen. Da ist dieses Buch doch geradezu ein Hoffnungsschimmer! Da wird unter Glaskuppeln überlebt. Also hier noch einmal: Es wird ÜBERLEBT. Da müsste sich jeder doch freuen; über solch Zukunftshoffnung (Übrigens hat man das mit Biosphäre 2 doch schon ausprobiert. Na ja, gut - oder eher schlecht: Es ist gescheitert. Aber immerhin: Man hat's probiert - und nicht nur geredet …).

    Meine Enkel bekommen die Weltuntergangsszenarien übrigens jeden Morgen mit ihrem Nutella-Brot aufgetischt. Und was soll ich sagen: Sie schreckt nichts mehr …