Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Wo bleibt die Bazooka?
Scho wieder ein Fall sexueller Gewalt gegen Kinder, bei dem Jugendämter versagt haben. Es fehlen: systematische Schulung und behördliche Vernetzung.
![Ein enger Ausschnitt einer Kleingartenkolonie, die Ränder verschwinden in Dunkelheit Ein enger Ausschnitt einer Kleingartenkolonie, die Ränder verschwinden in Dunkelheit](https://taz.de/picture/4190480/14/25366729-1.jpeg)
D ie Parallelen zum Fall Lügde drängen sich auf: Wieder haben mehrere Männer systematisch Kinder aus ihrem Umfeld sexuell ausgebeutet, wieder war der Tatort eine Parzelle an einem kleinbürgerlichen Erholungsort. Und wieder steht die Arbeit der Jugendämter im Fokus: Das Jugendamt Münster beobachtete eine der drei betroffenen Familien schon vor Jahren, weil der „soziale Kindsvater“ mehrfach wegen Besitz und Vertrieb von kinderpornografischem Material aufgefallen war.
Dennoch sah man keinen Anlass, das Kind aus der Familie zu nehmen. Eine Entscheidung, die für das Leben dieses und zweier anderer Jungen schlimme Konsequenzen hatte: schwere sexuelle Gewalt zwischen November 2018 und Mai 2020; davon gehen die Ermittler derzeit aus. Eineinhalb Jahre Martyrium, weil das Jugendamt die Gefahr nicht ernst genug nahm? Und weil die Polizei, die 2019 erneut Material bei dem Verdächtigen entdeckte, die Erkenntnisse nicht umgehend weiterleitete?
Bitter, dass sich so ein Fall ausgerechnet in NRW wiederholt, wo Innenminister Reul nach dem Behördenversagen in Lügde und den Ermittlungspannen im Netzwerk von Bergisch-Gladbach den Kampf gegen Kindesmissbrauch zur „Chefsache“ erklärt hatte. Fairerweise muss man sagen, dass der letztgenannte sowie der aktuelle Fall auch andere Länder betrifft und sich die Ausstattung der Polizei verbessert hat.
Doch wo sind die systematische Schulung, die behördliche Vernetzung und die fachliche Begleitung derer, die von Amts wegen das Kindeswohl sicherstellen sollen? Deprimierend, dass die Bundesregierung trotz des offensichtlichen Bedarfs keine „Bazooka“ für den Kinderschutz auspackt. Die Lücken im Kinderhilfesystem sind unübersehbar.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau