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Sexismusdebatte um Staatssekretärin„Und dann sind Sie auch so schön!“

Sawsan Chebli macht Vorfall von einer Konferenz am Wochenende öffentlich und erntet einen Shitstorm. Der beschuldigte Botschafter a. D. äußert sich nicht.

Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Internationales in der Senatskanzlei Foto: picture alliance

In den sozialen Netzwerken wird seit dem Wochenende der nächste #aufschrei diskutiert: Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Internationales in der Senatskanzlei, hatte am Samstag auf ihrer Facebook-Seite von einem Vorfall bei einer Podiumsdiskussion am selben Tag berichtet. Chebli schildert, wie sie als Rednerin bei einer Konferenz der Deutsch-Indischen Gesellschaft vom Podiumsleiter mit diesen Worten vorgestellt worden sei: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“

Sie sei „geschockt“ gewesen und sei es immer noch. Chebli äußerte sich nicht weiter zur Person des Ex-Botschafters. Laut einem Zeitungsbericht soll es sich aber um Hans-Joachim Kiderlen handeln, der bis 2008 im Auswärtigen Dienst tätig war und derzeit Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche von Georgien ist. Die Deutsch-Indische Gesellschaft und Kiderlen äußerten sich auf Anfrage bislang nicht zu dem Vorfall.

Auf Facebook und Twitter wird Cheblis Eintrag am Montag kontrovers diskutiert: Neben einigen Solidaritätsbekundungen gibt es vor allem Hasskommentare, die der 39-Jährigen „Dünnhäutigkeit“ vorwerfen. Auch unverhohlen rassistische Posts sind darunter, die auf den Migrationshintergrund der Deutsch-Palästinenserin anspielen („Verkriechen unterm Kopftuch und gut“).

Sawsan Chebli sagte, sie wollte mit ihrem Post „eine Debatte weiter anstoßen, die noch nicht ausgefochten ist.“ – „Begrüßenswert“ fand das am Montag auch die Sprecherin für Gleichstellung der SPD-Fraktion, Derya Caglar. Sie habe selbst schon ähnliche Situationen wie Chebli erlebt. „Wer kennt das nicht als Frau?“

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10 Kommentare

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  • Kindergartenaufregung.

  • und außerdem: „Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön.“ Kein er erwartet keine junge Frau auf dem Parkett und schon gar keine schöne...Chauvinismus/Sexismus? Da muss man schon sehr ignorant sein, das nicht zu erkennen...oder man hat sich eben noch nicht damit auseinandergesetzt. 2017.

  • Eine Staatssekretärin (oder auch einen Staatssekretär) so vorzustellen, hat da einfach nichts zu suchen. Und dass es hier durchaus um nicht erkannten Chauvinismus geht, kann man ruhig mal anfragen. Denn bis heute werden Frauen in der Geschäftswelt noch immer gerne auf Ihr Aussehen angesprochen, und Mann meint, wenn er ihr ein Kompliment zu Ihrer Frisur oder ihrem Look macht, sei das einfach nett. Mag ja so gemeint sein, hat aber noch immer ein Geschmäckle. Und es ist nun mal ein Unterschied, ob mir mein langjähriger Kollege, mit dem ich mich auch privat gut verstehe, PRIVAT ein Kompliment zu meiner neuen Frisur macht, oder ob mich so ein Redner bei einer Konferenz einführt...ist einfach auch unseriös.

    Wenn Chauvinismus und Sexismus mal gebannt sind, müssen wir uns mit solchen Debatten auch nicht mehr "quälen". Auf dieser Konferenz hat so eine Einführung einer Person so gar nichts zu suchen.

  • Ganz aufschlussreich finde ich folgenden Aspekt:

    Frau Chibli schreibt auf facebook. "Ich sollte heute Morgen eine Rede halten. Vier Männer sitzen auf dem Podium ..."

     

    Dazu die Berliner Morgenpost (https://www.morgenpost.de/berlin/article212256247/Sexismus-Vorfall-DIG-wirft-Chebli-Ungereimtheiten-vor.html):

     

    "Hier widerspricht Cornelia von Oheimb von der DIG. Auch sie habe auf dem Podium gesessen. "Ich frage mich nun zu recht, wie sexistisch ist Frau Chebli mir gegenüber, da sie doch in der ersten Reihe saß und mich als Frau nicht wahrgenommen hat", schreibt sie ..."

     

    M. a. W. der Vorwurf des Sexismus fällt auf Frau Chibli selbst zurück.

  • Dass es Sawsan Chebli „schockiert“ hat, als jung und schön bezeichnet zu werden, kann ich mir nicht vorstellen.

     

    Ein Schock ist laut Lexikon „die Folge einer extremen psychischen Belastung, für die der oder die Betroffene keine geeignete Bewältigungsstrategie besitzt“. Sawsan Chebli ist 39 Jahre alt. Die meisten Staatssekretäre dürften deutlich älter sein. Sie wirkt auch entschieden zu gepflegt, als dass ihr gutes Aussehen sie tatsächlich extrem belasten könnte.

     

    Hans-Joachim Kiderlen ist, glaubt man den Fotos, deutlich älter als die Staatssekretärin. Das „Ex“ vor dem Wort „Botschafter“ spricht nicht unbedingt für ein besonderes diplomatisches Talent und weder Georgien noch die Kirche sind als Hort emanzipatorischen Fortschritts verschrien. Männer dieses Schlages sind meiner Erfahrung nach nur selten ganz auf der Höhe ihrer Zeit. Man muss deshalb kein Mitleid haben mit ihnen. Man darf bloß nicht so tun, als käme das ganz unerwartet.

     

    Nein, der Zweck heiligt nicht jedes Mittel. Selbstermächtigung um jeden Preis ist kontraproduktiv. Als „Kleinkram“ würde ich diesen Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren und ein Sprechverbot durchzusetzen, jedenfalls nicht bezeichnen. Autoritäres Verhalten ist schließlich nicht nur dann Mist, wenn hässliche alte Männer es praktizieren.

     

    Die versuchte Gleichsetzung eines dämlichen „Kompliments“ mit einer Vergewaltigung finde ich im Übrigen ausgesprochen unpassend. Mit ihrer Vergewaltigt brauchen Frauen (zu Glück) nicht mehr täglich zu rechnen. Sie müssen also auch keine Strategien parat haben dafür. Eine Vergewaltigung kann tatsächlich ein Schock sein. Wer sich hingegen auf den Weg macht, männliche Domänen zu erobern, der muss auf Kerle gefasst sein, die Manieren von Vorvorgestern haben.

     

    Sawsan Chebli, scheint mir, war gefasst. Sie hat offenbar lange warten müssen auf ihre Chance, einen verbalen Griff ins Klo zu instrumentalisieren. So lange, dass sie schließlich die Geduld verloren hat.

  • Erinnert an das lautstarke Stöhnen des Stürmers nach einem Foul an der Strafraumgrenze.

     

    Statt im Nachgang theatralisch "geschockt" zu sein, wäre eine schlagfertige oder treffende Entgegnung richtig gewesen. Dazu ist Frau Chebli als Politikerin oder zumindest Politik-Erfahrene auch in der Lage, sonst wäre sie nicht dort, wo sie jetzt ist.

  • Dass die alten Männer noch nicht verstanden haben, dass sich die Welt weiterentwicklet hat, mag durchaus der Fall sein. Fakt ist, dass Schönheit in der Politik ein Vorteil ist und Wähler_innen_stimmen bringt. Gleichzeitig erzeugt es Neider, die z.B. auch gerade herausgeputzte Männer attackieren. Da gibt es noch kein Tabu wie auf weiblicher Seite. Wir können die Political Correctness noch ein bisschen besser umsetzen. Dass Schönheit erfolgreich macht und Neider produziert, wird sich aber wohl nicht wirklich verhindern lassen.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      "Dass Schönheit erfolgreich macht und Neider produziert, wird sich aber wohl nicht wirklich verhindern lassen."

       

      Nein, blos sagen darf man es nich mehr...

    • @Velofisch:

      Früher war es eine Beleidigung, wenn man eine Frau als alt und hässlich beschimpft hat. Heute ist jung und schön eine Beleidigung. Erinnert mich an Neusprech aus dem Roman 1984 von George Orwell. Wie heißt es da Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke und jetzt jung und schön ist alt und hässlich.

      Den Namen des „Delinquenten nennen“, hetzen uns spalten ist offensichtlich in unserer Zeit „In“. Wir „Alten“ verstehen das nicht, aber die junge Generation soll ja Neusprech ab dem Kindergarten lernen.