Serienkolumne Die Couchreporter: Ist Homeland rassistisch?
„Homeland“ orientiert sich an wahren Begebenheiten. Manchmal schleichen sich da Fehler ein. Fraglich, ob das automatisch diskriminierend ist.
D ie sechste Staffel „Homeland“ ist vorbei, und kaum jemanden hat es interessiert. Es kann nicht daran liegen, dass die Staffel langweilig war. Wer sie gesehen hat, wird zu dem Urteil kommen müssen, dass sie zu den besten der gesamten Serie gehört.
Mit einer weiblichen President Elect, die in Konflikt mit ihrem Sicherheitsapparat gerät und mit einer mächtigen Intrige zu tun hat, die in Form eines einflussreichen Social-Media-basierten tiefen Staats auftritt, der Fake-News-Kampagnen in ganz großem Stil führt. So dunkel, so vertrackt, so unheimlich nah an der US-amerikanischen Realität unter Trump und Bannon hat es „Homeland“ noch nie geschafft.
Aber das interessiert offenbar nicht, weil es halt wenig zu kritisieren gibt. Die Kritik an „Homeland“ war Teil der großen Aufmerksamkeitsmaschine, von der die Serie zwar sicher auch profitiert hat, die aber vor allem der unendlichen Leidenschaft des Rumnörgelns geschuldet war. Vor allem Linke sind darin Profis. Gerne würde ich Gott fragen, ob das Teil seines Masterplans war oder ob bei der Erschaffung der Linken irgendwas schief gelaufen ist.
Jahrelang wurde an „Homeland“ rumgenörgelt, es sei stereotyp, islamfeindlich, rassistisch. Gewitzte Nörgler haben es sogar geschafft, in einer Folge der 5. Staffel die Nörgelei in der Serie unterzubringen: arabische Graffitis an einer Wand, auf denen unter anderem „Homeland ist rassistisch“ zu lesen war.
Keine Drehgenehmigung in der Türkei
Ich verstehe bis heute nicht, was an „Homeland“ rassistisch gewesen sein soll. Von Anfang an gab es immer auch weiße, US-amerikanische, christliche Protagonisten und zwar sogar in der absoluten Hauptrolle der ersten beiden Staffeln Brody, der US-Militär, der ein völlig undurchsichtiger Charakter, ja, ein Terrorist ist. Von Anfang an gab es Rollen wie den iranischen Geheimdienstchef Majid Javadi, ebenso uneindeutig und obwohl Mastermind hinter dem Terroranschlag auf Langley zum wichtigsten Partner der CIA in den Verhandlungen mit dem Iran wird.
„Homeland“ dreht so nah dran an realen politischen Ereignissen, dass ihnen die Zeit zum Factchecking fehlt, was mitunter zu lächerlichen Ergebnissen führt. Dass nicht mal irgendwer angeguckt hat, was die Sprayer da an ihre Wände schrieben, ist der beste Beweis dafür. Aber ist das rassistisch?
Dass die Serie, in der sich die Hauptrollen der CIA-Agenten Carrie und Saul von Staffel zu Staffel immer weiter von der CIA, von den USA, von ihrem Job entfremden, das die USA und ihre Sicherheitsbehörden immer mehr zum Hauptproblem werden, das bemerken die Nörgler nicht.
Gerne lassen die Nörgler unerwähnt, dass „Homeland“ gezwungen ist, an anderen Schauplätzen zu drehen als an denen, wo ihre Serie spielt, weil die Länder den Machern einfach keine Drehgenehmigung erteilen. Jahrelang hat „Homeland“ versucht, eine Staffel in der Türkei spielen zu lassen. Die dritte endete sogar mit der Ankündigung Carries, sie werde nach Istanbul gehen. Aber die Alaturka-Behörden hatten keinen Bock auf schlechtes Image.
Wer jetzt noch rumnörgelt, die Serie hinke der getrumpten Realität hinterher, weil sie eine Frau als Präsidenten gewählt hat, muss halt weiter Trump-Tweets lesen. Da kriegt man sicher beste Realität geboten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland