Serie „Yellowjackets“: Das Quäntchen Horror-Flashback

In „Yellowjackets“ muss ein Mädchen-Fußballteam in der Wildnis überleben. Klug verbindet die Serie verschiedene Genre-Elemente.

Zwei junge Frauen mit Sauerstoffmasken in einem Flugzeug

Melanie Lynskey als Shauna in Yellowjackets Foto: Paul Sarkis/Showtime

Die Mädchen-Fußballmannschaft einer Kleinstadt-High-School ist 1996 Meister in New Jersey geworden, nun steht zum Saisonabschluss noch die Teilnahme an der nationalen Meisterschaft an. Anspannung, Stolz und Vorfreude liegen in der Luft. Aber unbeschwerte Teenager­euphorie gibt es in der neuen Sky-Serie „Yellowjackets“ nur kurz, bevor es zur Katastrophe kommt. Der Privatjet, den der Vater eines der Teenagerinnen extra angemietet hat, um das Fußballteam nach Seattle zu fliegen, stürzt ab – irgendwo in der kanadischen Wildnis.

Im menschenleeren Niemandsland finden sich die Überlebenden wieder, darunter sind neben einem Assistenz-Coach und den beiden Söhnen des Trainers ein Großteil der Mädchen, etwa die (fast) bei allen beliebte Jackie (Ella Purnell) und ihre beste Freundin Shauna (Sophie Nélisse), die meinungsstarke Taissa (Jasmin Savoy Brown), die rebellisch-unangepasste Natalie (Sophie Thatcher) und Misty (Sammi Hanratty), die von den anderen meist ignoriert oder verlacht wird.

Als die zunächst erhoffte schnelle Rettung ausbleibt und die Vorräte rapide zu Ende gehen, muss die Truppe lernen zu jagen, sich vor Wölfen und Bären zu schützen – und die Hoffnung nicht zu verlieren. Doch es dauert ganze 19 Monate, bis die Verbliebenen tatsächlich gefunden werden – und wie finster es bis dahin in jeder Hinsicht zugeht, davon gibt diese Serie gleich zu Beginn der ersten Folge (Regie: Karyn Kusama) einen kleinen Einblick.

Was ist damals da draußen wirklich passiert? Welcher Preis musste fürs Überleben tatsächlich bezahlt werden? Mit diesen Fragen sehen sich die Frauen auch 25 Jahre nach einem Flugzeugabsturz immer wieder konfrontiert. Die nie öffentlich ausgesprochenen Antworten treiben sie auch als Erwachsene noch um. Shauna (Melanie Lynskey) ist inzwischen frustrierte Hausfrau und Mutter, die den verpassten Chancen der Jugend nachtrauert. Taissa (Tawny Cypress) bewirbt sich um einen Posten als Senatorin und droht im Wahlkampf Ehefrau und Sohn zu vernachlässigen.

Rätselhafte anonyme Postkarten

Derweil wird Natalie (Juliette Lewis) mal wieder aus der Entzugsklinik entlassen, während Misty (Christina Ricci) inzwischen Altenpflegerin, aber immer noch einsam und manipulativ ist. Als eine vermeintliche Reporterin in der Vergangenheit zu wühlen beginnt und rätselhafte anonyme Postkarten eintreffen, kreuzen sich ihre Wege gegen alle Widerstände wieder und sickert das lange verdrängte Trauma langsam in den Alltag.

Ashley Lyle und Bart Nickerson, die gemeinsam als Schöp­fe­r*in­nen für „Yellowjackets“ verantwortlich zeichnen und zuvor bereits an Serien wie „Narcos“ oder „Dispatches From Else­where“ mitwirkten, erzählen ihre Geschichte auf beiden Zeit­ebenen parallel. Und sie finden dabei eine erstaunlich geschickt austarierte Balance aus unterschiedlichsten Genre-Elementen: Die zehnteilige erste Staffel (eine zweite ist bereits bestellt) ist gleichermaßen Mystery­thril­ler à la „Lost“, Survivalabenteuer im Stil von „Herr der Fliegen“ oder aktuell „The Wilds“ sowie Midlife-Krisen-Drama – und dabei, kombiniert mit einer guten Portion 90er-Nostalgie, so unterhaltsam und spannend, dass man kaum abschalten mag.

Horrormomente zum Glück sparsam

Die eingangs eingeführten Horror- und Schockmomente werden glücklicherweise sparsam eingesetzt, und dass sich gerade auf der Wildnisschiene der Erzählung die Handlung erstaunlich langsam entwickelt, macht sie umso effektiver.

Dass der Bogen unter dem Brennglas einer Extremsituation so überzeugend geschlagen wird zwischen jenem Alter, in dem Mädchen erwachsen werden und sich selbst finden müssen, und dem, in dem eine erste Bilanz gezogen wird und man sich fragt, was aus den einstigen Träumen wurde, liegt nicht nur an einem stimmigen, von Wahrhaftigkeit durchdrungenen Tonfall. Mindestens so entscheidend ist das starke Ensemble, das vor allem exzellent zusammengestellt ist. Besonders erwähnenswert: die immer fantastische, aber oft übersehene Melanie Lynskey. Selten fügen sich jüngere und ältere Versionen so überzeugend zu glaubhaften, komplexen Figuren zusammen wie hier.

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