Shitstorm für die Fifa: „Politik hat im Fußball keinen Platz“
Auf Facebook wird der Internationale Fußballbund in Grund und Boden bewertet. Grund dafür ist ein virtueller Flashmob aus der Ukraine.
Die Fifa steht unter Beschuss. Bei Facebook wird der Internationale Fußballverband in Grund und Boden bewertet. Während sich dessen Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatschef Wladimir Putin gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich für die allerbeste WM aller Zeiten lobpreisen, sinkt das Rating der Fifa auf Facebook ins Bodenlose.
Es ist ein virtueller Flashmob aus der Ukraine, der da auf der Facebook-Seite der Fifa stattfindet. Weit mehr als 100.000 Menschen haben seit Montagabend den Auftritt der Fifa bei Facebook mit nur einem von fünf möglichen Sternen bewertet. Das durchschnittliche Rating sinkt in Bodenlose. Am Dienstagmittag stand es noch bei 1,2 Sternen. Die Fifa wird von der Ukraine aus aufgemischt. Der Propagandakrieg, der die blutigen Kämpfe zwischen Russen und Ukraineren um den Donbass seit je begleitet, hat den Fußball erreicht.
„Slava Ukrajni! Glory to Ukraine!“ so lauten die meisten Kommentare der sich selbst formierenden Internetarmee aus der Ukraine, die sich gegen die Fifa in Stellung gebracht hat. Manchmal ist ist noch von Korruption die Rede und das Wort Mafia fällt auch regelmäßig. Doch das sind Nebenschlachtfelder. Der Shitstorm wurde ausgelöst, nachdem der Weltverband die Äußerungen des kroatischen Nationalspielers Domagoj Vida nach dem Viertelfinalerfolg gegen Russland als unsportlich bezeichnet hatte und dem Verband dafür eine Strafe von 15.000 Dollar aufgebrummt hat.
„Slava Ukrajni!“ hatte Vida zusammen mit dem Teambetreuer Ognjen Vukojevic in eine Handykamera gegrölt und den Sieg der Ukraine und seinem Ex-Verein Dynamo Kiew gewidmet. Weil die Kroaten den Teambetreuer, der in seiner Zeit als Spieler auch mal bei Dynamo Kiew unter Vertrag war, nach Hause geschickt hätten, sei die Strafe nicht höher ausgefallen, ließ die Fifa mitteilen.
Wütende Kommenare auf Sportportalen
In der Ukraine will man indes gar nicht einsehen, warum es überhaupt eine Strafe nach sich zieht, wenn jemand der Ukraine Ruhm wünscht. Der ukrainische Fußballverband hat in einem Schreiben an die Fifa eine kleine historische Erläuterung der Losung gegeben und Partei für Vida ergriffen. Während für die russischen Medien klar ist, dass es sich bei der Losung um einen faschistischen Gruß handelt aus der Zeit der ukrainischen Umanhängigkeitsbewegung in den 1930er Jahren, erklärt der Fußballverband den Ruhmeswunsch für harmlos.
„‚Slava Ukraini‘ ist eine gebräuchliche Grußformel in der Ukraine, die mit den Worten 'Ruhm den Helden!’ beantwortet wird“, heißt es in dem Schreiben des Ukrainischen Verbands an die Fifa. Die Ukraine, die ihrer Qualifikationsgruppe für die WM in ihrer Gruppe gegen Island und Kroatien gescheitert ist, spielt plötzlich mit in Russland. Da gibt es wütende Kommenare auf den Sportportalen und in den Fußballmagazinen. Der Sport-Express verkauft seine neue Ausgabe mit dem Satz: „Politik hat im Fußball keinen Platz“.
Derweil wird über ein weiteres Handyvideo diskutiert, in dem ein offensichtlich schwer betrunkener Vida „Ruhm der Ukraine!“ brüllt. Dann sagt er noch „Belgrad brenne!“ Wütende Kommentare ließen nicht lange auf sich warten und viele wollten nicht glauben, dass es sich dabei nicht um den Aufruf zum Marsch auf Belgrad handelt. In Kiew gebe es es eine Kneipe, die „Belgrad“ heißt, und Vida habe dem Wirt mit dem Satz nicht mehr sagen wollen, als dass er ihm eine rauschende Party wünsche, so lautet die Version aus dem kroatischen Lager.
Auf den Empfang der Kroaten durch das russische Publikum am Mittwoch im Moskauer Luschniki-Stadion darf man nach dieser Propaganda-Posse jedenfalls gespannt sein. Ob und wie es der Fifa gelingt, den Shitstorm auf Facebook wieder einzufangen, ist gewiss ebenso interessant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“